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Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Titel: Der zugeteilte Rentner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Schulte
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besaß, ignorierte er sie. Ihn interessierte nur der Receiver am Fernseher. In ihm steckte eine kleine Smart-Card, die alle Programme frei schaltete, die er sehen wollte – zumindest bis zum nächsten Ersten, dann musste eine neue her.
Als Maximilian weder auf ihre Ausführungen reagierte, noch auf ihre Vorschläge, etwas zu ändern, gab sie es auf. Sollte er doch sehen, wo er bliebe. In ihrem Zimmer wartete eine halbgegessene Tofu-Wurst darauf, von ihr genüsslich verspeist zu werden. Warum sollte sie sich länger mit dem alten Mann abgeben? Etwas mehr als zwei Tage, dann war es vorbei. Dann war sie allein. Als erstes würde sie alles waschen, dann putzen, anschließend jede kleinste Ecke in ihrer Wohnung desinfizieren und anschließend noch einmal mit einem duftenden Reiniger drüber gehen. Selbst das Sofa würde sie desinfizieren, damit sie den Geruch Alter-Mann-mit-Hund los bekäme.
„Wenn Sie so weitermachen, gibt es heute kein Fernsehen!“
Jetzt reagierte Maximilian. Die Augen wurden größer, rollten sich in ihre Richtung und selbst Bambi hätte nicht mehr Mitleid erzeugen können. Clara bemerkte den Trick, fühlte sich aber machtlos. Dieser sanfte Augenaufschlag war unschlagbar. Er berührte sie richtig, machte sie traurig und ließ sie sich schuldig fühlen. Und dennoch war es ein gemeiner Trick. Sollte er doch fernsehen – so lange er sie in Ruhe ließ. Dann ging sie.
Als sie die Tür ihres Schlafzimmers schloss, schaltete Maximilian den Fernseher ein.
„Mal sehen, was kommt. Willst du Lassie sehen?“, sagte er zu seinem Dackel, der daraufhin aufgeregt mit dem Schwanz wedelte. „Oder lieber Flipper? Ein Krimi? Aber dann schläfst du wieder so schlecht. „Herrchen gesucht“? Nein, das wollen wir nicht sehen.“
Aber der Dackel machte noch immer das gleiche freudige Gesicht und hechelte ihm entgegen.
„So, wir schauen uns jetzt den Shopping-Kanal an. Das macht Spaß. Mal sehen, ob wir nicht ein Schnäppchen ergattern können. Vielleicht ein neues Hundekörbchen?“
Clara hatte sich kaum auf ihr Bett gesetzt und das Telefon zur Hand genommen, als der Fernseher mit einem lauten Knall anging. Sie hörte, wie Maximilian in voller Lautstärke von einem Sender auf den anderen zappte: Schüsse. Laute Rockmusik. Nachrichten. Quietschende Autoreifen. Schreiende Kinder. Das volle Programm: 197 Sender. Dreimal durchgeschaltet.
Clara sprang hoch, riss die Tür auf und marschierte auf ihren Besuch zu, dann schnappte sie sich die Fernbedienung, schaltete auf Stumm und schleuderte sie in eine Ecke.
„Geht das auch leise, Himmel?“
„Wir haben nichts gemacht! Aber gut, wenn Sie da sind. Ich bräuchte das Telefon.“
„Wofür?“
„Rostfreier Stahl, dreihundertfach gefaltet. Das Schwert unter den Messern. Und es gibt noch eine Reise für zwei Personen zu gewinnen: Hawaii. Ich nehm’ Sie auch mit.“
„Sie bekommen das Telefon nicht. Das sind doch alles Betrügereien. Sie werden nie gewinnen und das Messer kostet wahrscheinlich mehr, als Sie im Laden bezahlen würden.“
„Erwähnte ich schon die Reise?“
Für einen Augenblick überlegte sie. Mit seinem Geld konnte er machen, was er wollte. Er war alt genug. Sie brauchte nicht, auf ihn aufzupassen. Es hätte auch nichts genützt. So ein Sturkopf. Dann nahm sie das Telefon und reichte es ihm.
„Ich brauche eine Kreditkarte.“
„Haben Sie keine eigene?“
„Bei der Rente? Glauben Sie, die würden mir eine Kreditkarte geben? Am nächsten Ersten bekommen Sie das Geld wieder.“
Für einen Augenblick zögerte er. Dann öffnete er seinen Koffer.
„Hier zum Beispiel: eine Multifunktionsschere. Mit Dosenöffner. Hat nur 99 Euro gekostet.“
„Wofür brauchen Sie eine Multifunktionsschere?“
„Für multifunktionale Tätigkeiten – wofür wohl?“
Clara griff sich an die Stirn. Für einen Moment wurde ihr schwindlig und sie stellte sich vor, wie sie mit dem Telefonhörer auf ihren Besucher einschlug. Warum kaufte er ein Produkt, das er herum liegen ließ und das viel zu teuer für ihn war?
„Hören Sie zu!“, versuchte sie ihn anzulächeln. „Ich gehe jetzt schlafen und Sie sind ruhig und gehen ebenfalls ins Bett. Wenn ich Sie noch einmal höre, dann …“
„Könnte ich vielleicht noch eine Decke haben – und eine Wärmflasche? Uns ist nachts immer so kalt.“
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ging Clara in ihr Schlafzimmer, kramte in einer Truhe, holte eine Decke hervor und schleuderte sie Maximilian auf die Couch.
„Und die

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