Der Zorn der Götter
»Ich kann kaum glauben, dass du das bist. Was machst du hier in der Stadt?«
»Ich habe meine Mutter besucht, aber ich wollte auch Sie sehen.«
»Ich bin ja so stolz auf dich. Das kannst du dir gar nicht vorstellen.«
»Mrs. Houston, können Sie sich noch daran erinnern, als ich Sie gefragt habe, wie ich Ihnen danken könnte? Sie haben gesagt, wenn Sie eines Tages mein Bild in einer Modezeitschrift sehen, wäre das für Sie der schönste Dank. Hier.«
Kelly drückte Mrs. Houston den Stapel Zeitschriften in den Arm. Es waren allerlei Ausgaben von Elle, Cosmopolitan, Mademoiselle und Vogue, und sie war bei allen auf dem Cover abgebildet.
»Großartig«. Mrs. Houston strahlte. »Ich möchte dir auch etwas zeigen.« Sie ging hinter ihren Schreibtisch und holte die gleichen Zeitschriften heraus.
Kelly war einen Moment lang sprachlos. »Womit kann ich Ihnen jemals danken? Sie haben mein Leben verändert.«
»Nein, Kelly. Du selbst hast dir ein anderes Leben gesucht. Ich habe dir lediglich einen kleinen Schubs gegeben. Und noch was, Kelly …«
»Ja?«
»Deinetwegen bin ich modebewusst geworden.«
Da Kelly großen Wert darauf legte, sich ein Privatleben zu bewahren, kam sie mit ihrem Ruhm mitunter nur schwer zurecht. Die ständige Belagerung durch die Fotografen ärgerte sie, und mit der Zeit entwickelte sie eine geradezu panische Angst davor, von Leuten angesprochen zu werden, die sie nicht kannte. Kelly genoss es, allein zu sein.
Eines Tages speiste sie zu Mittag im Restaurant Le Cinq im Hotel George V., als ein schlecht gekleideter Mann an ihr vorbeiging, dann stehen blieb und sie anstarrte. Er hatte einen fahlen, ungesund wirkenden Teint, so als verbringe er den Großteil seiner Zeit in geschlossenen Räumen. Er hatte eine Ausgabe von Elle dabei, die bei einem Foto von Kelly aufgeschlagen war.
»Entschuldigen Sie«, sagte der Fremde.
Unwirsch blickte Kelly auf. »Ja?«
»Ich habe Ihr – ich habe diesen Artikel hier über Sie gelesen, und da steht, dass Sie in Philadelphia geboren sind.« Er klang jetzt völlig begeistert. »Ich bin auch da geboren, und als ich Ihr Bild sah, hatte ich das Gefühl, dass ich Sie kenne und …«
»Nein«, erwiderte Kelly kühl. »Außerdem mag ich es nicht, wenn mich wildfremde Menschen belästigen.«
»Oh, tut mir Leid.« Er schluckte. »Ich wollte nicht … Ich bin kein wildfremder Mensch. Ich meine … Ich heiße Mark Harris und arbeite bei Kingsley International. Als ich Sie hier sitzen sah, da … da dachte ich, Sie wollen vielleicht nicht allein essen und Sie und ich könnten …«
Kelly warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Sie haben falsch gedacht. Und jetzt gehen Sie bitte.«
»Ich … ich wollte Sie nicht stören.« Er stammelte jetzt.
»Es ist bloß so, dass …« Er sah ihren Gesichtsausdruck. »Ich gehe ja schon.«
Kelly blickte ihm hinterher, als er mit seiner Zeitschrift hinausging. Den bin ich los.
In dieser Woche musste Kelly etliche Fotosessions für mehrere Modezeitungen machen.
Einen Tag nach ihrer Begegnung mit Mark Harris saß sie in ihrer Garderobe und kleidete sich gerade an, als drei Dutzend Rosen für sie abgegeben wurden. Auf der beiliegenden Karte stand: Bitte verzeihen Sie, dass ich Sie belästigt habe. Mark Harris.
Kelly zerriss die Karte. »Schicken Sie die Blumen in die Kinderklinik.«
Am nächsten Morgen kam die Garderobiere wieder in den Umkleideraum, diesmal mit einem Päckchen. »Ein Mann hat das für Sie abgegeben, Kelly.«
Das Päckchen enthielt eine Orchidee, und auf der Karte stand: Ich hoffe, Sie haben mir vergeben. Mark Harris.
Kelly zerriss die Karte. »Behalten Sie die Blume.«
Danach erhielt sie fast täglich ein Geschenk von Mark Harris – einmal einen kleinen Obstkorb, ein andermal einen Freundschaftsring, dann einen Spielzeugweihnachtsmann. Kelly warf sie alle in den Mülleimer. Dann aber traf ein ganz anderes Geschenk ein – ein bezaubernder französischer Pudelwelpe mit einem roten Halsband, an dem eine Karte hing: Das ist » Angel « . Ich hoffe, Sie lieben sie ebenso sehr wie ich. Mark Harris.
Kelly rief die Auskunft an und ließ sich die Nummer der Kingsley International Group geben. Als sich die Telefonzentrale meldete, fragte sie: »Arbeitet bei Ihnen ein gewisser Mark Harris?«
» Oui, mademoiselle. «
»Könnte ich ihn bitte sprechen?«
»Einen Moment.«
Kurz darauf hörte Kelly eine bekannte Stimme. »Hallo?«
»Mr. Harris?«
»Ja.«
»Hier ist Kelly. Ich habe beschlossen, Ihre
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