Der Zuckerkreml
einem schlecht wird. Neulich tauchte er zum Abiturfest
an unserer Schule auf, vorher muss er irgendwas geschluckt haben, um Mut zu fassen,
forderte eine Zehntklässlerin zum Tanz auf und hatte wie immer seine Maschine unterm
Hemd an der Brust kleben, aus der er mitten im Tanzen plötzlich bunte Blasen steigen
ließ mit allem möglichen Quatsch darin: Affen, Waldgeister und aller Tinnef. Die
Zehntklässlerin hat laut gequietscht vor Schreck. Man hat ihn als Unruhestifter und
Schweinigel abgeführt. Und dabei ist er kein Kind mehr! Zweiunddreißig ist das
Rindvieh, und immer noch nichts alsFlausen im Kopf. Zu Lichtmess,
stell dir vor, haben er, Rudakow und Aschkijanez sich in der Kneipe am Bahnhof
zusammengerottet und irgendwelche Handwerksburschen überredet, eine Prügelei mit den
Vietnamesen anzufangen. Die haben sie mit ihren Nunchakus empfangen, von denen
Aschkijanez nun zwei Löcher im Kopf hat und Rudakow ein halb abgerissenes Ohr.
So geht’s zu bei uns, Sonetschka, so schlägt und verträgt
man sich.
An Hausbauneuigkeiten gibt es nur eine zu vermelden: Wir
haben endlich eine zweite Terrasse angebaut. Sie ist schön lang und breit geraten,
man könnte dort tanzen. So werden wir im Sommer auf der kleinen Terrasse frühstücken
und auf die große Gäste zum Essen einladen können. Mama hat rundherum Flieder und
Jasmin gesetzt und wilden Wein unter die Säulen gesteckt. Das wird hübsch werden!
Zso und Du, wenn Ihr erst da seid, könnt Euch auf der neuen Terrasse unter
Fliederzweigen küssen!
Aber davon abgesehen, mal ein klares Wort unter Töchtern:
Hast Du sie eigentlich noch alle, Du Armleuchter? Auf einen Brief vom Schwesterlein
zu antworten scheint für Dich, ich weiß nicht was, eine Riesenanstrengung zu sein!
Öfter als einmal pro Monat fällt’s Dir nicht ein, geruhst Du Dich nicht
herabzulassen dazu. Und wenn Du schon mal schreibst, dann nur wie gezwungenermaßen,
als lästige Pflicht: Grüß Dich, Praskowja, auf Wiedersehn, Praskowja, mit herzlichem
Gruß. Was ist bloß in Dich gefahren? Es will mir einfach nicht in den Kopf! Die
ersten drei Jahre immerhin hast Du ausführlich geschrieben, hast ordentlich was
abgeladen. Und jetzt bloß noch: hallo und tschüss. Das finde ich komisch,
Schwesterherz. Gar nicht wie zwischen nahen Verwandten. Früher, da haben wir doch
voreinander ausgepackt bis ins Kleinste, uns alles erzählt, nichts ausgelassen – waseinem so im Kopf rumging und was man auf dem Herzen hatte, da
war keine Heimlichtuerei, es gab ja auch nichts zu verheimlichen, und wenn doch,
dann taten wir es trotzdem nicht, das wäre ja auch noch schöner gewesen, unter
Schwestern. Vor den anderen – gut, aber voreinander hatten wir keine Hemmungen. Aber
jetzt stellst du Dich sonst wie an: hallo und tschüss, Schwester Praskowja. Hat die
Liebe Dich denn so vernagelt, dass alle Verwandtschaftsgefühle flöten gegangen sind?
Oder nimmt die Familie Dich so in Anspruch, dass keine Zeit mehr bleibt, irgendwas
in die Tasten zu hauen? Sollte Letzteres der Fall sein, dann bist Du doppelt und
dreifach ein Armleuchter. Im Falle von Ersterem … Versteh mich recht, Sonni, ich
möchte mich nicht in Dein süßes Ananasleben drängeln, ich bin ein gescheites Mädchen
und weiß, die Familie geht vor, so steht es ja auch ehern geschrieben als Gebot für
alle Neuvermählten: »und das Weib soll an seinem Manne hangen«. Gesetz ist Gesetz.
Das Familienleben ist ein Mysterium, es geht nur ihn und sie was an, wie Vater Juri
bei Hochzeiten zu sagen pflegt, wenn er das Glas für die Jungvermählten erhebt. Ihr
habt also Eure kleinen Geheimnisse, wer hätte sie nicht? Gut, dass Ihr sie habt! Zum
Beispiel die Maria Abramowa, der hat ihre Schwester gesteckt, dass ihr Mann sie
mehrfach zur sodomitischen Sünde genötigt habe, auch so was kommt vor. Diese Eure
Geheimnisse muss ich nicht wissen, danach frage ich nicht, jede Familie hat ihre
eigenen. Oder vielleicht habt Ihr gar keine – auch gut! Nicht darum geht es mir,
Sonja. Ich erwarte keine Geheimnisse von dir, keine pikanten Einzelheiten aus Eurem
Eheleben. Was ich erwarte, ist ein einfaches Gespräch von Herz zu Herz, Schwester zu
Schwester, ein gutes, aufrichtiges, warmherziges Gespräch, so wie frühereben. Damit meine Schwester, entfleucht in dieses schlitzäugige
Chabarowsk, wenigstens meinem Herzen wieder naherückt! Mehr verlange ich gar nicht!
Was könnte ich
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