Der Zorn Des Skorpions
mehr Tage erkaufen konnte, gelang es Alvarez und den anderen Mitarbeitern des Dezernats vielleicht, diese Höhle aufzuspüren.
»Du solltest mal überlegen, was du gerade getan hast. Und da sind noch andere, vor dir …«
Andere? Mehrzahl? Herr im Himmel, er hat vor, andere umzubringen und mich am Leben zu erhalten, um mich dann mit dem Tod der Frauen zu verhöhnen! Er plant, mir von jeder Einzelnen zu berichten, von jeder unschuldigen Frau, die ich nicht werde retten können. Es könnte Wochen dauern oder Monate … oder Jahre.
Wer wusste schon, wie viele Frauen er zu ermorden gedachte?
»Dann bestraf mich. Bitte.« Es war ihr zuwider, ihn anzuflehen, sich auf sein abartiges Spiel einzulassen, aber sie wollte um keinen Preis am Tod einer anderen Frau schuld sein.
»Oh, verlass dich drauf«, sagte er mit einer Stimme wie Schlangenöl. »Ich bestrafe dich und quäle dich. Endlos. Elyssa O’Learys Tod. Du wirst schuld daran sein, Pescoli. An ihrem Tod und dem der anderen. Alles deine Schuld. Stell dir das vor. Du hast ihr Todesurteil unterzeichnet, und du wirst mit dem Wissen leben, dass du sie in den Tod geschickt hast.«
Sie fühlte sich innerlich zerschlagen. Völlig leer. Wie viele Frauen wollte dieser abartige Mensch umbringen? Von wie vielen würde sie wissen, dass sie ermordet werden sollten? »Das kannst du nicht tun«, flüsterte sie.
»Wer sollte mich daran hindern? Du?«
»Die Polizei …«
»Grayson? Dieser eingebildete Hanswurst? Oder deine durchtriebene kleine Partnerin?«, spottete er. »Wie wär’s mit Nate Santana?«
»Du kannst nur hoffen, dass er dich niemals findet.«
»Oh. Ich habe Angst. Ich zittere wie Espenlaub.«
»Recht so.« Ihre Stimme war messerscharf, und einen Augenblick lang vergaß er tatsächlich, sie seine Verachtung spüren zu lassen. »Du würdest dir wünschen, nie geboren worden zu sein.«
»Genau.«
»Du kannst das nicht tun«, wiederholte sie und sah, wie sein Mund sich zu einem bösartigen Lächeln verzog.
»Wart’s ab.«
Und dann war er fort, hatte die Tür geöffnet und mit einem dumpfen Schlag wieder geschlossen.
»Nein, ach … Ach, bitte, nicht«, flüsterte sie. Pescoli lag nackt und zitternd auf dem Boden, starrte in die Dunkelheit und auf die geschlossene Tür und wusste mit grausiger Sicherheit, dass sie gerade eine unschuldige Frau in den Tod geschickt hatte. Als hätte sie Elyssa O’Leary eigenhändig einen Dolch ins Herz gestoßen.
21. KAPITEL
I ch tue jetzt, was ich für richtig halte!
Santana erhob sich vom Schreibtischstuhl in seinem Blockhaus und trat ans Fenster. Vor dem Haupthaus auf dem Besitz der Longs stand immer noch ein Streifenwagen, doch noch während er zusah, fuhr er los, wie alle anderen Dienstfahrzeuge auch, und folgte mit Rückleuchten, die sich rot im Schnee spiegelten und blinkten, wenn der Jeep an Bäumen vorbeifuhr, der langen Zufahrt.
Er fragte sich, ob man ihn wohl beobachtete, stellte aber dann fest, dass es ihm völlig egal war. Regan war verschwunden, ein Verrückter trieb sein Unwesen, und womöglich stand Brady Longs Tod irgendwie in einem Zusammenhang mit dem Unglücksstern-Mörder.
Nachdem er es der Polizei überlassen hatte, die Reifenspuren längs der Besitztumsgrenze zu untersuchen, war Santana mit Nakita zu seinem Blockhaus zurückgekehrt. Der Hund hatte seinen Lieblingsplatz beim Feuer eingenommen und schnarchte leise, doch Santana war zu aufgewühlt, um sich entspannen zu können. Er hatte das Vieh im Stall bereits versorgt, dann mehrere Karten der näheren Umgebung, einschließlich einer von der Forstverwaltung, zusammengesucht und im Internet die neuesten Satelliten- und topografischen Karten angesehen.
»Wo steckst du, perverses Schwein?«, knurrte er, während er die Stellen markierte, an denen die Leichen und die Fahrzeugwracks gefunden worden waren. Er nahm an, dass seine Karte mit der übereinstimmte, die das Büro des Sheriffs von Pinewood County und das FBI angelegt hatten. »Und wer bist du?«
Jemand, der Brady Long kannte.
Jemand, der in der Nähe lebte.
Jemand, den es anmachte, die Polizei zu verspotten.
Zwar war der Inhalt der Botschaften, die die Polizei gefunden hatte, nicht veröffentlicht worden, doch ihre Existenz war durchaus bekannt. Nur – wie ergab das alles einen Sinn?
Santana legte noch einen Eichenscheit aufs Feuer und schob ihn mit dem Schürhaken zurecht. Er starrte in die Flammen und dachte an Regan. Lebte sie? War sie verletzt? Oder … war es bereits zu spät?
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