Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
zu nehmen. Das ist des zukünftigen Voivoden nicht würdig!
»Ich stimme Ionnis zu«, erklärte er also. »Er wird nicht dringend gebraucht, und seine Anwesenheit würde den Trollen helfen. Zudem wäre eine erneute Reise wieder einmal ein Vertrauensbeweis für die Dyrier. Vielleicht könnte Artaynis ihn begleiten?«
Hoffnungsvoll blickte er zu ihr hinüber. Bei seinen Worten hellte sich ihre Miene auf, und sie straffte die Schultern. Die Aussicht auf die Rückkehr in ihre Heimat verwandelte sie geradezu, und sie schenkte ihm ein Lächeln, das erst erstarb, als Şten auflachte.
»Nein, das würde Sargan mir nicht verzeihen. Ich habe ihm versprochen … nein, das geht nicht. Aber wenn ihr beiden euch schon gegen mich verbündet, dann habe ich wohl keine Wahl, oder? Ionnis, du wirst die Trolle ins Imperium führen.«
»Danke, Vater.«
Lächelnd lehnte Ionnis sich zurück, und auch Natiole war zufrieden. Einige Monate Ruhe vor Ionnis werden sehr angenehm sein. Nur schade, dass ich die dyrische Pest nicht gleich mit ihm losgeworden bin.
»Dann ist es beschlossen«, brummte Kerr und streckte sich. »Ich werde zu den anderen gehen und es ihnen sagen.«
Die Verabschiedung des Trolls war wenig herzlich, aber das schien ihn nicht zu stören. Zwei Soldaten geleiteten ihn in den Keller, während Şten sich an die schweigsame Riclea wandte: »Lass alles für ihre Abreise vorbereiten. Ein Dutzend Männer und Frauen sollte genügen. Je eher sie aufbrechen können, desto besser.«
Ohne ein Wort nickte die Wlachakin und erhob sich. Ihr einfaches, blaues Gewand fiel ihr bis über die Knöchel und verdeckte die furchtbaren Narben an ihrem Bein, die Natiole als kleiner Junge einmal gesehen hatte. Damals hatte Riclea noch jung gewirkt, doch inzwischen zeigte sich ihr Alter, auch wenn ihr langsames Hinken eher von den Verletzungen
stammte, die ihr im Freiheitskampf der Wlachaken zugefügt worden waren. Als die gemeinsamen Armeen von Flores und Tamár in den Süden geflohen waren, hatte Riclea mit wenigen Getreuen Dabrân gehalten. Zwar waren keine Masriden gekommen, aber wlachkische Deserteure, die den Kampf für hoffnungslos hielten, hatten versucht, Dabrân zu plündern. Riclea hatte die Stadt beschützt und dabei Wunden davongetragen, die ihr Bein verkrüppelt hatten. Sie hatte Şten auch danach weiter als Verwalterin in Dabrân gedient, bis er sie nach Viçinias Tod nach Teremi gerufen hatte. Mit der schweigsamen, verschlossenen Frau war Natiole niemals warm geworden, auch wenn er sicher war, dass sie eine aufrechte Streiterin für die Belange der Wlachaken war.
»Morgen besprechen wir die Planung der Reise«, befand Şten. »Jetzt brauche ich erst einmal eine Mütze voll Schlaf. Und ich denke, dass es uns wohl allen so geht.«
Unter allgemeinem Gemurmel löste sich nun auch der Rest der Versammlung auf, und Natiole verließ den kleinen Saal in deutlich besserer Laune als zuvor, aber noch ehe er die Treppe in den Wohntrakt erreicht hatte, gesellte sich Ionnis zu ihm.
»Ich hätte nicht gedacht, dass du mich unterstützt.«
»Warum nicht?«
»Weil du das Imperium nicht leiden kannst und mir immer vorwirfst, dass ich es anders halte.«
»Vielleicht«, erklärte Natiole grinsend, »dachte ich mir: besser Ionnis als ich selbst.«
»Als ob Vater dich auf so eine Reise gehen lassen würde.«
Das Lachen seines kleinen Bruders kratzte über Natioles Nerven, und er blieb abrupt stehen. »Was?«
»Den Thronfolger? Auf eine nicht ganz ungefährliche Fahrt? Nein, das hätte nicht passieren können. Ich werde hier nicht gebraucht, du schon.«
Unsicher, ob Ionnis ihn verspottete oder beneidete, blinzelte Natiole einige Male, bevor er erwiderte: »Abgesehen davon, hätte ich mich wohl geweigert. Mich gelüstet es nicht nach dem Imperium. Anders als dich.«
Ohne zu antworten, ging Ionnis weiter und ließ Natiole mit seinen düsteren Gedanken zurück.
14
O bwohl in ihrer Behausung absolute Dunkelheit herrschte, war Wrag nicht zufrieden. Andas Kind wanderte unruhig auf und ab, strich mit den Klauen über die Wände und schnaubte laut.
»Warum tun die das?«
»Was?«, erkundigte sich Kerr, der in einer Ecke an die Wand gelehnt saß und sich ein großes, saftiges Stück Fleisch schmecken ließ. Zran saß weiter hinten in dem Keller, unter einem der niedrigen Bögen, und kaute ebenfalls lautstark. Der Jäger mochte diesen Ort auch nicht, doch er hatte sich besser unter Kontrolle als Wrag, der mit der Faust so fest gegen die Wand
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