Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
nicht ihre treffenden Worte gewesen, Natiole hätte sie für ein dummes Mädchen gehalten, das dem Thronprinzen von Wlachkis schöne Augen machen wollte.
»Ich rede nicht gern.«
»Ihr wart vorhin gegenüber Cornel sehr unhöflich«, stellte sie fest, ohne wirklich auf seine Bemerkung einzugehen.
Natiole schnaubte nur. »Was das angeht, ist er sicherlich Kummer gewöhnt. Sein Orden hat hier nur wenige Freunde.«
»Und Ihr seid offenbar keiner von diesen wenigen.«
»Nein«, antwortete er gereizt. Ihre Fragen nagten an seinem Geist. Doch seine Hoffnung, dass sie ihn in Ruhe lassen würde, war vergebens.
»Er war ebenfalls recht unhöflich, aber Männer und Frauen des Glaubens sind in ihren Umgangsformen oft … anders. Vielleicht weil sie eher Umgang mit ihren Göttern suchen?«
Jetzt drehte er sich zu ihr um. Sie blickte ihn auffordernd an, als erwarte sie tatsächlich eine Antwort. Vater, muss ich wirklich mit dieser dyrischen Pest reden, damit der Frieden auf deinem Fest gewahrt bleibt?
»Was wollt Ihr von mir? Über Religion reden? Ich folge den alten Wegen meiner Heimat. Mich interessieren keine Götter, kein Göttliches Licht, nichts dergleichen. Ich achte nur die Geister meiner Heimat. Und ich schweige gern.«
»Ich würde gern ergründen, was Ihr gegen mich habt«, erklärte sie leise. Als sie fragend das Haupt zur Seite neigte, klimperten die Goldplättchen in ihrem kunstvoll hochgesteckten Haar.
Innerlich stieß Natiole einen Seufzer aus. Aber laut sagte er nur: »Ich hege keinen Groll gegen Euch. Ich suche lediglich kein Gespräch. Doch ich bin mir sicher, dass mein Bruder Euch angenehmere Gesellschaft bieten kann.«
»Dann verzeiht mir, dass ich Euch gestört habe. Ich hoffe, dass Ihr das Fest noch nach Eurer Art genießen könnt.«
Mit einem erleichterten Grinsen nickte Natiole, als sie einen gezierten Knicks machte und sich von ihm abwandte. Ihr purpurnes Gewand schleifte über den Boden, und der Schmuck in ihrem Haar wippte bei jedem Schritt. Ihr Weg führte sie direkt zu Ionnis, der sich mit einem unverhohlen freudigen Lächeln formvollendet vor ihr verneigte. Als sein Bruder ihr den Arm anbot, spähte er zu Natiole herüber. Sein Blick war undeutbar, aber Natiole schüttelte langsam den Kopf. Mit einer herrischen Bewegung riss Ionnis den Kopf herum und geleitete die Dyrierin zu einem Tisch.
Ein perfektes Paar, dachte Natiole hämisch, aber als er den Blick sah, den sein Vater den beiden zuwarf, verging sein Vergnügen. Şten schaute mit einem geradezu seligen Lächeln zu ihnen hinüber, und in seiner Miene lag so viel Stolz, dass Natiole unbewusst seine Hand zur Faust ballte. Die Geräusche des Fests wurden leise, die Farben und Bewegungen entfernten sich von ihm. Um ihn herum war ein gewaltiger Kreis von Stille, in dem er allein stand. Keiner konnte ihn berühren, sie konnten ihn nicht einmal sehen. Am Rande der Gesellschaft verborgen, durch die Stille von allem getrennt.
7
W ie immer dauerte es lange Zeit, bis die Ereignisse schließlich in Gang gesetzt werden konnten. Es galt, die richtigen Wege einzuhalten, Kompetenzen zu beachten, Gefälligkeiten zu gewähren, Schulden einzutreiben, die nötigen Worte zu flüstern, Versprechungen einzulösen und dabei nicht für einen Moment das komplexe Gewirr der Politik aus den Augen zu verlieren. Obwohl es anspruchsvoll und kräftezehrend war, bereitete der Weg Kamros dabei mindestens ebenso viel Vergnügen wie das Erreichen des Ziels.
Eine weitere Stufe in der Hierarchie erklommen, sich einiger leidiger Mitbewerber entledigt; dabei mindestens eine Karriere und vermutlich auch eine Existenz zerstört – das war seine letzte Bilanz. Die Belohnung kam unverzüglich in Form von Anerkennung. Mehr Einfluss und größerer Reichtum würden sich schon bald dazugesellen. Wie es sich für einen guten Beamten gehörte, dachte Kamros keineswegs nur an das Erreichte zurück, sondern richtete seinen Blick fest auf das nächste Ziel.
Ironischerweise konnten im Imperium nur jene in die höchsten Ämter aufsteigen, die sich von eben jenen engsten Kreisen der Macht entfernten. Nur wer den Rang eines Satrapen erreichte, konnte aus den Dunstkreisen einfacher Beamter aufsteigen. Manchem mochte eine Position von geringerer Macht genügen; Kamros’ Vater hatte niemals mehr als den Posten eines Richters angestrebt. Aber er selbst hatte größere Ambitionen. Sein aufgehender Stern war nicht unbemerkt geblieben. Seine erste Frau war die Tochter eines guten Hauses,
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