Der Zorn der Götter
… bitte verzeih mir … Wie soll ich bloß ohne dich zurechtkommen? Du warst mein Ein und Alles, mein ganzer Lebensinhalt, und jetzt habe ich nichts mehr.
Sich wollte sich am liebsten einrollen.
Sie wollte verschwinden.
Sie wollte sterben.
Verzweifelt lag sie da und dachte an die Vergangenheit, daran, wie Richard ihr Leben verändert hatte …
Diane West war in Sands Point, New York, aufgewachsen, einer ruhigen Wohngegend für wohlhabende Familien. Ihr Vater war Chirurg, die Mutter Künstlerin, und Diane hatte mit drei Jahren angefangen zu zeichnen. Sie ging auf das St.-Paul’s-Internat und danach aufs College. Dort hatte sie im ersten Jahr eine kurze Beziehung mit ihrem charismatischen Mathematiklehrer. Er erklärte ihr, dass er sie heiraten wollte, weil sie die einzige Frau auf der Welt für ihn sei. Als Diane erfuhr, dass er eine Frau und drei Kinder hatte, wurde ihr klar, dass er entweder an Gedächtnisschwund litt oder nicht zählen konnte, und sie wechselte daraufhin ans Wellesley College.
Sie verschrieb sich voll und ganz der Kunst und malte in jeder freien Minute. Als Diane ihren Collegeabschluss machte, verkaufte sie bereits die ersten Bilder und erwarb sich einen Ruf als vielversprechende Künstlerin.
Im darauf folgenden Herbst hatte sie in einer Galerie an der Fifth Avenue ihre erste Ausstellung, die prompt ein voller Erfolg wurde. Paul Deacon, der Galerist, war ein wohlhabender, belesener Afroamerikaner, der Dianes künstlerisches Können erkannte und sie von Anfang an förderte.
Als sie anlässlich der Vernissage inmitten der Menschentrauben im Salon stand, eilte Deacon mit breitem Lächeln zu ihr. »Herzlichen Glückwunsch! Wie haben bereits einen Großteil der Bilder verkauft! In ein paar Monaten machen wir die nächste Ausstellung, sobald du so weit bist.« Diane war begeistert. »Das ist ja wunderbar, Paul.«
»Du hast es verdient.« Er tätschelte ihr die Schulter und wieselte davon.
Diane schrieb gerade ein Autogramm, als ein Mann hinter sie trat und sagte: »Ich mag Ihre Kurven.«
Diane erstarrte. Wütend fuhr sie herum und öffnete den Mund zu einer scharfen Erwiderung, als er fortfuhr.
»Sie haben die Eleganz eines Rossetti oder Manet.« Er betrachtete eines ihrer Bilder an der Wand.
Diane konnte sich im letzten Moment noch beherrschen.
»Oh.« Sie betrachtete den Mann genauer. Dem Äußeren nach zu schließen, war er etwa Mitte dreißig. Er war rund eins achtzig groß, sportlich gebaut, hatte blonde Haare und hellblaue Augen. Er trug einen hellbraunen Anzug, ein weißes Hemd und eine braune Krawatte.
»Ich – danke Ihnen.«
»Wann haben Sie mit der Malerei angefangen?«
»Als Kind. Meine Mutter war Malerin.«
Er lächelte. »Meine Mutter war Köchin, aber ich kann trotzdem nicht kochen. Ich weiß, wie Sie heißen. Ich bin Richard Stevens.«
In diesem Augenblick kam Paul Deacon mit drei Paketen zu ihnen. »Hier sind Ihre Bilder, Mr. Stevens. Viel Freude damit.« Er reichte sie Richard Stevens und ging wieder weg.
Diane blickte ihn überrascht an. »Sie haben drei Bilder von mir gekauft?«
»In meiner Wohnung hängen noch zwei.«
»Ich – ich fühle mich geschmeichelt.«
»Ein großes Talent erkenne ich gleich.«
»Vielen Dank.«
Er zögerte. »Tja, Sie sind vermutlich beschäftigt, also mach ich’s kurz …«
»Nein. So schlimm ist es nicht«, hörte sich Diane sagen.
Er lächelte. »Gut.« Wieder zögerte er kurz. »Sie könnten mir einen großen Gefallen tun, Miss West.«
Diane warf einen Blick auf seine Hände. Er trug keinen Ehering. »Ja?«
»Ich habe zufällig zwei Karten für die Premiere von Noel Cowards Geisterkomödie morgen Abend, und ich habe noch niemanden, der mich begleitet. Wenn Sie nichts anderes vorhaben …?«
Diane musterte ihn einen Moment lang. Er wirkte nett und umgänglich und war ausgesprochen attraktiv, aber immerhin war er auch ein wildfremder Mensch. Zu gefährlich. Viel zu gefährlich. »Ich würde gern mitkommen«, hörte sie sich sagen.
Es wurde ein hinreißender Abend. Richard Stevens war ein überaus amüsanter Begleiter, mit dem sie sich auf Anhieb verstand. Sie stellten fest, dass sie viele gemeinsame Interessen hatten, nicht nur die Leidenschaft für Musik und bildende Kunst. Sie fand ihn faszinierend, war sich aber nicht sicher, ob es ihm genauso ging.
Als sie sich voneinander verabschiedeten, fragte Richard:
»Sind Sie morgen Abend noch frei?«
»Ja«, antwortete Diane, ohne einen Moment zu zögern.
Am Abend
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