Der Zorn Gottes
treiben würde. Im Geiste durchkämmte er alle Möglichkeiten,
bis ihm die Lider schwer wurden. Er versank in einen unruhigen Schlaf, und
immer wieder plagte ihn ein Alptraum, in dem er im Mondschein im Garten
des Rathauses saß.
Er saß da, wo Mountjoy
gesessen hatte, und sah, wie der Mörder sich hinter den Zaunpfählen
bewegte. Er wollte aufstehen, merkte aber, daß er angebunden war und
sich nicht rühren konnte. Er wußte, daß der Mörder
zuschlagen würde. Dann drehte Athelstan sich um, weil er jemanden
neben sich spürte, und erblickte die grauen Gesichter und rotgeränderten
Augen einer Reihe von Leichen: Mountjoy, Fitzroy und Sarah Hobden. Auf
einer Stange mitten im Garten aber stak der abgeschlagene Kopf
des französischen Piraten Jacques le Roux. Die Leichen drängten
sich mit aufgerissenen Mündern um ihn; Athelstan wollte sie
wegschieben, wagte aber nicht, den Mörder, der hinter dem Zaun
lauerte, aus den Augen zu lassen.
Endlich erwachte er, schweißgebadet
und stöhnend. Er atmete tief durch, um sein pochendes Herz zu
beruhigen, und schaute aus dem Fenster. Der Himmel war bereits rötlich,
und so stand er auf, wusch sich, zog sich an und ging dann hinunter in die
Küche, um etwas zu essen.
Nach einer Weile verblaßten
die Schrecken der Nacht; er saß mit Bonaventura auf dem Schoß
vor dem neu entfachten Feuer und wiegte sich sanft auf dem Stuhl. Schließlich
wandte er sich wieder dem Schreiben zu, langsam erst, doch dann immer
energischer und schneller, und er verfaßte das, was er seine
Anklageschrift gegen den Mörder nannte.
Draußen erwachten die Vögel,
sie schwirrten umher und sangen; die Sonne stieg höher und wurde kräftiger.
Athelstan legte die Feder aus der Hand und ging hinüber in die
Kirche, um die Messe zu lesen. Niemand kam. Crim platzte mit verquollenen
Augen zur Tür herein, als er fertig war, entschuldigte sich lautstark
und berichtete, daß die beiden Familien Watkin und Pike am
vergangenen Abend die bevorstehende Verlobung gefeiert hätten.
Athelstan versicherte ihm, daß alles in Ordnung sei, nahm einen
Penny aus seiner Börse und führte Crim hinaus in den Vorraum der
Kirche.
»Du kennst den Lord
Coroner, Crim?«
»Den alten
Pferdezermalmer?«
»Na, Crim!«
»Ja, Pater, ich kenne
den Lord Coroner, und ich weiß, wo er wohnt.«
»Nun, dann geh zu ihm
und richte ihm aus, daß ich im ›Heiligen Lamm Gottes‹
auf ihn warte.« Athelstan machte eine Pause. »Ja, sobald der
Markt beginnt. Sag ihm außerdem, er soll Lord Gaunt und die anderen
Edlen bitten, uns gegen Mittag im Rathaus zu erwarten.« Er drückte
dem Jungen den Penny in die schmutzige Hand und ließ sich die
Nachricht dreimal wiederholen. Crim tat es gehorsam und schloß dabei
konzentriert die Augen. Dann rannte er wie ein Hase durch die Gasse davon.
Athelstan ging in die Kirche
zurück und hockte sich am Fuße einer Säule nieder. Er würde
froh sein, wenn diese Sache erledigt wäre. Hoffentlich hatte er
recht. Er hatte gewisse Beweise, aber nicht genug; das käme erst,
wenn alle im Rathaus versammelt wären, auch wenn er dann würde
gestehen müssen, daß die Identität des Ira Dei ein
Geheimnis war, das ihm weiterhin verschlossen blieb.
Athelstan schaute sich in der
Kirche um. Allmählich mußte er wirklich wieder seine vernachlässigten
Gemeindegeschäfte in die Hand nehmen. Huddle hatte das Bild über
dem Taufbrunnen nicht fertiggemalt und Cecily schon seit Tagen die Kirche
nicht geputzt. Athelstan schloß die Augen. Wenn er doch jemanden
überreden könnte, buntes Glas für eines der Fenster zu
bezahlen, für ein strahlendes Bild wie die in den von reichen
Patronen geförderten Kirchen in London, eine Geschichte aus dem Leben
Jesu oder vielleicht auch des Hl. Erconwald, in vielen Einzelheiten
abgebildet, so daß er sich in seinen Predigten darauf beziehen
konnte.
Seine Gedanken schweiften ab.
Hoffentlich war Elizabeth Hobden bei den Minoritinnen sicher - und ob
Cranston wohl den Haftbefehl gegen ihren Vater und ihre Stiefmutter
ausgestellt hatte? Seufzend stand Athelstan auf, kehrte
ins Pfarrhaus zurück, räumte den Tisch ab, packte die
Schreibutensilien in die Ledertasche und ging in den Stall, um den
ziemlich mißmutigen Philomel zu satteln.
Vorbei an den niedrigen Hütten,
in denen viele seiner Pfarrkinder wohnten, ritt er zur London Bridge
hinunter. Er widerstand der
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