Der Zorn des Highlanders
er ihr Bruder oder eine Magd. Als würde er sie als Mann nicht weiter beunruhigen, dachte er in einem Anflug von Verärgerung. Seit sie seine Gefangene war, hatte er gute Arbeit geleistet, um sie nach allen Regeln der Kunst zu verführen. Er hatte sie sogar dazu gebracht, vor Verlangen zu zittern und zu keuchen. Eigentlich müsste sie seinetwegen beunruhigt sein. Sie müsste sogar ganz erheblich beunruhigt sein. Seine zunehmende Gereiztheit stieg sprunghaft an, als ihm bewusst wurde, wie sie ihn eben genannt hatte.
»Es wäre klug von Euch, Mädchen, wenn ihr Eure Zunge in Eurem Mund ein wenig hüten würdet«, grollte er, verärgert darüber, dass allein schon das einfache Aussprechen der Worte Zunge und Mund ihn heftig erregte.
»Ich dachte, ich hätte ganz liebevoll gesprochen«, gab sie zurück.
Das hatte sie, dachte er bei sich. Der Ton ihrer Stimme war süß wie Honig gewesen. Cameron beschloss, wieder zu dem Gespräch über ihren Bruder zurückzukehren. Sie würde sich schnell auf einen Streit mit ihm einlassen, und das konnte ihm helfen, das hitzige Verlangen in seinen Adern abzukühlen. Er glaubte nicht, dass er sie diese Nacht verführen würde. Nach allem, was sie heute für ihn und seine Männer getan hatte, wäre es höchst unritterlich, ihr nicht wenigstens eine Nacht der Erholung zu gönnen.
»Ihr habt Sir Payton als gut aussehend, ritterlich, entzückend, ehrbar, tapfer und klug beschrieben – und als einen Mann, den alle Mädchen anhimmeln. Wollt Ihr mir etwa erzählen, dass er auch die Gewohnheiten eines Mönchs hat? Dass er all diese wundersamen Gaben nicht nutzt, um die Mädchen in sein Bett zu ziehen?« Cameron konnte sehen, dass sein Sarkasmus sie erzürnte, und fast hätte er gelächelt. Ganz bestimmt würde sie sich auf die Auseinandersetzung, die er suchte, einlassen.
»Er hat es nicht nötig, irgendein Mädchen in sein Bett zu zerren«, fauchte ihn Avery an. »Nein, er muss sie oft genug hinauswerfen.«
Falls Sir Payton die Eitelkeit noch nicht zu Kopf gestiegen war, dann bestimmt nicht, weil seine Schwester ihm Bescheidenheit beibrachte, dachte Cameron entnervt. »Er stolpert wohl geradezu über all die Mädchen, die sich ihm zu Füßen werfen.«
Camerons Sarkasmus erweckte in Avery den brennenden Wunsch, ihn zu ohrfeigen. »Beinahe. Ihr werdet es schon sehen.«
»Alles, was ich von Eurem Bruder sehen möchte, ist sein Rücken, wenn er vor einem Priester kniet, um meine Schwester zu heiraten und ihr die Ehre wiederzugeben, die er ihr geraubt hat.«
»Und ich sage Euch noch einmal, dass mein Bruder niemals einem Mädchen die Ehre rauben würde, dass er das niemals nötig hätte. Und wenn er mit Eurer Schwester geschlafen hat, dann würde er es niemals leugnen. Er hat einmal einem Douglas ins Angesicht gesagt, dass er mit seiner Verlobten geschlafen hat. Natürlich wollte Payton ihn nur vor der Schlechtigkeit dieser Frau warnen, und der Douglas wollte sie auch gar nicht wirklich heiraten, weil sie bereits drei seiner Verwandten ermordet hatte – aber das tut hier nichts zur Sache. Diese Geschichte beweist, dass mein Bruder ein sehr aufrichtiger Mensch ist.«
Cameron kannte nicht die ganze Geschichte, aber er gewann den Eindruck, dass sie Payton Murray ebenso gut als leichtsinnigen Narren auswies. Man ging nicht einfach hin und gab zu, dass man mit der Verlobten eines Douglas geschlafen hatte. Douglas-Männer nahmen solche Beleidigungen nicht gut auf. Diese Geschichte hatte sicher noch das eine oder andere interessante Detail, aber das würde er ihr später entlocken. Vorerst wollte er sie so erzürnen, dass sie ihn weder ansah noch mit ihm sprach, sondern sich, soweit es ihre Fesseln zuließen, von ihm fernhielt.
»Beweist sie das? Ich finde, sie beweist wohl eher, dass ihn die Gesetze von Sitte und Anstand nicht sonderlich interessieren. Wenn Ihr wollt, dass er wie ein Heiliger dasteht, ist es nicht besonders schlau, mir zu erzählen, dass er mit der Frau eines anderen Mannes geschlafen hat.«
Avery erkannte, dass er damit nicht ganz unrecht hatte, aber sie würde sich lieber alle Fingernägel ausreißen, als ihm das zu gestehen. »Ich behaupte nicht, dass Payton ein Heiliger ist, aber er hält sich von Jungfrauen fern. Eure Verwandten haben ganz bestimmt kein Geheimnis daraus gemacht, dass sie für Eure Schwester einen Ehemann suchen, und Payton achtet immer darauf, solchen Mädchen aus dem Weg zu gehen.«
»Er hat eindeutig kein Bedürfnis nach einer Ehefrau.«
Da sich
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