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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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wenn es Ärger in Wlachkis gäbe, würde Flores dann bleiben?«
    Jetzt schüttelte Ana den Kopf. Ihre Mutter würde sich nicht in einen Streit zwischen Wlachaken und Masriden verwickeln lassen. In all den Jahren war dies der einzige Konflikt, dem sie stets aus dem Weg gegangen war. Eine Entscheidung zwischen Anas Vater und Şten zu treffen hätte Flores vermutlich das Herz gebrochen.
    »Vielleicht hilft sie bei irgendwelchen Verhandlungen? Immerhin hat sie gute Verbindungen … in alle Lager.«

    Sein Tonfall missfiel Ana, und sie kniff wütend die Augen zusammen. »Wenn das ein Scherz sein sollte, war er schlecht, Vetter.«
    Seufzend neigte Natiole das Haupt und schlüpfte in ein weites, helles Hemd, das er vor einigen Tagen auf dem Markt erworben hatte. Während er sich sorgfältig den Gürtel um die Hüfte schlang, sagte er ebenso bedächtig: »Es war kein Scherz. Wenn es jemanden gibt, der in einem Streit zwischen Vater und dem Marczeg vermitteln könnte, dann deine Mutter. Beide hören auf sie und achten ihr Wort. Flores … und du, ihr seid geehrt in eurer Heimat. Hast du niemals daran gedacht, zurückzukehren? Nach Wlachkis? Vater würde dich mit offenen Armen empfangen.«
    »Zurückkehren? Zurück? Nati, ich war nie länger als einen Sommer im Land zwischen den Bergen.« Mit großer Geste wies sie auf die Zelte, die Söldner, die Feuerstellen, die Pferde, die Karren, auf all die Betriebsamkeit des Lagers. »Das hier ist meine Heimat. Dort, wo der Haufen hinzieht, bin ich daheim. Flores ist meine Familie. Sie und Berophan, sogar der viermal verfluchte Dummkopf Narqan.«
    »Aber du bist Wlachakin. Du bist Ana cal Dabrân, und du solltest den Titel einer Bojarin tragen!«, protestierte Natiole, was Ana spöttisch lächeln ließ.
    »Ich bin auch Ana Békésar. Mein Vater ist der Marczeg von Ardoly, schon vergessen?«
    Als er schwieg, fuhr sie fort: »Welche Heimat kann mir das Land zwischen den Bergen schon bieten? Nirgends wäre ich willkommen. Im Osten wäre ich stets eine halbe Wlachakin. Und im Westen? Würde man mich dort nicht als masridischen Bastard sehen? Flores wusste schon, warum sie fortgegangen ist. Selbst sie, deren Blut nicht diesen Makel trägt, wollte nicht dort bleiben.«
    »Niemand würde es dir gegenüber an Achtung fehlen lassen«, widersprach Natiole leise. »Du gehörst zu unserer
Familie, bist unser Fleisch und Blut. Flores hat für die Freiheit unseres Volkes gekämpft. Ihr Name wird geehrt!«
    »Ich bin ebenso Masridin, wie ich Wlachakin bin. Fleisch und Blut eurer Erzfeinde. Egal, wer mich betrachtet, sie würden immer nur das sehen, was mich zu einem Feind macht.«
    »Aber …«, begann er, doch Ana fiel ihm ins Wort: »Nicht du. Nicht dein Vater. Aber wie viele gibt es, die Masriden in ihrer Mitte dulden? Wie viele Bastarde werden geehrt? Was ist mit den gemeinsamen Kindern von Wlachaken und Masriden?«
    Er musste nicht antworten. Sie konnte die Antwort in seinen Augen sehen. Selbst bei ihren kurzen Besuchen im Land zwischen den Bergen hatte sie es gespürt. Die Ablehnung, ja sogar den Hass. Für die einen war sie eine wlachkische Hure wie ihre Mutter; die anderen nannten sie masridische Metze. Sie hatte schon damals beschlossen, niemals das Schicksal der Bedauernswerten zu teilen, die im Land zwischen den Bergen Bastarde waren, deren Eltern aus zwei Völkern stammten und die von allen gehasst wurden. Flores hatte das gewusst, deswegen war sie über die Sorkaten gegangen und hatte all das hinter sich gelassen. Eine neue Existenz gesucht, fern von der jahrhundertealten Verbitterung, die alles durchdrang. Im Imperium mochten Söldner wenig gelten, besonders, wenn sie Frauen waren. Doch wenigstens trachtete man ihnen hier nicht allein wegen des Makels ihrer Geburt nach dem Leben.
    »Du bist Wlachakin«, wiederholte Natiole schließlich, starrsinnig, wie er war.
    »Ich bin Masridin«, erwiderte sie kalt und wandte sich ab. Sie verließ den Übungsplatz und drehte sich nicht um, obwohl sie den Drang verspürte, es zu tun. Ein Teil von ihr wollte mit Natiole reden, sich erklären, den Dorn aus der Wunde in ihrem Herzen ziehen. Aber ein anderer Teil war
zu stolz dafür. Und dickköpfig. Eine Eigenart, die man sowohl Wlachaken als auch meinem Vater nachsagt.
    Natiole lief ihr nicht hinterher, als sie zwischen den Zelten verschwand, in das Lagerleben eintauchte, in ihre Familie, in deren Mitte sie doch allein war.

39
    Während Ionnis und Artaynis Şten die Gänge hinunter folgten zur kleinen

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