Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
Voivode.
Sie konnte nur nicken und kam sich in diesem Moment verlorener vor als seit vielen Jahren.
»Vielleicht könnte ich mit Eurem Vater reden, wenn sich die Situation hier beruhigt hat«, bot Şten an. »Ich kenne
Sargan schon sehr lange. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass er Euch unglücklich machen möchte.«
Artaynis biss sich auf die Lippen, um die Tränen zurückzuhalten, die ihr in die Augen stiegen. »Er ist nicht wie Ihr, Voivode. Dass er mich liebt, bedeutet nicht, dass er auf die Pläne verzichten würde, die er mit mir hat. Es würde nichts nutzen, wenn Ihr mit ihm redet.«
Zu ihrer Überraschung lächelte der Voivode. »Vielleicht würde es das nicht. Aber Ihr solltet Euren Vater nicht unterschätzen, Artaynis. Vieles von dem, was er in der Vergangenheit getan hat, tat er um seiner Familie willen.«
Sie blickte wieder zur Stadt hinunter, zu all den Menschen, die sich vielleicht bald auf einem Feldzug befinden würden. Was macht es aus, ob ich ein paar Tage länger glücklich oder unglücklich bin, wenn dieses Land im Krieg versinkt?, dachte sie. Ich habe meine Entscheidung getroffen, er trägt keine Schuld an dem, was jetzt kommt.
»Wir werden sehen, Şten cal Dabrân«, meinte sie schließlich. »Und wenn er keine Lust hat, Euch anzuhören: Ich habe seinen Dickkopf geerbt.«
»Ich weiß«, erwiderte der Voivode mit einem Schmunzeln. »Und ich glaube, das ist es, was meinen Söhnen so gut an Euch gefällt. Und ich bin Euch dankbar, dass Ihr bereit seid, meinen ältesten Sohn zu mir zurückzuschicken, Artaynis.«
Er beugte sich vor und küsste die Dyrierin auf die Stirn.
»Willst du das nicht lieber mir überlassen?«, ertönte plötzlich hinter ihm eine Stimme.
Ionnis stand hinter dem Voivoden und lächelte verlegen. »Ich habe euch gesucht, um mich zu entschuldigen, und jetzt muss ich feststellen, dass mein Vater dabei ist, mich bei dir auszustechen.«
Spielerisch hob Şten die Hand, als wolle er seinem Sohn einen Schlag versetzen. Aber dann legte er sie ihm nur auf die Schulter. »Durch die Kinder strafen die Geister die
Alten dafür, wie sie als Junge waren«, zitierte er ein altes wlachkisches Sprichwort.
Artaynis war froh, den Prinzen zu sehen, froh, dass er sie gesucht hatte und sie heute Nacht nicht allein zu sein brauchte.
Der Voivode wandte sich lächelnd ab, als die Dyrierin einen Schritt auf Ionnis zu machte und er sie umarmte.
40
Die Nähe des anderen Trolls brachte Azot dazu, seine Schritte zu beschleunigen. Er konnte ihn wahrnehmen wie ein Loch in der Welt, in dem die Dreeg versickerten. Der andere würde ihn ebenfalls spüren, daran zweifelte Azot nicht.
Obwohl er nun ein Ziel hatte, war Azot nicht weniger vorsichtig. Feinde lauerten überall, und sie scherten sich nicht darum, was er tat. Für ihn gab es keinen Moment der Unachtsamkeit; wer sich seiner Umgebung nicht immer bewusst war, wurde zur leichten Beute. Doch er lief schneller als gewöhnlich, durchquerte zwei Höhlen, deren Decken sich weit über ihm in der Dunkelheit verloren. Seine feine Nase roch Pilze, essbare noch dazu, und er merkte sich die Stelle, um später hierher zurückzukehren. Es gab keinen Ersatz für Fleisch, aber diese Pilze waren schmackhafter als die meisten Pflanzen.
Sie trafen in einem Gang aufeinander. Der andere war groß, und er roch nach frischer Jagd – nach Blut, Schweiß und Wunden. Er hatte etwas über die Schulter geworfen, und Azot erkannte den Kadaver eines Grauen. Die Tiere kamen nur selten so tief hinunter, und allein der Gedanke an diese Köstlichkeit ließ Azot das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Sie blieben stehen, einige Trollschritt voneinander entfernt. Azot wartete ab. Manchmal wurde er erkannt. Diesmal jedoch ließ sein Gegenüber seine Beute fallen und baute sich bedrohlich vor ihm auf. Er schüttelte die langen Arme, ließ den Kopf kreisen und präsentierte seine Hauer.
Sofort nahm Azot die Herausforderung an. Er entblößte
seine eigenen Hauer und hob die Fäuste. Er ließ die Schultern kreisen und trat langsam vor, ohne seinen Gegner aus den Augen zu lassen.
Schritt für Schritt näherten sie sich einander, zeigten Hörner und Hauer, ließen die Muskeln spielen, kratzten mit den Klauen über die Felswand und bewiesen, dass sie Krieger waren.
Das letzte Stück sprangen beide. In der Luft prallten sie gegeneinander. Schnell schlug Azot zu, riss mit der Pranke Haut und Fleisch von der Brust des anderen. Hiebe prasselten auf ihn ein, starke, harte Schläge. Er
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