Der Zorn Gottes
so gut an«,
wiederholte der Mann; dann hustete er, und seine Stimme wurde fester.
»Sir Gerard gefiel, was da geschehen sollte: Er und der Regent
wollten einen Freundschaftsbund zwischen den Gilden besiegeln. Seine
Gnaden, der König, der Regent und die anderen kamen am Vormittag zur
Messe in die Rathauskapelle. Sir Gerard war auch dabei. Ich und die übrigen
Diener standen hinten. Die Messe begann; die Gildemeister, der Regent und
Sir Gerard gaben sich den Friedenskuß, sie empfingen das Sakrament,
und dann wurden die Schlüssel gesegnet.«
»Was?« unterbrach
Cranston.
»Als Garantie für
ihre guten Absichten«, antwortete Boscombe, »haben die führenden
Gilden und auch der Regent je einen Goldbarren in einer eigens
angefertigten, mit Eisenriegeln und sechs Schlössern gesicherten
Truhe deponiert. Einen Schlüssel hat der Regent, die übrigen
haben die Gildemeister.« Boscombe rieb sich die Wange. »Danach
bekamen wir Marzipan und süßen Wein von der Kirche. Dann zog
der Regent sich mit dem Bürgermeister, dem Sheriff und den fünf
Gildemeistern zu einer geheimen Beratung in die Privatgemächer des
Sheriffs zurück.« Boscombe fuhr sich durchs Haar, das verfilzt
wie ein Wolfsfell war. »Danach löste sich die Versammlung auf,
und mein Herr sagte, er wolle es sich in seinem Garten Wohlsein lassen.«
»Bist du auch
hingegangen?«
»Ja, ich habe ihm einen
Becher Wein gebracht. Er sonnte sich und sagte, der Vormittag habe einen
guten Verlauf genommen und ich solle ihn nicht noch einmal stören.«
Boscombe fing wieder an zu weinen. »Ihr Herren, ich war in meiner
Kammer, als ich das Geschrei hörte, und dann kamen die Soldaten mich
holen. Man zerrte mich in den Garten hinunter; da sah ich den armen Sir
Gerard. Und jetzt«, klagte er, »soll ich hängen.«
Athelstan berührte ihn
leicht bei der Schulter.
»Sei getrost, mein
Freund. Du bist kein Mörder. Sir John wird dafür sorgen, daß
Gerechtigkeit geschieht. Eine Frage noch: Hatte Sir Gerard, dein Herr,
irgendwelche Feinde?«
Jetzt lächelte Boscombe
schmal. »Feinde?« wiederholte er. »Ich habe meinem Herrn
gut gedient, aber für ihn war ich auch nur ein Hund, der einen Tritt
bekommt, wenn er etwas falsch macht, und einen Knochen, wenn es gut war.
Ihr fragt Euch besser, Pater, ob es jemanden gab, der nicht Sir Gerards
Feind war -denn Freunde hatte er nicht. Lord Gaunt ertrug ihn. Sir
Christopher Goodman, der Bürgermeister, hielt es kaum mit ihm im
selben Raum aus, und die fünf Gildemeister …« Boscombe
verzog höhnisch den Mund. »Sie sind mächtige und gefährliche
Männer und konnten Sir Gerard nicht ausstehen, nicht nur wegen seines
Reichtums, sondern auch weil er ein so hohes Amt in der Stadt errungen
hatte.«
Athelstan erhob sich. »Steh
auf«, befahl er.
Boscombe rappelte sich hoch.
»Trägst du
dieselben Kleider wie heute morgen?«
»Ja, natürlich -
heute morgen allerdings, Bruder, war das noch mein Sonntagsstaat.«
Boscombe zerrte an seinem milchweißen Wams und berührte die
weiche, braune Wollhose; beides war schmutzig und starrte vor Dreck.
»Seht ihn Euch an, Sir
John«, sagte Athelstan. »Hat dieser Mann Sir Gerard einen
Dolch ins Herz gestoßen?«
»Nun …«,
murmelte Cranston, und er packte Boscombes Handgelenke und betrachtete
aufmerksam beide Ärmel. »Keine Blutspuren zu finden.« Er
schlug dem Diener so herzhaft auf die Schulter, daß der arme Boscombe beinahe wieder auf das
Bett gekippt wäre. »Du bist kein Mörder.« Cranston
schmatzte plötzlich, und Athelstan merkte, wie lange der Coroner
schon nichts mehr getrunken hatte. »Komm jetzt, mein Junge, wir
gehen hinauf.«
Cranston hämmerte an die
Tür. Die Wache öffnete, wollte Boscombe aber nicht gehen lassen.
»Verschwinde!«
donnerte Cranston. »Wie kannst du es wagen, dich dem Coroner des Königs
in den Weg zu stellen?«
Hastig wich der Mann zurück
und murmelte eine Entschuldigung. Der Coroner schleifte den armen Boscombe
an der Hand hinter sich her, durch den Korridor und ins Rathaus hinauf.
Sie fanden den Regenten und die anderen im Garten, wo sie auf Holzbänken
saßen und kühlen Weißwein tranken, als wäre es ein
schöner Sommertag und alles in bester Ordnung. Den Männern des
Haushalts, die den Leichnam des Sheriffs in Tücher gewickelt hatten
und ihn jetzt in den Keller hinunterschleppten, um ihn zwischen
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