Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
glänzen lassen und zahlreiche Menschen angelockt hatte, abgerissene masridische Flüchtlinge aus Wlachkis bettelten gegenwärtig jeden an, der aussah, als habe er selbst auch nur ein Bett für die Nacht und ein Stück Brot zur Verfügung. Unter aufgespannten Stoffbahnen drängten sich ganze Familien zusammen, und der Gestank so vieler zusammengepferchter Leiber lag an diesem warmen Tag beinahe unerträglich schwer über der Stadt und dem Magy, der breiten Wasserstraße, die täglich neue Flüchtlinge nach Ardoly brachte.
Aber an einigen Stellen werden wohl bald neue Häuser entstehen, dachte der Sonnenpriester grimmig, während er sich durch die Stadt vorwärtsbewegte. An manchen Plätzen hatten offensichtlich erst kürzlich Feuer gewütet, und an einer Brücke entdeckte er die Überreste einer verkohlten männlichen Leiche, die achtlos in den Fluss geworfen worden war.
Wlachaken, ohne Zweifel. Wie in Teremi hatte auch in Turduj die Nachricht vom Tode des Marczegs und seiner Geliebten für Unruhe unter der Bevölkerung gesorgt, doch wer immer nun das Sagen im Čireva hatte, es war ihm offenkundig nicht allzu wichtig, die wlachkische Bevölkerung vor Übergriffen zu schützen.
Ich hoffe, mein Priestergewand ist über jeden Zweifel erhaben, dachte Cornel. Als Wlachake erkannt zu werden erschien ihm im Augenblick nur wenig ratsam.
Mit raschen Schritten steuerte er auf den großen Tempel des Göttlichen Lichtes zu, der auf dem Marktplatz von Turduj stand. Schon aus weiter Entfernung konnte er das große, prachtvolle weiße Gebäude erkennen. Anders als in Wlachkis war der Orden des Albus Sunaş in Ardoly hoch geehrt, und viele Masriden hingen dem Glauben an das Göttliche Licht voller Inbrunst an.
So überraschte es den Sonnenpriester nicht, dass das Innere des Tempels auch jetzt zur Mittagsandacht mit Gläubigen nahezu überfüllt war. Still stellte er sich in die letzte Reihe derer, die der Predigt lauschten, und folgte demütig den Worten des noch jungen Priesters, der das Licht pries, aber auch um Schutz und Gnade für all jene bat, die sich neu unter den Schutz des Ordens gestellt hatten. Erst als die Gläubigen den Tempel verlassen hatten, sprach er den Mann an.
»Ich bin Cornel, vom Tempel in Teremi, Bruder.«
Sein Gegenüber, der gerade einen Novizen mit einem Besen zu sich gewinkt hatte, schaute ihn prüfend an.
»Aus Teremi, sagst du? Dann bist du gewiss mit den Flüchtlingen gekommen, oder nicht?«
Der Priester trug ein makelloses Gewand und war offenbar frisch rasiert. Sein kurzes blondes Haar war akkurat geschnitten, und Cornel konnte erkennen, dass neben der Sonnenscheibe auf seiner Brust auch goldene Armreifen seine Handgelenke schmückten. Sein Gesichtsausdruck verriet deutlich, dass er keine große Bruderliebe für den weitaus bescheidener gekleideten Cornel empfand. Dieser schüttelte den Kopf.
»Ich reise im Auftrag des Voivoden«, erklärte er nicht ohne Stolz. »Ich musste nicht fliehen.«
»Dann wollen wir das Licht dafür preisen. Ich hörte, dass die Wlachaken wie wilde Tiere über unsere Brüder und Schwestern hergefallen seien.«
Cornel, der an die bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Leiche im Magy denken musste, zog es vor, darauf nichts zu erwidern.
»Mein Name ist übrigens Výclas. Aus dem Hause Szilas«, stellte sich der jüngere Priester mit einer gewissen Arroganz in der Stimme vor.
Ein masridischer Adeliger. Natürlich. Vermutlich der dritte Sohn, der, um seinem Haus wenigstens etwas zu nutzen, nun im Tempel dient.
»Aber was führt dich her, wenn es nicht die Suche nach Schutz ist?«, fragte Výclas.
»Der Voivode wünscht zu erfahren, wer derzeit Ardoly regiert, jetzt, da Marczeg Békésar nicht mehr unter den Lebenden weilt.«
Der junge Sonnenpriester verzog das Gesicht zu einer grimmigen Miene, während er den Novizen beobachtete, der sich eifrig darum bemühte, den Fußboden des Tempels von allem Schmutz zu reinigen.
»Das ist keine leicht zu beantwortende Frage, Bruder«, begann er langsam. »Wie du wohl weißt, hinterlässt
Marczeg Tamár keinen ehelichen Sohn, und er hatte auch keine Geschwister, die seinen Thron erben könnten. Aber der alte Marczeg, Gyula, hatte zwei Brüder und eine Schwester, deren Kinder und Kindeskinder Tamár beerben könnten. Den legitimsten Anspruch erhebt derzeit wohl Sziglos Békésar, ein Cousin Tamárs von seines Vaters Seite her und Neffe Zorpad Dîmminus über seine Mutter. Er ist von zweifachem Adel, und sein Temperament ist
Weitere Kostenlose Bücher