Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
der Nähe eines kleinen Bachs lag, der vermutlich unterhalb des Waldes in den Magy mündete.
Nach ihrer ersten Zählung kam Artaynis auf zwanzig der Steppenreiter, aber natürlich konnten sich in den Zelten oder außerhalb des Lagers noch mehr aufhalten. Ihre Pferde müssen sie an einer anderen Stelle untergebracht
haben, dachte sie. Jedenfalls konnte sie die Reittiere der Männer nirgends entdecken. Einige der Sylken trugen Lederhosen und lederne Hemden, andere eher wlachkische Lederrüstungen und wieder andere typisch dyrische Kleidung. Viele hatten Schwerter an der Seite, andere Messer oder Knüppel. An den Zelten konnte Artaynis auch Reiterbögen entdecken. Es war typisch für die nomadisch lebenden Sylken, sich auf ihren ausgedehnten Streifzügen ihrer Umgebung und den Gegebenheiten anzupassen. Das war einer der Gründe, warum sie im Goldenen Imperium als Söldner geschätzt wurden. Ein weiterer war, dass sie als wilde und schnelle Kämpfer galten, die ohne Etikette und Regeln schon oft einen Sieg auch gegen eine Übermacht davongetragen hatten.
Sie sind gut ausgerüstet, sowohl für das Wetter als auch für das Land, dachte Artaynis, während sie die Männer beobachtete, die im Lager würfelten, Pfeile schnitzten oder schmatzend auf harten Brotstücken herumkauten.
Der Anführer der Reiter, dem Artaynis erst in großem Abstand auf der Straße gefolgt war, bevor sie im Wald seinen Spuren nachgegangen war, kam eben aus einem der Zelte. Seine Kleidung war dem Land angepasst, und auf einen flüchtigen Blick mochte er wie ein Wlachake wirken. Zuvor hatte er einen ledernen Helm getragen, der den Großteil seines Gesichts verborgen hatte, und sich mit einem um Mund und Nase geschlungenen Tuch zusätzlich unkenntlich gemacht. Doch jetzt hatte er die Kopfbedeckung abgelegt, und Artaynis konnte sein Gesicht sehen. Für die eher klein gewachsenen Sylken war er ein großer Mann und überragte die meisten seiner Begleiter um Haupteslänge. Sein schwarzes Haar wies schon viel Grau auf, und
sein hageres Gesicht war von tiefen Furchen durchzogen. Ein struppiger Bart bedeckte sein Kinn.
Dass dieser Mann tatsächlich der Anführer der Sylken war, erkannte Artaynis sofort. Alle anderen Männer im Lager begegneten ihm mit Respekt und nickten ihm zu, als er vorüberging. Er hatte seinen Ledertornister vom Rücken genommen und trug ihn nun zur Feuerstelle, wo er verschiedene verschnürte Pakete daraus auf den Vorratshaufen legte.
Der große Sylke stellte sich ans Feuer, an dem sich eben zwei weitere Männer zu schaffen machten. Sie hatten aus Baumstämmen einen Dreifuß gebaut, an dem sie nun einen Kochtopf befestigten.
»Wie war es in der Stadt, Tochar?«, fragte einer der Umstehenden den Anführer.
Dieser zuckte die Achseln.
»Ich habe Kaffee und Brot mitgebracht.« Er wies mit der Hand auf den Haufen.
»Und Weiber gab es keine?«, fragte einer der Männer am Dreifuß, was für Gelächter sorgte.
»Keine, die bereit war, für Geld in deine hässliche Fresse zu blicken«, erwiderte der Anführer grimmig. »Aber wenigstens hat mir diesmal der Hundesohn von einem Händler keine überflüssigen Fragen gestellt. Ich glaube, er hat eingesehen, dass es so besser für ihn ist.«
»Und – was passiert in der Stadt? Hier draußen ist es so langweilig, dass ich schon überlegt habe, mal ein paar Dörfer in der Nähe zu besuchen. Vielleicht findet sich ja dort ein nettes Mädchen?«
Der Sprecher machte bei diesen Worten eine anzügliche Geste. Tochar spuckte geräuschvoll aus und legte bedeutungsvoll seine Hand auf sein gebogenes Schwert, das er in einer Scheide am Gürtel trug.
»Tu das, Baka, und du wirst dir nie wieder Sorgen um irgendwelche Frauen machen, das kann ich dir versichern.
In Teremi selbst ist es ruhig. Ein paar wlachkische Dreckfresser mehr sind dazugekommen, die es gar nicht erwarten können, sich endlich mit den Masriden anzulegen.«
Sein Gegenüber zuckte die Schultern. Er sah nicht so aus, als ob ihn die wlachkische Tagespolitik interessierte.
»Wann wird unser Auftraggeber uns endlich wieder etwas zu tun geben?«, fragte er stattdessen. »Oder wird er warten, bis wir in diesem Wald vor Untätigkeit den Verstand verlieren und uns alle gegenseitig umbringen?«
Der Angesprochene stieß ein raues Lachen aus: »Das glaube ich nicht. Unsere Dienste sind zu kostspielig, als dass der Dreckfresser es sich leisten könnte, sie zu lange ungenutzt zu lassen. Wir werden schon noch genug zu tun bekommen.«
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