Der Zorn der Götter
Mark sie nie wieder würde sehen wollen, wenn sie ihm von ihrem traumatischen Erlebnis erzählte. »Ich … ich könnte niemals eine richtige Frau für dich sein.«
»Was meinst du damit?«
Es war das Schwerste, das Kelly jemals hatte aussprechen müssen. »Mark, wir könnten niemals miteinander schlafen. Als ich acht Jahre alt war, wurde ich missbraucht.« Sie blickte zu den Bäumen am Rande der Lichtung, als suchte sie dort Trost, während sie dem ersten Mann, den sie jemals geliebt hatte, die ganze erbärmliche Geschichte erzählte. »Ich mache mir nichts aus Sex. Der bloße Gedanke daran stößt mich schon ab. Ich habe Angst davor. Ich … ich bin keine richtige Frau. Ich bin nicht normal.« Mühsam holte sie Luft und versuchte, nicht laut loszuweinen.
Kelly spürte, wie Mark ihre Hände ergriff. »Das tut mir ja so Leid, Kelly. Es muss schrecklich gewesen sein.«
Kelly schwieg.
»In einer Ehe ist Sex sehr wichtig«, sagte Mark.
Kelly nickte und biss sich auf die Unterlippe. Sie wusste bereits, was danach kam. »Natürlich. Deshalb habe ich auch vollstes Verständnis, wenn du nicht willst, dass …«
»Aber darum geht es in einer Ehe nicht ausschließlich. In einer Ehe geht es vor allem darum, dass man sein Leben mit jemandem verbringen möchte, den man liebt – jemand, mit dem man reden kann, mit dem man in guten wie in schlechten Zeiten zusammen ist.«
Sie hörte ihm fassungslos zu, traute ihren Ohren kaum.
»Die Lust lässt irgendwann nach, Kelly, aber wahre Liebe nicht. Ich liebe dich von ganzem Herzen, wegen deiner inneren Werte. Ich möchte bis ans Ende meiner Tage mit dir zusammenleben. Ich komme auch ohne Sex aus.«
Kelly versuchte so ruhig wie möglich zu klingen. »Nein, Mark – das kann ich nicht zulassen.«
»Warum?«
»Weil du es eines Tages bereuen wirst. Du wirst dich in jemanden verlieben, der dir das gibt, was ich dir nicht geben kann, und dann wirst du mich verlassen … Und das würde mir das Herz brechen.«
Mark nahm sie in die Arme und drückte sie an sich.
»Willst du wissen, warum ich dich niemals verlassen würde? Weil du meine bessere Hälfte bist. Wir werden heiraten.«
Kelly schaute ihm in die Augen. »Mark – bist du dir darüber im Klaren, in was du da reingerätst?«
Mark lächelte und sagte: »Ich glaube, diese Formulierung war jetzt nicht ganz so passend.«
Kelly lachte und schmiegte sich an ihn. »Oh, mein Schatz, bist du dir sicher, dass du …?«
Mit strahlender Miene schaute er sie an. »Ich bin mir sicher. Und was sagst du?«
Sie spürte, wie ihr die Tränen über die Wangen rannen.
»Ich sage … Ja.«
Mark steckte ihr den Smaragdring an den Finger. Dann standen sie eine ganze Zeit lang eng umschlungen da.
Schließlich sagte Kelly: »Ich möchte, dass du morgen früh in den Salon mitkommst und ein paar der Models kennen lernst, mit denen ich arbeite.«
»Ich dachte, laut Vorschrift ist das nicht …«
»Die Vorschriften wurden geändert.«
Mark war Feuer und Flamme. »Ich rede mit einem Standesbeamten, den ich kenne, und sehe zu, dass er uns am Sonntag traut.«
Als Kelly und Mark am nächsten Morgen zum Salon kamen, deutete Kelly zum Himmel hinauf. »Sieht aus, als finge es jeden Moment an zu regnen. Alle reden übers Wetter, aber keiner macht etwas dagegen.«
Mark warf ihr einen eigenartigen Blick zu.
Kelly sah Marks Gesichtsausdruck. »Oh, tut mir Leid. Das ist ein Klischee, nicht wahr?«
Mark gab ihr keine Antwort.
Ein halbes Dutzend Models waren im Umkleideraum, als Kelly hineinkam.
»Ich muss euch etwas mitteilen. Ich werde am Sonntag heiraten, und ihr seid alle eingeladen.«
Im nächsten Moment plapperten alle durcheinander.
»Ist das der geheimnisvolle Beau, den du uns immer vorenthältst?«
»Kennen wir ihn?«
»Wie sieht er aus?«
»Wie der junge Cary Grant«, versetzte Kelly stolz.
»Oh! Wann lernen wir ihn kennen?«
»Jetzt. Er ist hier.« Kelly riss die Tür weit auf. »Komm rein, Liebling.«
Mark trat in das Zimmer, und sofort kehrte Stille ein. Eines der Models warf einen kurzen Blick auf Mark und sagte dann leise vor sich hin: »Soll das ein Witz sein?«
Mark Harris war gut einen Kopf kleiner als Kelly, ein unscheinbarer, eher durchschnittlich wirkender Mann mit schütter werdenden grauen Haaren.
Als der erste Schreck sich gelegt hatte, traten sie vor und gratulierten der angehenden Braut und dem Bräutigam.
»Das sind ja wunderbare Neuigkeiten.«
»Wir sind völlig begeistert.«
»Ihr werdet bestimmt
Weitere Kostenlose Bücher