Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Zorn Gottes

Der Zorn Gottes

Titel: Der Zorn Gottes
Autoren: Paul Harding
Vom Netzwerk:
werde auf meinen
     Eid nehmen, was wir hier gesehen haben«, sagte der Arzt, »und
     Sir John und Ihr ebenfalls. Das wird jeden Richter zufriedenstellen.«
    »Wenn das so ist«,
     sagte Athelstan und schlug ein Kreuz über dem Leichnam, »dann möge
     sie ruhen in Frieden - jetzt, da Gottes Gerechtigkeit und der Wille des Königs
     geschehen werden.«
    Zusammen mit Cranston
     verschloß er den Sarg wieder, und die Arbeiter begruben ihn erneut.
     Nachdem sie sich bei dem schläfrigen Pfarrer Odo und bei Master de
     Troyes bedankt hatten, wanderten Cranston und Athelstan langsam durch die
     Ropery zur Bridge Street hinunter. Die Seiler in diesem Viertel, die mit
     Zelten, Bindfaden, Hanf und Flachs handelten, hatten ihre Stände
     abgeräumt. Ein Straßenmusiker spielte den Dudelsack, und eine
     betrunkene Hure hüpfte dazu in einem wahnwitzigen Tanz herum. Die
     Bettler, die echten wie die berufsmäßigen, krochen aus ihren
     Verstecken und streckten die Hände nach Almosen aus, während
     eine kleine alte Frau mit verschlissener Segeltuchtasche geschäftig
     die Müllhaufen durchwühlte.
    Die Schenken waren voll von Händlern,
     die das Ende der Arbeitswoche feierten, aber nach dem gespenstischen
     Friedhof und dem Bösen, das er dort gesehen hatte, war Athelstan müde
     und deprimiert. Aus einem Fenster über sich hörte er ein Baby
     schreien, und eine junge Frau fing an, ein Schlaflied zu singen; sanft und
     süß klang es in der warmen Abendluft.
    »Wir sind von Sünde
     umgeben, Sir John«, bemerkte Athelstan düster. »Wohin wir
     auch schauen, sehen wir allenthalben die Augen von Raubtieren, wie im
     finstersten Walde.«
    Cranston rülpste,
     streckte sich und schlug dem Bruder auf die Schulter.
    »Aye, Bruder, aber die
     bösen Kerle können auch unsere Augen sehen. Kopf hoch, Bruder.
     Der Mord liegt uns allen im Blut. Du hast es selbst gesagt: die Inghams,
     die blutige Geschichte im Rathaus, und jetzt die Hobdens. Aber das Leben
     besteht nicht nur daraus. Hör doch, wie die Mutter für ihr Kind
     singt. Oder wie die Freunde dort in der Schenke miteinander lachen. Was du
     brauchst, Bruder, sind ein Becher Rotwein und ein gutes Weib.«
     Cranston grinste. »Oder vielleicht, in deinem Fall, ein ganz
     schlechtes!«
    Athelstan erwiderte das Lächeln,
     wurde dann aber wieder ernst. »Was fangen wir mit den Hobdens an?
     Wir können nicht beweisen, daß sie Sarah ermordet haben.«
    »Oh, um Himmels willen,
     Bruder, du denkst nicht mehr klar. Ich kann durchaus beweisen, daß
     sie es getan haben. Dieses Biest Eleanor hat doch in meiner Gegenwart
     zugegeben, daß sie die kranke Frau versorgt hat. Wer sonst wäre
     an sie herangekommen? Weißt du, was ich glaube, mein guter Mönch?«
     Cranston nahm noch einen Schluck aus seinem Weinschlauch. »Walter
     Hobden ist ein Schlappschwanz, dem diese entzückende Eleanor über
     den Weg lief und der sich in sie verliebte. Die beiden steckten die Köpfe
     zusammen. Walter fing an, seiner armen Frau ein paar Gran Arsen zu
     verabreichen. Sie wurde krank, und die liebste Eleanor wurde ins Haus
     geholt, um sie zu pflegen. Die Vergiftung geht Schritt für Schritt
     weiter.«
    »Hätte ein Arzt
     nichts bemerkt?«
    »Eigentlich nicht.
     Zunehmende Magenkrämpfe, Kraftlosigkeit… außerdem können
     die meisten Ärzte ihren eigenen Arsch nicht von ihrem Ellbogen
     unterscheiden!« Cranston kratzte sich die rote Glatze. »Das
     große Geheimnis, Bruder, ist: Wieso wußte das Mädchen
     davon? Sie wußte nicht nur, daß ihre Mutter vergiftet wurde,
     sondern sie kannte sogar das Gift, das dazu benutzt wurde. Hat sie nicht
     gesagt, ihre Mutter habe es ihr im Traum erzählt?«
    Athelstan nickte; ihn fröstelte
     in der kalten Brise, die vom Fluß heraufwehte.
    »Glaubst du das?«
     drängte Cranston.
    »Sir John, jeden Morgen
     nehme ich ein Stück Brot und verwandele es dem Glauben gemäß
     in den auferstandenen Leib Christi. Das glaube ich. Ein Kind wurde geboren
     in Bethlehem, das Mensch und Gott zugleich ist, und das glaube ich. Dieses
     Kind wächst zum Manne heran, der gekreuzigt wird und glorreich von
     den Toten aufersteht, und auch das glaube ich.« Athelstan schaute
     den Coroner an. »Und man lehrt mich, daß der Geist Gottes
     weht, wo er will, und daß Gottes Gerechtigkeit geschehen wird. Und
     wenn ich all das glauben kann, Mylord Coroner, dann kann ich auch die
     Geschichte der jungen Elizabeth glauben. Der menschliche Geist ist ein
     feinsinniges Ding, Sir
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher