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Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle

Titel: Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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schlug, dass Staub und kleine Steinchen herunterrieselten.
    »Sie hauen Fels klein und stellen die Stücke aufeinander. Anstatt einfach eine Höhle zu nehmen und darin zu leben, machen sie sich eine. Das ist falsch.«
    Kerr hob die Schultern und schüttelte den Kopf. »So sind Menschen nun einmal. Sie bauen Dinge. Sie haben unglaublich viele Gerätschaften. Wie … Schaufeln. Damit gräbt man. Sie sind eben schwach, da brauchen sie Hilfe.«
    »Aber sie hauen den Stein klein. Warum?« In Wrags Stimme klang Unverständnis mit. In vielerlei Hinsicht waren Andas Kinder einfacher als die übrigen Trolle. Noch mehr als bei den Trollen der alten Stämme drehte sich ihre Existenz hauptsächlich um das Überleben. In seinem Innersten konnte Kerr die Gedanken des anderen verstehen.
    »So schützen sie sich. Ihre Haut ist dünn, Wrag, ihr Fleisch schwach, und ihre Knochen sind brüchig. Hier an
der Oberfläche gibt es viele Gefahren, und sie bauen diese Sachen, um sich davor zu schützen.«
    Der riesige Troll schnaubte nur.
    »Du hast es noch nicht erlebt«, erklärte Kerr. »Wenn Wasser vom Himmel fällt oder der Wind so sehr weht, dass die Bäume sich neigen. Manchmal wird es so kalt, dass alles Wasser zu Eis wird und sogar Eis aus den Wolken kommt. Die Oberfläche hat ihre eigenen Regeln.«
    »Höhlen.«
    Seufzend erhob sich Kerr. »Es gibt zu viele Menschen für Höhlen. Sie sind überall. Es gibt mehr, als man sich vorstellen kann. Sie drängen sich zusammen, an wenigen Orten, und sie brauchen alles Land unter dem Himmel. Viele von ihnen können nicht einmal kämpfen. Viele jagen nicht. Einige tun das für alle. Es ist … schwer zu verstehen, wie sie leben.«
    »Wenn sie nicht kämpfen, sollten sie sterben. Wer schwach ist, stirbt.«
    »Würdest du einen Verwundeten zurücklassen? Deinen Stamm verraten?«
    »Niemals!«
    »So sind die Menschen auch. Sie kümmern sich um einander. Şten beschützt seinen Stamm. Andere Menschen bringen den Leuten in den Steinhäusern Fleisch, wieder andere ihre Kleidung. Das ist alles sehr verworren.«
    »Menschen sind nicht wie wir«, erwiderte Wrag entrüstet und schlug sich mit der Faust gegen die Brust.
    Unvermittelt musste Kerr an Ştens Vergleich mit Pard denken, und er hätte beinahe geschmunzelt. Das Bild ging ihm nicht mehr aus dem Kopf, obwohl er Pard gegenüber niemals diese Besorgnis empfunden hatte, mit der er Wrag immer wieder betrachtete. Der große Troll war anders gewesen; ein großer Jäger und gefährlicher Krieger, ja, aber trotz allem schlau und berechnend. Das konnte Kerr in Wrag nicht erkennen. Zu deutlich war er von den Taten
Andas geprägt, zu viel Macht hatte der dunkle Atem der Welt über ihn. In seinem Herzen konnte Kerr Wrags Stolz, seine Wut, sein Verlangen nach Kraft und Stärke nachfühlen, aber sein Geist gemahnte ihn immer wieder an Druan und auch an Pard, an die unergründliche Macht, die sie besessen hatten. Nicht allein aus ihren Leibern heraus waren sie stark gewesen, sondern aus sich selbst, und keiner der beiden war vor dem Tod zurückgeschreckt. Sein ganzes Leben lang hatte Kerr versucht, es den beiden gleichzutun und ihre Weisheit und Kraft zu erlangen. Noch immer waren sie Vorbilder für ihn, an deren Taten und Worte er gern zurückdachte. Aber er selbst war nicht Druan und Wrag nicht wie Pard.
    »Nein, sind sie nicht. Ist auch gut so, oder nicht? Oder willst du, dass Menschen wie wir sind?«
    Wieder schnaubte Wrag, dann lachte er kurz auf.
    »Hauptsache, sie kommen uns nicht in die Quere.«
    »Seit Şten und Viçinia in unserer Heimat waren, habe ich keinen Menschen mehr unten gerochen. Sie mögen die Unterwelt nicht.«
    »Gut. Ich kann ihren Gestank auch nicht leiden. All das Metall. Und das Feuer«, knurrte Wrag und setzte sich hin. Plötzlich bemerkte auch Kerr, dass ein neuer Geruch in der Luft lag. Rauch. Die Menschen machten oft Feuer für Licht, aber dieser Rauch roch anders. Es war nur eine schwache Note, aber mehr wie brennendes Holz als wie Öl oder Kohle oder Wachs. An letztere Gerüche hatte Kerr sich längst wieder gewöhnt; sie gehörten zu der Nacht der Menschen wie die Dunkelheit. Aber dieses Feuer hatte Kerr bisher noch nicht gerochen. Verwirrt sog er mehr Luft in die Nüstern. Er ignorierte den Geruch der menschlichen Leiber, ihren Schweiß, die Stoffe, die sie trugen. Er drängte den Geruch des Fleisches zur Seite, die Essensgerüche der Feste. Allein auf den neuen Geruch konzentrierte er sich. Es schwang mehr darin mit als

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