Der Zorn der Trolle - Hardebusch, C: Zorn der Trolle
schüttelte brummend den Kopf. Wieder einmal taten die Menschen vollkommen unverständliche Dinge. Dass sie fest an Besitz glaubten, hatte Kerr natürlich begriffen. Und dass sie das Land für sich beanspruchten, auch. Aber warum sollte man das achten, wenn hier doch überhaupt niemand wohnt?
Und was, wenn ich jetzt das Land nehmen will?
Aber er stellte die Frage nicht laut. Früher hätte er es getan und versucht, mehr zu verstehen. Doch jetzt wusste er, dass manche Handlungen eben menschlich waren und nicht trollisch. Und dass die Trolle niemals so sein würden, weswegen er es nicht unbedingt verstehen musste.
Aus den Schatten löste sich Wrag. Die Fähigkeit von Andas Kind, sich lautlos und ungesehen zu bewegen, war selbst für Kerr, einen erfahrenen Jäger, beeindruckend. Unter den Himmelslichtern war zu erkennen, dass Blut auf seinen Hauern und auf seinen Klauen glitzerte. Ein Jäger ist immer ein Jäger, egal wo er ist, ging es Kerr durch den Kopf.
Ohne ein Wort schlich Wrag zu seinem Wagen und kletterte während der Fahrt hinten auf die Ladefläche. Kerr warf Zran einen Blick zu, den dieser mit einem Schulterzucken quittierte. Auch der andere Troll empfand Wrags Schweigen wohl als besser als seine kaum gebändigte Wut. Beide legten sie sich ebenfalls auf die Wagen, und als die Sonne aufging, verschwand die Welt um Kerr herum.
Als Kerr die Augen aufschlug, blickte er in ein fremdes, bärtiges Gesicht. Beinahe hätte der Troll zugeschlagen, konnte sich aber gerade noch zurückhalten. Wrag!, dachte er entsetzt und richtete sich auf. Aber Wrag saß missmutig auf seinem Karren, und die fremden Menschen machten einen großen Bogen um Andas Kind.
Die Wagen standen in einem Innenhof, in dessen Mitte sich ein niedriges Becken voller Wasser befand. Es war gerade eben genug Platz für die langen Karren, die um das Becken herumstanden. Von den Ochsen war nichts zu sehen, aber Kerr konnte sie riechen; sie waren nicht weit weg.
Mit großen Schritten näherte sich Natiole, der mit den Armen fuchtelte und die Menschen von Kerrs Wagen mit lauten Rufen vertrieb. Manche antworteten in einer Zunge, die Kerr nicht verstand, aber obwohl er Angst roch, klangen ihre Worte verärgert, als störe sie Natioles Verhalten.
»Ihr seid wach. Das ist gut«, eröffnete der junge Mensch das Gespräch. »Dann beeilen wir uns lieber, weiterzuziehen.«
»Wo sind wir?«
»Der Ort heißt Macaza, das erste Dorf des Imperiums jenseits der Sorkaten. Wir haben hier eine Rast eingelegt, aber irgendwer hat euch gesehen, und jetzt ist das halbe Dorf hier, um euch anzugaffen.«
Wieder warf Kerr einen besorgten Blick zu Wrag hinüber, doch die Menschen waren entweder schlau oder ängstlich genug, um sich ihm nicht weiter zu nähern. Wrags Miene versprach jedem, der es dennoch tat, einen grausamen und blutigen Tod.
Stattdessen versammelten sich die Dörfler um Kerrs Wagen und wiesen mit dem Finger auf ihn, tuschelten, und manche kicherten sogar. Unsicher entblößte Kerr seine Zähne zu einem Lächeln, wie er es von den Menschen
kannte, das die Menge jedoch verängstigt zurückweichen ließ. Wenigstens lachen sie jetzt nicht mehr.
»Was wollen sie?«, flüsterte er Natiole zu, der mit gerunzelter Stirn neben dem Wagen stand.
»Ihr seid exotisch. Fremdartig.« »Wir sind Trolle«, ließ Zran vernehmen, der sich nun ebenfalls aufrichtete und erneut Wellenbewegungen in der Menge der Menschen hervorrief, als diese vor ihm zurückwichen, dabei aber respektvoll Abstand von Wrag hielten.
»Ja. Und meine Leute und ich sind an euren Anblick gewöhnt. Aber für diese Menschen seid ihr die ersten Trolle, die sie in ihrem Leben sehen. Leider spreche ich ihre Sprache nicht, und es ist schwer, sich zu verständigen. Sonst würde ich es ihnen erklären. Nur der eine oder andere versteht einige Brocken Wlachkisch, den Händlern sei Dank.«
»Wir sollten bald aufbrechen«, befand Kerr, dem die Aufmerksamkeit so vieler Menschen unangenehm war. Natiole nickte und drängelte sich durch die Reihen der Gaffer davon: »Ich lasse die Ochsen anspannen.«
Suchend blickte sich Kerr nach den anderen Wlachaken um, doch die Trolle waren nun allein mit den Fremden.
»Wrag, was immer sie tun, töte keinen«, rief er Andas Kind vorsichtig zu.
»Wenn mich einer anfasst, wird er es bereuen.«
»Nicht töten!«
»Keine Sorge. Aber ich reiße ihnen vielleicht den Arm aus oder so.«
Auch wenn die Menschen furchtsam waren, erkannte Kerr die Gefahr der Situation. Wenn Wrag
Weitere Kostenlose Bücher