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Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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so gut an«,
     wiederholte der Mann; dann hustete er, und seine Stimme wurde fester.
     »Sir Gerard gefiel, was da geschehen sollte: Er und der Regent
     wollten einen Freundschaftsbund zwischen den Gilden besiegeln. Seine
     Gnaden, der König, der Regent und die anderen kamen am Vormittag zur
     Messe in die Rathauskapelle. Sir Gerard war auch dabei. Ich und die übrigen
     Diener standen hinten. Die Messe begann; die Gildemeister, der Regent und
     Sir Gerard gaben sich den Friedenskuß, sie empfingen das Sakrament,
     und dann wurden die Schlüssel gesegnet.«
    »Was?« unterbrach
     Cranston.
    »Als Garantie für
     ihre guten Absichten«, antwortete Boscombe, »haben die führenden
     Gilden und auch der Regent je einen Goldbarren in einer eigens
     angefertigten, mit Eisenriegeln und sechs Schlössern gesicherten
     Truhe deponiert. Einen Schlüssel hat der Regent, die übrigen
     haben die Gildemeister.« Boscombe rieb sich die Wange. »Danach
     bekamen wir Marzipan und süßen Wein von der Kirche. Dann zog
     der Regent sich mit dem Bürgermeister, dem Sheriff und den fünf
     Gildemeistern zu einer geheimen Beratung in die Privatgemächer des
     Sheriffs zurück.« Boscombe fuhr sich durchs Haar, das verfilzt
     wie ein Wolfsfell war. »Danach löste sich die Versammlung auf,
     und mein Herr sagte, er wolle es sich in seinem Garten Wohlsein lassen.«
    »Bist du auch
     hingegangen?«
    »Ja, ich habe ihm einen
     Becher Wein gebracht. Er sonnte sich und sagte, der Vormittag habe einen
     guten Verlauf genommen und ich solle ihn nicht noch einmal stören.«
     Boscombe fing wieder an zu weinen. »Ihr Herren, ich war in meiner
     Kammer, als ich das Geschrei hörte, und dann kamen die Soldaten mich
     holen. Man zerrte mich in den Garten hinunter; da sah ich den armen Sir
     Gerard. Und jetzt«, klagte er, »soll ich hängen.«
    Athelstan berührte ihn
     leicht bei der Schulter.
    »Sei getrost, mein
     Freund. Du bist kein Mörder. Sir John wird dafür sorgen, daß
     Gerechtigkeit geschieht. Eine Frage noch: Hatte Sir Gerard, dein Herr,
     irgendwelche Feinde?«
    Jetzt lächelte Boscombe
     schmal. »Feinde?« wiederholte er. »Ich habe meinem Herrn
     gut gedient, aber für ihn war ich auch nur ein Hund, der einen Tritt
     bekommt, wenn er etwas falsch macht, und einen Knochen, wenn es gut war.
     Ihr fragt Euch besser, Pater, ob es jemanden gab, der nicht Sir Gerards
     Feind war -denn Freunde hatte er nicht. Lord Gaunt ertrug ihn. Sir
     Christopher Goodman, der Bürgermeister, hielt es kaum mit ihm im
     selben Raum aus, und die fünf Gildemeister …« Boscombe
     verzog höhnisch den Mund. »Sie sind mächtige und gefährliche
     Männer und konnten Sir Gerard nicht ausstehen, nicht nur wegen seines
     Reichtums, sondern auch weil er ein so hohes Amt in der Stadt errungen
     hatte.«
    Athelstan erhob sich. »Steh
     auf«, befahl er.
    Boscombe rappelte sich hoch.
    »Trägst du
     dieselben Kleider wie heute morgen?«
    »Ja, natürlich -
     heute morgen allerdings, Bruder, war das noch mein Sonntagsstaat.«
     Boscombe zerrte an seinem milchweißen Wams und berührte die
     weiche, braune Wollhose; beides war schmutzig und starrte vor Dreck.   
    »Seht ihn Euch an, Sir
     John«, sagte Athelstan. »Hat dieser Mann Sir Gerard einen
     Dolch ins Herz gestoßen?«
    »Nun …«,
     murmelte Cranston, und er packte Boscombes Handgelenke und betrachtete
     aufmerksam beide Ärmel. »Keine Blutspuren zu finden.« Er
     schlug dem Diener so herzhaft auf die Schulter, daß der arme Boscombe beinahe wieder auf das
     Bett gekippt wäre. »Du bist kein Mörder.« Cranston
     schmatzte plötzlich, und Athelstan merkte, wie lange der Coroner
     schon nichts mehr getrunken hatte. »Komm jetzt, mein Junge, wir
     gehen hinauf.«    
    Cranston hämmerte an die
     Tür. Die Wache öffnete, wollte Boscombe aber nicht gehen lassen.
    »Verschwinde!«
     donnerte Cranston. »Wie kannst du es wagen, dich dem Coroner des Königs
     in den Weg zu stellen?«
    Hastig wich der Mann zurück
     und murmelte eine Entschuldigung. Der Coroner schleifte den armen Boscombe
     an der Hand hinter sich her, durch den Korridor und ins Rathaus hinauf.
     Sie fanden den Regenten und die anderen im Garten, wo sie auf Holzbänken
     saßen und kühlen Weißwein tranken, als wäre es ein
     schöner Sommertag und alles in bester Ordnung. Den Männern des
     Haushalts, die den Leichnam des Sheriffs in Tücher gewickelt hatten
     und ihn jetzt in den Keller hinunterschleppten, um ihn zwischen

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