Der Zorn Gottes
Regent ließ alle
Etikette beiseite und lud sie nicht einmal ein, Platz zu nehmen. Verächtlich
musterte er den kleinen Waffenschmied. Simon war derart überwältigt
von der Gegenwart so erhabener Persönlichkeiten, daß er gar
nicht aufhören konnte, sich zu bücken und zu verbeugen, bis
Cranston ihm zuzischte, er solle bei der Tür warten und stillstehen.
»Ihr habt uns etwas zu
berichten, Mylord Coroner?«
»Ja, Euer Gnaden.«
Gaunt spielte mit den
Ledertroddeln an seinem teuren gesteppten Wams. Athelstan sah, daß
der Regent sich auf einen Vormittag der Jagd
in den Feldern und Sümpfen nördlich von Clerkenwell gefreut
hatte. Hussey war diplomatisch wie stets, freundlich, aber still. Clifford
rieb sich nachdenklich die verletzte Schulter, und die Gildeherren
benahmen sich wie eine Meute Jagdhunde. Goodman, der Bürgermeister,
trommelte auf dem Tisch, Sudbury und die übrigen schienen arrogant
und verärgert, weil man sie von ihren morgendlichen Geschäften
abgehalten hatte.
»Nun?« schnappte
Goodman. »Wir sind vielbeschäftigte Männer, Sir John!«
»Das bin ich auch,
Mylord Bürgermeister.«
»Ihr kommt eher, als
wir dachten«, schnarrte Sudbury. »Habt Ihr unser Gold?«
Cranston schüttelte den
Kopf.
»Habt Ihr Ira Dei
verhaftet?«
»Nein.«
Gaunt beugte sich vor und lächelte
falsch. »Warum in Gottes Namen sind wir dann hier, Sir John?«
»Vielleicht, um einen Mörder
zu verhaften, Euer Gnaden. Alle Ausgänge des Rathauses sind zu
sichern.«
Gaunt starrte ihn an, und ein
Funken von Interesse erwachte in seinem Auge, als ihm klar wurde, daß
dies keine gewöhnliche Versammlung war.
»Ihr habt also etwas
entdeckt, wie?« sagte er leise. »Ihr und Euer kleiner Bruder.«
Die Atmosphäre im
Rathaus änderte sich dramatisch. Die hatten uns als Versager abgetan,
begriff Athelstan. Diese arroganten Falken meinten, der fette Coroner und
sein verstaubter Ordensbruder seien zu dämlich, um die Wahrheit
herauszufinden. Er holte tief Luft, um seinen Arger zu beherrschen. Gaunt
lehnte sich zurück und spreizte die Hände.
»Sir John, in dieser
Sache sind wir Eure Gefangenen.« Er warf einen wütenden Blick
über die Schulter und brüllte einem Hauptmann der Garde an der
Wand hinter sich zu: »Sichert das Rathaus! Niemand darf herein oder
heraus, bis ich es sage!« Er sah Cranston an. »Was braucht Ihr
sonst noch, Mylord Coroner?«
Statt dessen ergriff
Athelstan das Wort. »Ich möchte, daß die Bankettafel so
gedeckt wird wie an dem Abend, als Fitzroy starb.«
Gaunt nickte. »Und was
noch?«
»Ich möchte, daß
man Kissen und Polster dorthin legt, wo der Sheriff, Sir Gerard Mountjoy,
gesessen hat. Und der Garten muß geräumt werden.«
Gaunt lächelte. »Und
schließlich?«
»Ich wäre Euch
dankbar, wenn Ihr alle hierbleiben wolltet, bis ich und Sir John fertig
sind, Euer Gnaden.«
Protestgemurmel erhob sich,
aber Gaunt schlug schweigengebietend mit der flachen Hand auf den Tisch.
Er war rot im Gesicht.
»Vor wenigen Tagen«,
schrie er, »kam ich in dieses Rathaus, um eine Freundschaftspakt mit
der Stadt zu unterzeichnen. Der Tod der Herren Fitzroy, Mountjoy und
Sturmey hat dem ein Ende gemacht. Ihr Herren, Ihr werdet nun warten, bis
diese Sache erledigt ist.« Er deutete mit dem Finger auf Cranston.
»Und Euch, Lord Coroner, gnade Gott, wenn Ihr meine Zeit
verschwendet.«
Die Diener wurden
herbeigerufen. Gaunt gab ihnen seine Anweisungen. Athelstan führte
Cranston und den zitternden Waffenschmied die Treppe hinunter und hinaus
in den kleinen überdachten Gang zwischen der Küche und dem
Rathaus. Er versuchte, seine Erregung zu zügeln, als er durch die Lücken
in den Zaunpfählen spähte und
sah, wie die Diener befehlsgemäß Kissen und Polster auf der
Rasenbank aufbauten. Von seinem Platz aus konnte er durch die Zaunlücken
deutlich sehen, daß sie sich da türmten, wo Sir Gerard ermordet
worden war. Er wartete, bis die Diener ins Rathaus zurückgekehrt
waren; dann lächelte er dem Waffenschmied zu.
»So, Simon, jetzt habt
Ihr Gelegenheit, zu beweisen, daß unsere Theorie stimmt.«
Der Waffenschmied stellte
seinen Sack auf den Boden und nahm eine kleine Armbrust heraus. Die Rinne,
in der man den Bolzen einlegte, war eigens verbreitert worden. Als nächstes
förderte er einen langen Dolch zutage, ähnlich dem, der in
Mountjoys Brust gesteckt hatte.
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