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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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gefunden?«
    Kerr lauschte in sich hinein, versuchte, die Vielzahl von Eindrücken zu ordnen oder zumindest zu verstehen. Eine Botschaft unter dem Leid, den Schmerzen und der Angst zu finden. Doch dort war nichts.
    »Nein.«
    Seine Finger schmerzten. Vorsichtig öffnete er seine Rechte. Die Speerspitze fiel klirrend zu Boden, bedeckt von seinem Blut. Ihre stumpfen Schneiden hatten sich in seine Hand gegraben, das Metall hatte sich verbogen. Kerr konnte spüren, wie sich die Wunden in seiner Hand schlossen. Aber es war nicht die Kraft der Speerspitze, sondern sein trollisches Blut, das die Verletzung heilte. Bitterkeit stieg in seiner Kehle auf.
    »Sie ist wertlos«, erkannte er. »Nur ein Stück Metall.«
    Er nahm sie neben sich wahr, klein und nutzlos, und
das plötzliche Wissen verschlug ihm die Sprache. Alles umsonst. Zran ist umsonst gestorben. Alle Hoffnung enttäuscht. Was für ein Dummkopf ich war.
    »Wir sollten nicht auf die Dinge der Menschen achten«, sagte Azot langsam. »Nicht auf ihre Worte hören. Wir sind Trolle. Wir sind auch ohne Metall stark. Wir jagen. Wir überleben.«
    Lange saßen sie beieinander, sprachlos, bewegungslos. Azots Wunden schlossen sich wieder. Der Atem des Dunkelgeists war stark in Andas Kindern.
    Kerr dachte an die Reise, an Zran und Wrag, an Natiole und an Sargan. Er dachte an die Stämme. An die Kriege, die sie geführt hatten. An Andas Kinder und an das Blut, das durch ihre Leiber floss. Er dachte an die Vergangenheit und an die Zukunft.
    Schließlich erhob er sich schwerfällig. Sein Leib fühlte sich an, als wäre er alles, ein ganzes Land, und für wenige Augenblicke war er dies wirklich gewesen.
    »Wohin gehst du jetzt?«, fragte Azot.
    »Zum Treffpunkt. Ich will einen Krieg führen.«

57
    Obwohl ihm Teremi nach den Erlebnissen in Colchas plötzlich klein und nur allzu überschaubar vorkam, überwältigte Natiole das Gefühl, wieder zu Hause angekommen zu sein. Er fühlte sich geborgen, und eine besondere Ruhe ergriff von ihm Besitz. Die dicken Wände der Feste Remis mochten an die unterirdische Welt der Trolle gemahnen, aber für den jungen Wlachaken bedeuteten sie Heimat. Anders als die luftigen, verwirrend leicht aussehenden Gebäude des Dyrischen Imperiums.
    Während Natiole sein Wams zuknöpfte, fiel sein Blick auf seine Reisekleidung, die er achtlos neben den Badezuber geworfen hatte. Behutsam hob er den Stoffgürtel auf, der eigentlich zu einem Kypassis getragen wurde. Der weiche Stoff glitt über seine Hand, und kurz entschlossen band Natiole ihn sich um die Hüften.
    Ein letztes Mal rieb er sich die Haare mit einem trockenen Tuch ab, dann band er sie lose nach hinten und trat hinaus in den Gang.
    Die neue Verteilung der Räume war noch ungewohnt, aber der junge Wlachake kannte die Feste seit Kindestagen. Die ehemalige kleine Halle war zur großen Halle umfunktioniert worden, bis im Frühjahr die Arbeiten am Hauptgebäude wieder aufgenommen werden konnten. Dorthin lenkte er seine Schritte, denn dort würde der Rat tagen. Sein schlechtes Gewissen trieb ihn an – er hatte weit länger im Badezuber verbracht als gedacht, da er in dem warmen Wasser eingeschlafen war. Doch jetzt fühlte er sich ausgeruht, und zum ersten Mal seit langer Zeit hatte die Vorahnung eines dunklen Schicksals von ihm abgelassen.
Er war in Wlachkis, in Teremi, bei seiner Familie. Gemeinsam würden sie jeden Sturm überstehen.
    Kurz bevor er den Saal erreichte, entdeckte er Ionnis, der sich offenbar ebenfalls verspätet hatte und hastig um eine Ecke bog. Mit wenigen schnellen Schritten hatte Natiole seinen Bruder eingeholt und boxte ihn spielerisch gegen die Schulter. Dass Ionnis am Leben und wohlauf war, kam ihm noch immer vor wie ein Geschenk der Geister.
    »Du siehst ja aus wie ein halber Dyrier«, murmelte sein Bruder verblüfft und deutete auf Natioles Taille.
    »Und du wie ein ganzer Wlachake. Du lässt dein Haar wieder wachsen«, stellte Natiole nüchtern fest.
    »Wenn es Krieg gibt, wie du sagst, können wir wohl nichts anderes sein«, entgegnete sein Bruder mit einer Bitterkeit in der Stimme, die Natiole nicht von ihm kannte.
    Als sie den Saal erreichten, war der Großteil des Rats bereits anwesend. Während Ionnis sich zu dem Sonnenpriester gesellte, nickte Natiole einigen der Versammelten zu und trat an seinen Vater heran, der am Kopf der Tafel stand.
    »Warum hast du mich nicht früher rufen lassen?«, flüsterte der junge Wlachake. »Gab es nicht noch etwas, was du mir vor Beginn

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