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Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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treiben würde. Im Geiste durchkämmte er alle Möglichkeiten,
     bis ihm die Lider schwer wurden. Er versank in einen unruhigen Schlaf, und
     immer wieder plagte ihn ein Alptraum, in dem er im Mondschein im Garten
     des Rathauses saß.
    Er saß da, wo Mountjoy
     gesessen hatte, und sah, wie der Mörder sich hinter den Zaunpfählen
     bewegte. Er wollte aufstehen, merkte aber, daß er angebunden war und
     sich nicht rühren konnte. Er wußte, daß der Mörder
     zuschlagen würde. Dann drehte Athelstan sich um, weil er jemanden
     neben sich spürte, und erblickte die grauen Gesichter und rotgeränderten
     Augen einer Reihe von Leichen: Mountjoy, Fitzroy und Sarah Hobden. Auf
     einer Stange mitten im Garten aber stak der abgeschlagene Kopf
     des französischen Piraten Jacques le Roux. Die Leichen drängten
     sich mit aufgerissenen Mündern um ihn; Athelstan wollte sie
     wegschieben, wagte aber nicht, den Mörder, der hinter dem Zaun
     lauerte, aus den Augen zu lassen.
    Endlich erwachte er, schweißgebadet
     und stöhnend. Er atmete tief durch, um sein pochendes Herz zu
     beruhigen, und schaute aus dem Fenster. Der Himmel war bereits rötlich,
     und so stand er auf, wusch sich, zog sich an und ging dann hinunter in die
     Küche, um etwas zu essen.
    Nach einer Weile verblaßten
     die Schrecken der Nacht; er saß mit Bonaventura auf dem Schoß
     vor dem neu entfachten Feuer und wiegte sich sanft auf dem Stuhl. Schließlich
     wandte er sich wieder dem Schreiben zu, langsam erst, doch dann immer
     energischer und schneller, und er verfaßte das, was er seine
     Anklageschrift gegen den Mörder nannte.
    Draußen erwachten die Vögel,
     sie schwirrten umher und sangen; die Sonne stieg höher und wurde kräftiger.
     Athelstan legte die Feder aus der Hand und ging hinüber in die
     Kirche, um die Messe zu lesen. Niemand kam. Crim platzte mit verquollenen
     Augen zur Tür herein, als er fertig war, entschuldigte sich lautstark
     und berichtete, daß die beiden Familien Watkin und Pike am
     vergangenen Abend die bevorstehende Verlobung gefeiert hätten.
     Athelstan versicherte ihm, daß alles in Ordnung sei, nahm einen
     Penny aus seiner Börse und führte Crim hinaus in den Vorraum der
     Kirche.
    »Du kennst den Lord
     Coroner, Crim?«
    »Den alten
     Pferdezermalmer?«
    »Na, Crim!«
    »Ja, Pater, ich kenne
     den Lord Coroner, und ich weiß, wo er wohnt.«
    »Nun, dann geh zu ihm
     und richte ihm aus, daß ich im ›Heiligen Lamm Gottes‹
     auf ihn warte.« Athelstan machte eine Pause. »Ja, sobald der
     Markt beginnt. Sag ihm außerdem, er soll Lord Gaunt und die anderen
     Edlen bitten, uns gegen Mittag im Rathaus zu erwarten.« Er drückte
     dem Jungen den Penny in die schmutzige Hand und ließ sich die
     Nachricht dreimal wiederholen. Crim tat es gehorsam und schloß dabei
     konzentriert die Augen. Dann rannte er wie ein Hase durch die Gasse davon.
    Athelstan ging in die Kirche
     zurück und hockte sich am Fuße einer Säule nieder. Er würde
     froh sein, wenn diese Sache erledigt wäre. Hoffentlich hatte er
     recht. Er hatte gewisse Beweise, aber nicht genug; das käme erst,
     wenn alle im Rathaus versammelt wären, auch wenn er dann würde
     gestehen müssen, daß die Identität des Ira Dei ein
     Geheimnis war, das ihm weiterhin verschlossen blieb.
    Athelstan schaute sich in der
     Kirche um. Allmählich mußte er wirklich wieder seine vernachlässigten
     Gemeindegeschäfte in die Hand nehmen. Huddle hatte das Bild über
     dem Taufbrunnen nicht fertiggemalt und Cecily schon seit Tagen die Kirche
     nicht geputzt. Athelstan schloß die Augen. Wenn er doch jemanden
     überreden könnte, buntes Glas für eines der Fenster zu
     bezahlen, für ein strahlendes Bild wie die in den von reichen
     Patronen geförderten Kirchen in London, eine Geschichte aus dem Leben
     Jesu oder vielleicht auch des Hl. Erconwald, in vielen Einzelheiten
     abgebildet, so daß er sich in seinen Predigten darauf beziehen
     konnte.
    Seine Gedanken schweiften ab.
     Hoffentlich war Elizabeth Hobden bei den Minoritinnen sicher - und ob
     Cranston wohl den Haftbefehl gegen ihren Vater und ihre Stiefmutter
     ausgestellt hatte? Seufzend stand Athelstan auf, kehrte
     ins Pfarrhaus zurück, räumte den Tisch ab, packte die
     Schreibutensilien in die Ledertasche und ging in den Stall, um den
     ziemlich mißmutigen Philomel zu satteln.
    Vorbei an den niedrigen Hütten,
     in denen viele seiner Pfarrkinder wohnten, ritt er zur London Bridge
     hinunter. Er widerstand der

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