Der Zuckerkreml
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alles kein Problem für Marfuscha.
Sie zog ihre gelbrote Drachenzahnbürste aus dem Becher und
erweckte sie zum Leben, füllteZahnelixier ein, schob sie sich in
den Mund. Der kleine Drache spritzte Minzfein auf die Zunge und machte sich fauchend über ihre Zähne her. Derweil
brachte Marfuscha den Flechtkamm in Stellung, der ihr, zuverlässig sein Werk
verrichtend, surrend durch die roten Haare fuhr. Was hatte Marfuscha für hübsches
Haar! Lang, glatt und seidig. Da fuhr der Kamm doch mit Freuden hindurch. Unten
angekommen, kehrte er zum Scheitel zurück und begann, ihr die Zöpfe zu flechten.
Indes hatte Marfuscha die Drachenbürste ausgespuckt, gespült und in den Becher
zurückgestellt. Noch einmal zwinkerte ihr der Zahnputzdrache mit seinem Feuerauge
zu, ehe er bis zum nächsten Morgen erstarrte.
Da rief es auch schon aus der Küche: »Marfuscha, stell den
Samowar auf!«
Das war die Großmutter, die dort rastlos herumfuhrwerkte.
»Gleich, Großmutter!«, rief Marfuscha zurück und trieb
ihren chinesischen Kamm zur Eile: »Kuai-yi-diar!« 1
Der Kamm surrte lauter, geschwinder glitten die weichen
Zinken durch ihr rotes Haar. Marfuscha suchte eine orangene Schleife aus sowie ein
Paar Schmuckkirschen und wartete, bis der Kamm sein Werk vollendet hatte; dann
huschte sie hinter die Trennwand, wo die Küche war.
Auch für den großen, anderthalb Eimer fassenden Samowar
kam Marfuscha sich nicht zu klein vor. Sie füllte ihn mit Wasser, entzündete ein
Stück Birkenrinde und warf es in den schwarzen Schlund. Obenauf kamen Kienäpfel, die
hatten sie mit der Klasse auf einem Ausflug nach Serebrjany Bor gesammelt. Drei
Säcke Kienäpfel in einer Woche, sie ganz allein! Das war für die Eltern eine große
Hilfe und für Mütterchen Moskau ebenso.
Im Samowar fing es zu prasseln an. Marfuscha warfeine Handvoll Birkenspäne auf die Kienäpfel und setzte das
Rohrknie auf, das andere Ende kam in das Loch in der Wand. Dahinter war der
Schornstein: der große, für das ganze Hochhaus mit seinen sechzehn Etagen. Bald
summte der Samowar fröhlich vor sich hin, die Kienäpfel knackten.
Die Großmutter, auch nicht faul, hatte gleich nach dem
Morgengebet den Ofen zu heizen begonnen. So war es in Moskau jetzt Sitte: dass
frühmorgens der russische Ofen geheizt und mittags das Essen auf ihm gekocht ward,
ganz wie der Gossudar sein Volk geheißen hatte. Das war für Russland eine große
Hilfe und Ersparnis an kostbarem Erdgas. Marfuscha sah gerne zu, wie die Holzscheite
im Ofen brannten. Aber heute hatte sie dafür keine Zeit. Heute war ein besonderer
Tag.
Marfuscha ging in ihr Eckchen, zog sich an, sprach
geschwinde ein Gebet und verneigte sich vor dem lebenden Bildnis des Gossudaren an
der Wand: »Heil Euch, Wassili Nikolajewitsch!«
Der Staatslenker lächelte ihr zu, seine blauen Augen
blickten freundlich: »Guten Tag, Marfuscha!«
Mit einer Berührung der rechten Hand weckte Marfuscha ihre
schlaue Maschine. »Grüß dich, schlaue Maschine!«
Ein blaues Aufleuchten war die Antwort und ein schnelles
Blinken: »Grüß dich, Marfuscha!«
Marfuschas Finger klapperten über die Tasten, sie ging ins Russnetz und riss vom Baum der Lehre Blatt für Blatt die
Schulnachrichten:
Weihnachtsgottesdienst für die Schüler der
Kirchgemeindeschulen!
Nationaler Wettstreit um die schönste Eisplastik
von unseres Gossudaren edlem Silberschimmel Budimir!
Skiwettlauf mit chinesischen Robotern!
Rodeln an den Sperlingsbergen!
Schüleraufgebot an der 62. Schule!
Marfuscha blätterte die letzte Seite auf:
Die Schüler der Kirchgemeindeschule Nr. 62 haben beschlossen,
dem Ziegelwerk Bolschewo auch zum Fest von Christi Geburt ihre patriotische
Unterstützung bei der Erfüllung des staatlichen Programms »Große Russische Mauer«
angedeihen zu lassen.
Marfuscha wollte gerade in ihr persönliches Briefkästchen
wechseln, da blies ihr der Großvater seinen Tabakatem ins Genick:
»Guten Morgen, Springinsfeld! Was gibt’s Neues in der
Welt?«
»Die Schüler kneten auch zu Weihnachten Ziegel!«
»Da schau an!« Staunend schüttelte der Großvater den Kopf
und starrte auf die Leuchtblase. »Das sind ja richtige Helden. So kriegen wir die
Mauer bis Ostern fertig gebaut!«
Dabei piekte er Marfuscha scherzhaft den Finger in die
Seite. Marfuscha lachte, der Großvater schmunzelte in seinen grauen Schnauzbart.
Marfuscha hatte einen Großvater, der
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