Der Zorn des Highlanders
Aufschreie um sie her ließen sie ahnen, dass einige von Camerons Männern zu Boden gegangen waren, aber sie wendete nicht ein einziges Mal den Blick von Cameron. Stattdessen betete sie einfach für die Seelen der Gestürzten und hoffte, dass sie möglicherweise nur verletzt waren und nicht tot.
Obwohl es ihr vorkam, als habe sie stundenlang dagestanden und gebetet, wusste Avery, dass wohl nur Minuten vergangen waren, bis der Kampf sich zugunsten der MacAlpins wendete. Tote und verwundete DeVeau-Männer lagen am Boden, und plötzlich wurden sich die Feinde bewusst, wie teuer sie der Kampf zu stehen kam. Ein Mann stützte einen verwundeten Kameraden, um ihn vom Schauplatz wegzubringen, ein anderer tat das Gleiche, dann noch einer, bis ein hastiger Rückzug daraus wurde. Es bedurfte Averys ganzer Willensstärke, um zu bleiben, wo sie war, bis die DeVeau zwischen den Bäumen verschwunden waren. Dann sah sie, wie Cameron in die Knie sank. Als sie zu laufen begann, kam auch Bewegung in die anderen Frauen, bis schließlich alle zu den Männern rannten. Bei jedem Schritt betete Avery darum, dass Cameron unversehrt oder nur leicht verwundet war, dass ihn Erschöpfung auf die Knie gezwungen hatte und nicht das Gewicht des Todes.
6
Den Blick noch immer fest auf die Staubwolke der fliehenden DeVeau gerichtet, sank Cameron langsam in die Knie. Er fand gerade noch genug Kraft, um einem Mann Zeichen zu geben, den Feinden zu folgen und sicherzustellen, dass der Rückzug auch tatsächlich einer war. Dann sackte er zusammen. Der Kampf war kurz und heftig gewesen, aber er hatte das Gefühl, als hätte er den ganzen Tag gedauert. Leargan neben ihm keuchte laut, war also immer noch am Leben, und Cameron beschloss, dass er einen Moment lang seine Kräfte sammeln durfte, bevor er sich um die Verluste kümmerte.
Eine sanfte Berührung am Arm weckte ihn aus seinem Erschöpfungszustand. Cameron schaute benommen auf und entdeckte Avery, die ihn mit einem sorgenvollen Blick musterte. Schuldgefühle flackerten in ihm auf. Er verdankte ihr sein Leben und das seiner Männer, die den Kampf überstanden hatten. Es wäre nur gerecht und angemessen, sie freizulassen, aber er wusste, dass er das nicht tun würde. Sein Begehren, sie in die Arme zu schließen, und sein Bedürfnis, die Angelegenheit seiner Schwester in Ordnung zu bringen, hinderten ihn daran.
»Seid Ihr verletzt?«, fragte Avery, während sie seinen Körper nach Wunden absuchte.
»Ich bin mir nicht sicher«, entgegnete Cameron und tastete sich ebenfalls ab.
»Das Einzige, was ich entdecken kann, ist ein nicht allzu tiefer Schwerthieb an Eurem Arm.«
»Was ist mit den anderen?«, wollte er wissen, während er ihr erlaubte, seine Verletzung zu versorgen.
»Einer ist tot, einer stirbt vielleicht noch, drei sind verwundet, aber nicht tödlich, wenn die Wunden richtig versorgt werden.« Sie legte die Stirn in Falten, als sie nach dem Auswaschen der Wunde eine Salbe auftrug. Nachdem sie die Verletzung eingehend untersucht hatte, zuckte sie die Schultern und begann, sie zu bandagieren. »Ich könnte sie nähen, wenn Euch das lieber wäre. Es würde die Narbe, die vielleicht bleibt, verkleinern.«
»Lasst sie vernarben.«
Avery überraschte seine Antwort nicht. Dieselben Männer, die, ohne mit der Wimper zu zucken, in die Schlacht zogen und dem Tod ins Auge sahen, ließen den Mut sinken, wenn eine Wunde genäht werden sollte. Dies versetzte sie immer wieder in Erstaunen und amüsierte sie. Sie sammelte ihre Sachen ein und stand auf, um den anderen Verwundeten zu helfen. Spontan beugte sie sich vor und küsste Cameron flüchtig auf den Mund. Der verblüffte Ausdruck seines Gesichts entlohnte sie für diesen Augenblick der Schwäche. Avery eilte davon, bevor er sich von seinem Schreck erholen konnte.
»Sieht so aus, als wärst du dem Sieg näher, als ich dachte«, warf Leargan ironisch ein.
Cameron zwinkerte und starrte einen Augenblick seinen Cousin an, bevor er wieder zu sich kam. »Du bist noch immer da.«
Leargan schnaubte entrüstet, als er sich langsam und erschöpft auf die Beine zog und Cameron beim Aufstehen behilflich war. »Für euch beide hätte ich genauso gut ein Felsen sein können. Obwohl das Mädchen sich wenigstens einen Augenblick Zeit genommen hat, um sich zu versichern, dass ich nicht verwundet bin.«
»Offensichtlich hat sie einige Fertigkeiten in Sachen Heilkunde.«
»Beide haben sie.« Leargan deutete mit dem Kopf auf Gillyanne, die Avery half. »Man sagt,
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