Der Zorn Gottes
John. Vielleicht hatte sie einen Verdacht, und
damit war die Saat gelegt.« Athelstan blies die Wangen auf. »Weiß
der Himmel, was dann geschah. Ihr ganzes Leben drehte sich um die
Tatsache, daß ihre Mutter vergiftet worden war, und so verbündete
sie sich mit der alten Amme. Vielleicht verstand diese ja auch etwas von
Arzneien. Egal wie, sie dachten sich ein kleines Spiel aus, um den
willensschwachen Walter zum Bekenntnis oder wenigstens zur Reue zu
zwingen. Aber was fangen wir jetzt an, Sir John?«
»Oh, ich lasse sie ein
paar Tage in ihrem eigenen Saft schmoren. Unterdessen werde ich das Mädchen
bei den Minoritinnen besuchen.«
»Danke, Sir John. Und
dann?«
»Wie gesagt: Dann gehe
ich nach Hause und erlasse auf meinen Eid einen Haftbefehl gegen Walter
und Eleanor Hobden. Meine Konstabier können ihn zustellen, und ehe
sie viel älter sind, werden die Hobdens vor den königlichen
Richtern in Westminster stehen.«
Athelstan dankte ihm noch
einmal und versprach dem Coroner, das ganze Beweismaterial zu den
Rathausmorden gründlich zu studieren. Dann trennten sie sich; Cranston ging zu den
Minoritinnen, und Athelstan hinunter zur London Bridge.
*
»Ite missa est.«
Segnend streckte Athelstan die Hand aus; die Sonntagsmesse war zu Ende. Er
lächelte, als seine Pfarrkinder, die doch kaum Latein konnten, zurückbrüllten:
»Deo gratias!«
Athelstan stieg die
Altarstufen hinunter, beugte das Knie und folgte Crim in die Sakristei.
Dann kam er wieder heraus, stellte sich in den Vorraum und schüttelte
seinen Gemeindemitgliedern die Hände, als sie hinausgingen. Watkin
und Pike, der Grabenbauer, blieben da, wie er sie vor der Messe gebeten
hatte. Er verabschiedete Ranulf, den Rattenfänger, der immer noch
strahlte, weil er Cranston geholfen hatte, Pemel, die Flamin, Ursula und
ihre Sau, Tab, den Kesselflicker und die Kurtisane Cecily, die prachtvoll
aussah in ihrem weizengelben Kleid.
»Du hast dich anständig
benommen?« fragte Athelstan sie.
»Selbstverständlich,
Pater!«
Also geschehen doch Wunder in
Southwark, dachte er. Als letzter ging Jacob Arveid, der Deutsche, mit
seiner hübschen Frau und seiner Kinderschar. Der Deutsche war ein
fleißiger Pergamenthändler, der sich schon nach kurzer Zeit in
einem schönen dreigeschossigen Haus mit Garten hinter dem Stadtpalast
des Bischofs von Westminster eingerichtet hatte, allerdings immer noch
Schwierigkeiten mit der Sprache hatte.
»Das waren hübsche
Worte«, versicherte er Athelstan jetzt. »Eine sehr genaue
Predigt. Ich danke Euch vom Herzen meines Grundes.«
»Meinst du nicht, vom
Grunde deines Herzens?«
»Von da auch, Pater.«
Athelstan lächelte und
sah zu, wie seine Gemeinde sich in der Gasse vor einem kleinen Stand
versammelte, wo Tab, der Kesselflicker, Ale und Süßigkeiten
verkaufte. Er ging durch die Kirche zurück in die Sakristei, wo ihn
Watkin mit seiner furchterregenden Frau und Pike, der Grabenbauer, mit
seiner gleichermaßen beeindruckenden Gattin erwarteten.
Oh Herr, betete Athelstan,
bitte laß es friedlich abgehen. Er warf Pike, mit dem er sich vor
der Messe heimlich getroffen hatte, einen kurzen Blick zu. Der
Grabenbauer, der sich in des Priesters Schuld sah, hatte rasch zugestimmt,
daß die Verlobung seines Sohnes mit der Tochter Watkins die beste Lösung
sei. Dann hatte er aufmerksam zugehört, als Athelstan ihm eingeschärft
hatte, was er sagen solle, wenn sie mit Watkin zusammenkämen.
»Nun, hier sind wir,
Pater.« Watkin scharrte mit den großen, schmutzigen Stiefeln.
»Ich weiß, weshalb Ihr uns sprechen wollt, wenn wir auch
anscheinend als letzte gemerkt haben, daß unsere Tochter in Pikes
Bengel verschossen ist.«
»Ein junger Mann«,
widersprach Pikes Frau.
»Mir gefällt das
überhaupt nicht«, meldete sich Pike zu Wort. »Ich sehe in
dieser Verlobung keine Zukunft. Mein Sohn sollte sich weiter umschauen.«
»Was ist denn an meiner
Tochter auszusetzen?« zischte Watkins Frau. »Meinst du, dein
Sohn ist zu gut für sie?«
Athelstan lächelte bei
sich, schwieg und sah zu, wie Watkin und seine Frau Pike erbittert
angriffen. Danach gab es kaum noch Probleme. Erst entschuldigte Pike sich
widerstrebend, und dann willigte er - anscheinend ebenso widerstrebend -
ein, den Streit beizulegen; sein Sohn würde Watkins Tochter am ersten Sonntag nach Ostern heiraten. Alle
gingen hinüber ins
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