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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Erwiderung zu geben, doch dann sah er den Blick des Voivoden, die unbestimmte Trauer darin.
    »Also gut«, stimmte er zögerlich zu. Şten lächelte versöhnlich.
    »Danke.«
    Noch behielt Natiole den Voivoden im Blick, der zu Artaynis hinüberging, als sei nichts gewesen. Doch als sich der alte Vintila näherte, schenkte der Prinz ihm seine ganze Aufmerksamkeit.
    Die Schritte des Geistsehers waren mühsam, und er lehnte sich schwer auf seinen Gehstock. In der anderen Hand trug er einen Pokal mit Wein, an dem er hin und wieder nippte. Schon lange war sein Haar weiß, aber er trug es noch immer lang, so dass es ihm bis auf die Schultern fiel. Er war einer der wenigen, die das Erwachen des Dunkelgeists und die Auswirkungen seines Atems überlebt hatten. Die meisten Geistseher waren in der Folge krank geworden, sehr viele sogar gestorben. Auch Vintila war noch aus jenen Zeiten gezeichnet, denn seine krummen Beine waren nicht dem Alter geschuldet, sondern den Wochen, in denen er damals mit dem Tod gerungen hatte. So ganz hatte Natiole die komplizierten Erklärungen nie verstanden, aber die Macht des Dunkelgeistes hatte vor allem jene betroffen, die sich der Stimme der Geister öffnen konnten.
    »So allein?«, fragte der Geistseher mit einem schmalen Lächeln. »Du bist jung, Natiole. Du solltest feiern!«
    »Ich feiere doch. Nur eben auf meine Art.« »Ein guter Wein und eine gute Geschichte ist alles, was ein Wlachake braucht. Heute Abend werden die besten Geschichten erzählt. Traurige Geschichten, aber daran sind
wir ja gewöhnt«, befand Vintila und prostete Natiole mit dem Becher zu.
    »Roter?«
    Der Geistseher blickte in sein Trinkgefäß, als müsse er selbst erst nachsehen.
    »Ja, Drachenblut. Das Beste, was das Valedoara zustande bringt.«
    »Rotwein aus Ardoly? Das hätte ich nicht gedacht, Geistseher«, erwiderte Natiole frostig, aber Vintila lachte leise, anstatt sich zu verteidigen. Nachdem sie die Masriden aus dem Westen des Landes vertrieben hatten, waren die Wlachaken zu dem alten Namen ihrer Heimat zurückgekehrt. Nur der Osten wurde von den Masriden noch Ardoly genannt, und manchmal fragte sich Natiole, ob es nicht ein vollkommen anderes Land war. Ein Land, in dem noch immer keine Wlachaken herrschen. Ein Land, in dem die Schwester des Voivoden Schande über die Familie bringt.
    »Das füllt die Säckel von Marczeg Tamár«, sagte er laut. »Als ob sie drüben noch mehr Gold und Silber brauchten!«
    Immer noch antwortete Vintila nicht. Erst als Natiole weiterreden wollte, hob der Geistseher die Hand.
    »Ein Missverständnis, Knai. Verzeiht mir, wenn ich Euch beleidigt haben sollte.«
    Die formelle Anrede als wlachkischer Prinz ließ Natioles Zorn verrauchen. Er ist alt. Vielleicht hat er nicht mehr alle seine Sinne beisammen. Ich sollte ihm mehr Respekt erweisen. Immerhin führt er uns auf den alten Wegen des Landes.
    »Ich muss mich entschuldigen«, erklärte er. »Manchmal erscheint es mir, als ob sich niemand mehr etwas dabei denkt, wenn man den Namen Ardoly ausspricht.«
    »Diese Sorge ist verständlich, wenn auch unbegründet. Für mich ist dies kein Wein aus Ardoly, sondern ein guter
Tropfen aus Wlachkis. Er ist keine Erinnerung an die Schmach der Unterdrückung, sondern ein Versprechen.« Lächelnd hob der Geistseher erneut den Becher, und diesmal erwiderte Natiole den Gruß. Einige Momente standen sie schweigend da, ehe Natiole, ohne Vintila anzusehen, das Gespräch wieder aufnahm. »Das ist ein erhebender Gedanke. Ich wünschte, mehr Wlachaken würden so denken wie Ihr. Stattdessen haben wir Abkommen, Grenzziehungen, Wachposten, die jeden Tag aufs Neue dafür sorgen, dass Tamár seine Ländereien behalten darf.«
    »Euer Vater ist ein umsichtiger Herrscher. Ihn treibt das Wohl des Landes um.«
    »Aber alles Land zwischen den Bergen ist Wlachkis! Egal, wie die Masriden es nennen«, brauste Natiole auf.
    »Natürlich. Ich bezweifle, dass Euer Vater dies tatsächlich vergessen hat, nach allem, was er getan hat, um sein Land zu befreien. Auch wenn seine Anstrengungen derzeit kaum nach Osten gerichtet sind und ihm die Masriden mittlerweile in Freundschaft verbunden sind.«
    Mit zusammengekniffenen Augen beobachtete Natiole Şten, der nun gerade mit Cornel sprach. Obwohl sein Vater höflich war, sah Natiole die Distanz, die er zu dem Sonnenpriester hielt.
    »Erklärt es mir, Vintila. Wenn der Voivode den Osten des Landes zurückerobern will, warum haben wir dann seit zwanzig Jahren diesen

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