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Der Zuckerkreml

Der Zuckerkreml

Titel: Der Zuckerkreml Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Sorokin
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einem schlecht wird. Neulich tauchte er zum Abiturfest
     an unserer Schule auf, vorher muss er irgendwas geschluckt haben, um Mut zu fassen,
     forderte eine Zehntklässlerin zum Tanz auf und hatte wie immer seine Maschine unterm
     Hemd an der Brust kleben, aus der er mitten im Tanzen plötzlich bunte Blasen steigen
     ließ mit allem möglichen Quatsch darin: Affen, Waldgeister und aller Tinnef. Die
     Zehntklässlerin hat laut gequietscht vor Schreck. Man hat ihn als Unruhestifter und
     Schweinigel abgeführt. Und dabei ist er kein Kind mehr! Zweiunddreißig ist das
     Rindvieh, und immer noch nichts alsFlausen im Kopf. Zu Lichtmess,
     stell dir vor, haben er, Rudakow und Aschkijanez sich in der Kneipe am Bahnhof
     zusammengerottet und irgendwelche Handwerksburschen überredet, eine Prügelei mit den
     Vietnamesen anzufangen. Die haben sie mit ihren Nunchakus empfangen, von denen
     Aschkijanez nun zwei Löcher im Kopf hat und Rudakow ein halb abgerissenes Ohr.
    So geht’s zu bei uns, Sonetschka, so schlägt und verträgt
     man sich.
    An Hausbauneuigkeiten gibt es nur eine zu vermelden: Wir
     haben endlich eine zweite Terrasse angebaut. Sie ist schön lang und breit geraten,
     man könnte dort tanzen. So werden wir im Sommer auf der kleinen Terrasse frühstücken
     und auf die große Gäste zum Essen einladen können. Mama hat rundherum Flieder und
     Jasmin gesetzt und wilden Wein unter die Säulen gesteckt. Das wird hübsch werden!
     Zso und Du, wenn Ihr erst da seid, könnt Euch auf der neuen Terrasse unter
     Fliederzweigen küssen!
    Aber davon abgesehen, mal ein klares Wort unter Töchtern:
     Hast Du sie eigentlich noch alle, Du Armleuchter? Auf einen Brief vom Schwesterlein
     zu antworten scheint für Dich, ich weiß nicht was, eine Riesenanstrengung zu sein!
     Öfter als einmal pro Monat fällt’s Dir nicht ein, geruhst Du Dich nicht
     herabzulassen dazu. Und wenn Du schon mal schreibst, dann nur wie gezwungenermaßen,
     als lästige Pflicht: Grüß Dich, Praskowja, auf Wiedersehn, Praskowja, mit herzlichem
     Gruß. Was ist bloß in Dich gefahren? Es will mir einfach nicht in den Kopf! Die
     ersten drei Jahre immerhin hast Du ausführlich geschrieben, hast ordentlich was
     abgeladen. Und jetzt bloß noch: hallo und tschüss. Das finde ich komisch,
     Schwesterherz. Gar nicht wie zwischen nahen Verwandten. Früher, da haben wir doch
     voreinander ausgepackt bis ins Kleinste, uns alles erzählt, nichts ausgelassen – waseinem so im Kopf rumging und was man auf dem Herzen hatte, da
     war keine Heimlichtuerei, es gab ja auch nichts zu verheimlichen, und wenn doch,
     dann taten wir es trotzdem nicht, das wäre ja auch noch schöner gewesen, unter
     Schwestern. Vor den anderen – gut, aber voreinander hatten wir keine Hemmungen. Aber
     jetzt stellst du Dich sonst wie an: hallo und tschüss, Schwester Praskowja. Hat die
     Liebe Dich denn so vernagelt, dass alle Verwandtschaftsgefühle flöten gegangen sind?
     Oder nimmt die Familie Dich so in Anspruch, dass keine Zeit mehr bleibt, irgendwas
     in die Tasten zu hauen? Sollte Letzteres der Fall sein, dann bist Du doppelt und
     dreifach ein Armleuchter. Im Falle von Ersterem … Versteh mich recht, Sonni, ich
     möchte mich nicht in Dein süßes Ananasleben drängeln, ich bin ein gescheites Mädchen
     und weiß, die Familie geht vor, so steht es ja auch ehern geschrieben als Gebot für
     alle Neuvermählten: »und das Weib soll an seinem Manne hangen«. Gesetz ist Gesetz.
     Das Familienleben ist ein Mysterium, es geht nur ihn und sie was an, wie Vater Juri
     bei Hochzeiten zu sagen pflegt, wenn er das Glas für die Jungvermählten erhebt. Ihr
     habt also Eure kleinen Geheimnisse, wer hätte sie nicht? Gut, dass Ihr sie habt! Zum
     Beispiel die Maria Abramowa, der hat ihre Schwester gesteckt, dass ihr Mann sie
     mehrfach zur sodomitischen Sünde genötigt habe, auch so was kommt vor. Diese Eure
     Geheimnisse muss ich nicht wissen, danach frage ich nicht, jede Familie hat ihre
     eigenen. Oder vielleicht habt Ihr gar keine – auch gut! Nicht darum geht es mir,
     Sonja. Ich erwarte keine Geheimnisse von dir, keine pikanten Einzelheiten aus Eurem
     Eheleben. Was ich erwarte, ist ein einfaches Gespräch von Herz zu Herz, Schwester zu
     Schwester, ein gutes, aufrichtiges, warmherziges Gespräch, so wie frühereben. Damit meine Schwester, entfleucht in dieses schlitzäugige
     Chabarowsk, wenigstens meinem Herzen wieder naherückt! Mehr verlange ich gar nicht!
     Was könnte ich

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