Der Zorn Gottes
wandte sich
Gaunt ab. »Mountjoy ist tot«, flüsterte er. »Erstochen
von seinem Diener, der offenbar gegen Bezahlung oder aus Überzeugung
für die Rebellen arbeitet. Sir John, Bruder Athelstan, stimmt Ihr mir
zu?«
Cranston betrachtete den
Dolch, während Athelstan sich bemühte, den schweren Leichnam des
Sheriffs auf die Rasenbank zu legen. Das Gewand des Mannes war dick
verkrustet von Blut. Athelstan sprach flüsternd das Totengebet und
untersuchte zugleich die Wunde in der Brust des Mannes, die Schramme im
Zaun, an dem er gelehnt hatte, und das Blut an den Händen des Toten.
»Mylords«, erklärte
der Ordensbruder schließlich schwer atmend und faltete die Hände
des toten Sheriffs. »Sicher wird Sir John mit mir darin übereinstimmen,
daß Sir Gerard durch einen Dolchstich in die Brust getötet
wurde. Der Dolch kann nicht geworfen worden sein; die Laube ist ringsum
geschlossen, und hätte der Mörder am Tor gestanden, dann hätte
Sir Gerard ihn sehen müssen, von seinen Hunden ganz zu schweigen.«
»Vielleicht haben sie
geschlafen, alle drei«, dröhnte Fitzroy töricht. »Sir
Gerard trank gern Wein.«
»Aber die Hunde nicht«,
gab Denny spöttisch zu bedenken.
»Ich bezweifle es«,
sagte Athelstan ruhig. »Solche Hunde hätten ihren Herrn vor
jedem beschützt, und Sir Gerard wußte, wenigstens ein paar
Augenblicke zuvor, daß er sterben mußte. Seht Ihr seine Hände?
Sie sind blutig.«
»Mein Schreiber spricht
aus, was ich dachte«, unterbrach Cranston ihn großspurig. Er
zwinkerte Athelstan zu und ging zurück zum Tor. »Der Dolch
wurde nicht geworfen. Der Mörder spazierte durch das Tor, vielleicht
mit versteckter Waffe; sie ist lang und schmal und hat keinen großen
Griff. Sir Gerard sitzt da und trinkt seinen Wein. Er blickt auf, und der
Mörder sticht zu, rammt dem Sheriff den Dolch tief ins Herz und
durchbohrt den Körper. Im Todeskampf zerrt Sir Gerard an dem Dolch,
seine Hände fallen herab, er stirbt.« Cranston sah sich
strahlend um. »Ich denke, als nächstes, Mylords, sollten mein
Schreiber und ich den Gefangenen verhören.«
Gaunt war einverstanden, und
man rief einen Bogenschützen, der Cranston und Athelstan ins Rathaus
und in das klamme, muffige Kellergewölbe führte. Die Gänge
waren von Fackeln beleuchtet. Vor einer Tür mit eingelassenem
Eisengitter standen zwei Bogenschützen Wache. Cranston spähte
durch das Gitterfenster. Das Verlies war von einer Öllampe
erleuchtet, die auf einem wackligen Tisch stand. Der Gefangene lag
zusammengekrümmt auf einer schmalen Pritsche. Die Wachen schlössen
die Tür auf, und Cranston und Athelstan schlüpften hinein. Stöhnend
richtete sich der Mann auf.
Im trüben Licht der
Öllampe sah er so elend und jämmerlich aus wie nur menschenmöglich.
Er war klein und dick; seine Augen verschwanden zwischen Fettwülsten
und waren noch dazu vom Weinen verquollen. Sein Haar war vom Kerkerschmutz
verklebt.
Athelstan hockte sich neben
ihn und schaute dem Amtmann des Sheriffs in das weichliche, verzärtelte
Gesicht. Der Mann verschränkte die Arme und fing an, sich vor und zurück
zu wiegen.
»Was kommt jetzt? Was
kommt jetzt?« murmelte er, und Tränen rollten ihm über die
Wangen. »Werde ich gefoltert? Soll ich hängen? Sir, Ihr dürft
mir nichts tun!« Er wimmerte wie ein Kind, und Athelstan sah den
Bluterguß an seiner Wange. Sanft berührte er die Hand des
Mannes und sah sich dann nach Sir John um. Der Blick des Ordensbruders ließ
keinen Zweifel: Athelstan hatte bereits entschieden, daß dieser
kleine dicke Mann mit der teigigen Haut und den plumpen Händen kein Mörder
war.
»Wir wollen dir helfen«,
flüsterte Athelstan, stand auf und lehnte sich an den Tisch. Cranston
stellte sich mit dem Rücken zur Tür. »Du mußt uns
nur die Wahrheit sagen.«
Immer noch schniefend schaute
der Mann zu Boden, und seine Schultern bebten.
»Sir Gerard ist tot«,
jammerte er. »Und ich soll hängen. Sir, ich bin unschuldig -
und dabei hat der Tag so gut angefangen!«
»Dann beginne mit dem
Anfang«, drängte Athelstan. »Boscombe, der Regent hört
auf Sir John Cranston. Wenn du die Wahrheit sagst und deine Unschuld
beweist, dann hast du diese Zelle vielleicht heute abend schon wieder
verlassen.«
Der Gefangene blickte auf,
und Athelstan sah Hoffnung flackern in den dunklen, tränennassen
Augen des Amtmannes.
»Der Tag fing
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