Der Zorn der Götter
Einladung zum Essen anzunehmen.«
Ein Moment lang herrschte Schweigen, dann: »Wirklich? Das … das ist ja großartig.«
Kelly hörte die Aufregung in seiner Stimme.
»Heute um eins im Laurent?«
»Wunderbar. Ich danke Ihnen vielmals. Ich –«
»Ich lasse einen Tisch reservieren. Wiederhören.«
Mark Harris stand wartend an einem Tisch im Laurent, als Kelly mit dem Welpen im Arm hereinkam.
Marks Gesicht leuchtete auf. »Sie sind gekommen. Ich war mir nicht sicher … Und Sie haben Angel mitgebracht.«
»Ja.« Kelly drückte Mark den Hund in die Arme. »Sie kann Ihnen beim Essen Gesellschaft leisten«, sagte sie in eisigem Tonfall, wandte sich ab und wollte gehen.
»Das verstehe ich nicht«, sagte Mark. »Ich dachte …«
»Tja, dann werde ich es Ihnen zum letzten Mal erklären«, versetzte Kelly. »Ich möchte nicht mehr von Ihnen belästigt werden. Verstehen Sie das?«
Mark Harris’ Gesicht lief rot an. »Ja. Ja, natürlich. Tut mir Leid. Ich … ich wollte nicht … Ich dachte bloß … Ich weiß nicht, was … Ich möchte das gern erklären. Wollen Sie nicht einen Moment Platz nehmen?«
Kelly wollte bereits Nein sagen, setzte sich dann aber und musterte ihn mit verächtlicher Miene. »Ja?«
Mark Harris atmete tief durch. »Es tut mir wirklich Leid. Ich wollte Sie nicht belästigen. Ich habe Ihnen diese Sachen geschickt, um mich bei Ihnen zu entschuldigen. Ich wollte lediglich eine Chance – als ich Ihr Bild gesehen habe, hatte ich das Gefühl, als ob ich Sie schon ein Leben lang kenne. Und als ich Sie dann persönlich gesehen habe und Sie noch …« Er geriet vor lauter Verlegenheit ins Stammeln. »Ich hätte mir darüber klar sein müssen, dass jemand wie Sie kein Interesse an jemandem wie … Ich … ich habe mich wie ein dummer Schuljunge benommen. Es ist mir so peinlich. Es ist nur so, dass ich … Ich wusste nicht, wie ich Ihnen erklären sollte, wie mir zumute war, und …« Mit einem Mal wirkte er ungemein verletzlich. »Ich kann einfach … Ich kann meine Gefühle schlecht erklären. Ich bin mein Leben lang allein gewesen. Niemand hat jemals … Meine Eltern haben sich scheiden lassen, als ich sechs war, und danach gab es einen langen Streit ums Sorgerecht. Keiner von beiden wollte mich haben.«
Kelly betrachtete ihn schweigend. Seine Worte gingen ihr durch den Kopf und brachten längst verdrängte Erinnerungen zurück.
Warum bist du den Balg nicht losgeworden, bevor er zur Welt gekommen ist?
Ich hab’s ja versucht. Es hat nicht geklappt.
Er fuhr fort. »Ich bin in einem halben Dutzend verschiedener Pflegeheime aufgewachsen, wo sich niemand irgendwas …«
Das sind deine Onkel. Ärger sie nicht.
»Ich hatte das Gefühl, dass ich es niemand recht …«
Das Essen ist miserabel … Das Kleid steht dir nicht … Du hast die Badezimmer immer noch nicht geputzt …
Kelly wurde von seinen Erklärungen mehr und mehr in Bann geschlagen.
Ich habe beschlossen, Model zu werden.
Sämtliche Models sind Nutten.
»Ich habe davon geträumt, aufs College zu gehen, aber sie haben gesagt, für die Arbeit, die ich mal machen werde, bräuchte ich … bräuchte ich keine höhere Schuldbildung.«
Was zum Teufel willst du auf ’ner Schule? Bei deinem Aussehen könntest du schon eher anschaffen gehen.
»Als ich ein Stipendium fürs MIT bekommen habe, haben meine Pflegeeltern gesagt, ich würde das Studium vermutlich sowieso nicht schaffen und sollte lieber in einer Autowerkstatt arbeiten …«
Aufs College? Du vergeudest bloß vier Jahre deines Lebens …
Was dieser Fremde ihr erzählte, kam ihr vor wie eine Wiederholung all der Vorhaltungen, die sie sich einst hatte anhören müssen. Kelly saß zutiefst berührt da, konnte nur zu gut nachempfinden, was dieser Mann durchgemacht hatte.
»Als ich mein Studium am MIT abgeschlossen hatte, wurde ich von der Kingsley International Group eingestellt und arbeitete in deren Filiale in Paris. Aber ich war so einsam.«
Er schwieg eine Weile. »Vor langer Zeit habe ich mal irgendwo gelesen, dass es im Leben nicht Schöneres gibt, als jemanden zu finden, den man liebt und der einen ebenfalls liebt … Und ich habe es geglaubt.«
Kelly saß schweigend da.
»Aber ich habe niemanden gefunden und wollte bereits aufgeben«, sagte Mark Harris verlegen. »Und dann habe ich eines Tages Sie gesehen …« Er konnte nicht weitersprechen.
Er stand auf, Angel immer noch auf dem Arm. »Ich schäme mich so. Ich verspreche Ihnen, dass ich Sie nie wieder behelligen
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