Der Zorn Gottes
werde auf meinen
Eid nehmen, was wir hier gesehen haben«, sagte der Arzt, »und
Sir John und Ihr ebenfalls. Das wird jeden Richter zufriedenstellen.«
»Wenn das so ist«,
sagte Athelstan und schlug ein Kreuz über dem Leichnam, »dann möge
sie ruhen in Frieden - jetzt, da Gottes Gerechtigkeit und der Wille des Königs
geschehen werden.«
Zusammen mit Cranston
verschloß er den Sarg wieder, und die Arbeiter begruben ihn erneut.
Nachdem sie sich bei dem schläfrigen Pfarrer Odo und bei Master de
Troyes bedankt hatten, wanderten Cranston und Athelstan langsam durch die
Ropery zur Bridge Street hinunter. Die Seiler in diesem Viertel, die mit
Zelten, Bindfaden, Hanf und Flachs handelten, hatten ihre Stände
abgeräumt. Ein Straßenmusiker spielte den Dudelsack, und eine
betrunkene Hure hüpfte dazu in einem wahnwitzigen Tanz herum. Die
Bettler, die echten wie die berufsmäßigen, krochen aus ihren
Verstecken und streckten die Hände nach Almosen aus, während
eine kleine alte Frau mit verschlissener Segeltuchtasche geschäftig
die Müllhaufen durchwühlte.
Die Schenken waren voll von Händlern,
die das Ende der Arbeitswoche feierten, aber nach dem gespenstischen
Friedhof und dem Bösen, das er dort gesehen hatte, war Athelstan müde
und deprimiert. Aus einem Fenster über sich hörte er ein Baby
schreien, und eine junge Frau fing an, ein Schlaflied zu singen; sanft und
süß klang es in der warmen Abendluft.
»Wir sind von Sünde
umgeben, Sir John«, bemerkte Athelstan düster. »Wohin wir
auch schauen, sehen wir allenthalben die Augen von Raubtieren, wie im
finstersten Walde.«
Cranston rülpste,
streckte sich und schlug dem Bruder auf die Schulter.
»Aye, Bruder, aber die
bösen Kerle können auch unsere Augen sehen. Kopf hoch, Bruder.
Der Mord liegt uns allen im Blut. Du hast es selbst gesagt: die Inghams,
die blutige Geschichte im Rathaus, und jetzt die Hobdens. Aber das Leben
besteht nicht nur daraus. Hör doch, wie die Mutter für ihr Kind
singt. Oder wie die Freunde dort in der Schenke miteinander lachen. Was du
brauchst, Bruder, sind ein Becher Rotwein und ein gutes Weib.«
Cranston grinste. »Oder vielleicht, in deinem Fall, ein ganz
schlechtes!«
Athelstan erwiderte das Lächeln,
wurde dann aber wieder ernst. »Was fangen wir mit den Hobdens an?
Wir können nicht beweisen, daß sie Sarah ermordet haben.«
»Oh, um Himmels willen,
Bruder, du denkst nicht mehr klar. Ich kann durchaus beweisen, daß
sie es getan haben. Dieses Biest Eleanor hat doch in meiner Gegenwart
zugegeben, daß sie die kranke Frau versorgt hat. Wer sonst wäre
an sie herangekommen? Weißt du, was ich glaube, mein guter Mönch?«
Cranston nahm noch einen Schluck aus seinem Weinschlauch. »Walter
Hobden ist ein Schlappschwanz, dem diese entzückende Eleanor über
den Weg lief und der sich in sie verliebte. Die beiden steckten die Köpfe
zusammen. Walter fing an, seiner armen Frau ein paar Gran Arsen zu
verabreichen. Sie wurde krank, und die liebste Eleanor wurde ins Haus
geholt, um sie zu pflegen. Die Vergiftung geht Schritt für Schritt
weiter.«
»Hätte ein Arzt
nichts bemerkt?«
»Eigentlich nicht.
Zunehmende Magenkrämpfe, Kraftlosigkeit… außerdem können
die meisten Ärzte ihren eigenen Arsch nicht von ihrem Ellbogen
unterscheiden!« Cranston kratzte sich die rote Glatze. »Das
große Geheimnis, Bruder, ist: Wieso wußte das Mädchen
davon? Sie wußte nicht nur, daß ihre Mutter vergiftet wurde,
sondern sie kannte sogar das Gift, das dazu benutzt wurde. Hat sie nicht
gesagt, ihre Mutter habe es ihr im Traum erzählt?«
Athelstan nickte; ihn fröstelte
in der kalten Brise, die vom Fluß heraufwehte.
»Glaubst du das?«
drängte Cranston.
»Sir John, jeden Morgen
nehme ich ein Stück Brot und verwandele es dem Glauben gemäß
in den auferstandenen Leib Christi. Das glaube ich. Ein Kind wurde geboren
in Bethlehem, das Mensch und Gott zugleich ist, und das glaube ich. Dieses
Kind wächst zum Manne heran, der gekreuzigt wird und glorreich von
den Toten aufersteht, und auch das glaube ich.« Athelstan schaute
den Coroner an. »Und man lehrt mich, daß der Geist Gottes
weht, wo er will, und daß Gottes Gerechtigkeit geschehen wird. Und
wenn ich all das glauben kann, Mylord Coroner, dann kann ich auch die
Geschichte der jungen Elizabeth glauben. Der menschliche Geist ist ein
feinsinniges Ding, Sir
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