Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
Vom Netzwerk:
Ein Weinbecher lag
     unter dem Efeu, der an der Rathausmauer emporwuchs, und als Cranston den
     Dolch im Gras abwischte, wurde Athelstan klar, wie rätselhaft dieser
     Mord war. Mountjoy hatte unmittelbar gegenüber des mit dem Schrägdach
     überdeckten Ganges gesessen. Der Zaun war aus Holzplanken und die Lücken
     dazwischen zu schmal, als daß jemand ein Messer mit solcher Wucht hätte
     hindurchschleudern können. Die Mauer des Rathauses war eine unüberwindliche
     Barriere, und um das Messer vom Garten aus zu werfen, hätte man dazu
     am Tor stehen müssen. Athelstan schüttelte den Kopf. Sir Gerard
     und seine Hunde hätten nicht zugelassen, daß jemand mit einem
     gefährlich aussehenden Dolch dort stand; sie hätten geschrien
     und angegriffen.
    Athelstan blickte auf den
     Kiesweg, der unter seinen Sandalen knirschte. Niemals hätte sich ein
     Attentäter lautlos über diesen Pfad zum
     Tor schleichen können, ohne daß die Hunde wie rasend gebellt hätten.
     Er schaute an der Stützmauer des Rathauses hoch, an die das Schrägdach
     angebaut war. Die einzigen Fenster dort oben waren schmale Schießscharten,
     zu hoch und zu schmal, als daß von dort ein Messer halbwegs kräftig
     und zielgenau hätte geworfen werden können. Er schaute Cranston
     an, der die Messerklinge eingehend betrachtete.   
    »Es muß Boscombe
     gewesen sein«, sagte Athelstan leise. »Das Messer wurde nicht
     geworfen. Seht.« Er deutete auf das Spaliergitter, an dem Mountjoy
     gelehnt hatte. »Der Dolch ist ihm durch die Brust gedrungen und hat
     den Gitterzaun verkratzt.«
    »Vielleicht ist jemand
     hinter Sir Gerard über den Zaun geklettert?« Clifford kam
     heran.
    Athelstan schüttelte den
     Kopf.
    »Das bezweifle ich,
     Mylord. Sir Gerard hat anscheinend gesessen, als er ermordet wurde. Der Mörder
     müßte auf den Zaun klettern, sich mit dem Dolch
     herunterschwingen und ihn dem Opfer in die Brust stoßen. Könnt
     Ihr Euch vorstellen, daß der Sheriff und seine Hunde das geduldig
     abwarten?«    
    Angeführt von Clifford
     und Gaunt, kamen die Gildemeister vorsichtig in die kleine Laube und
     schauten sich immer wieder furchtsam nach den beiden großen
     Wolfshunden um, die jetzt mit traurigem Blick im Gras lagen. 
    »Sind die Hunde nicht
     mehr gefährlich?« fragte Gaunt leise.
    »Oh nein«,
     antwortete Gaunt abwesend. »Sie wissen, daß hier etwas nicht
     stimmt, aber uns betrachten sie nicht als Feinde.« Er lachte
     schnaubend. »Obwohl wir es ja vielleicht sind. Einer der Anwesenden
     auf jeden Fall.« Cranston schaute in die Runde. »Ich bin Sir
     John Cranston, Coroner des Königs in der Stadt«, erklärte
     er, »und dies ist mein Urteil: Ich finde Sir Gerard Mountjoy von
     einer oder mehreren unbekannten Personen ermordet auf.«
    »Was ist mit Boscombe?«
     fragte Gaunt.
    »Möglich, daß
     er es war. Aber habt Ihr diesen Dolch gesehen, Mylord?« Cranston
     hielt ihn in die Höhe.
    Erst dachte Athelstan, es
     handele sich um einen ganz gewöhnlichen walisischen Stichdolch mit
     schmaler, langer, bösartiger Klinge und kleinem Griff und Heft. Aber
     unter den verschmierten Spuren von Cranstons Säuberung war etwas in
     die Klinge eingraviert. Athelstan nahm Cranston den Dolch aus der Hand und
     betrachtete ihn genauer.
    »Ira Dei«,
     murmelte er und las die grob geritzten Zeichen laut vor.
    Gaunt stampfte wütend
     ins Gras und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Bei der
     Heiligen Messe!« Er funkelte die anderen an. »Diese
     Bauernschweine bedrohen uns hier in unserer eigenen Stadt, in unseren
     eigenen Palästen.«
    »Ira Dei?«
     Hussey, der königliche Hauslehrer, drängte sich nach vorn.
     »Der Zorn Gottes? Mylord Gaunt, was hat das zu bedeuten? Man muß
     es dem König berichten.«
    »Mein Neffe wird es
     beizeiten erfahren«, erwiderte Gaunt gereizt.
    Athelstan spürte die
     tiefe Ablehnung im Ton des Regenten und erinnerte sich an das Getuschel
     über zunehmende Rivalitäten zwischen ihm und dem Hauslehrer des
     Königs.
    »Ira Dei«,
     wiederholte Gaunt langsam, »ist ein selbsternannter,
     geheimnisumwobener Führer.«
    »Führer wovon?«
    »Der Großen
     Gemeinschaft«, knurrte Gaunt. »Diesen Namen haben die Bauern
     dem geheimen Rat ihrer Anführer gegeben, der Verrat und Rebellion
     plant, in London und Umgebung. Sir, Ihr solltet besser Bescheid wissen.«
    »Mylord«,
     antwortete Hussey geschmeidig, »wie Seine Gnaden der König weiß
     ich nur das, was man mir sagt.«
    Verärgert

Weitere Kostenlose Bücher