Der zugeteilte Rentner (German Edition)
herum und schüttelte dabei immer wieder den Slip, als klebte er an ihrer Hand. Die Szene erinnerte an den Kriegstanz der Indianer, wenn sie ums Feuer sprangen und dabei eigenartige Schreie und Laute von sich gaben. Doch am Ende der Aufführung blieb Clara stehen, schleuderte Finn den Slip ins Gesicht, ging auf ihn zu und boxte ihm schließlich so kräftig in den Bauch, dass er nach Luft schnappte.
Wie konnte er ihr das nur antun? Kaum hatten sie sich versöhnt, marschierte er mit seinen Saufkumpanen los und schlief mit einer anderen Frau. Vor allem stellte sich die Frage, ob er Clara das erste Mal betrog oder ob er regelmäßig mit seinen Freunden auf Frauenjagd ging. In der Zeit, in der sie ihn kannte, kamen mindestens 45 Männerabende zusammen – was bedeutete, dass Finn, statistisch gesehen, die Gelegenheit bekam, mit 45 Frauen zu schlafen. Das waren 45 Seitensprünge! Oder 45 Damenslips!
„Sie sollten jetzt besser gehen!“, meinte Maximilian, der nur wenige Meter entfernt von Finn stand und der Aufführung beiwohnte.
„Du bleibst!“, brüllte Clara ihren Freund an und warf im gleichen Augenblick einen Apfel nach ihm, der ihn nur knapp verfehlte.
Finn versuchte alles, um sie zu beruhigen. Er entschuldigte sich, beteuerte, dass es bestimmt ein Scherz seiner Freunde war. Doch für Clara stand fest: Finn suchte nach Ausreden. Er hatte sie nicht nur betrogen, sondern belog sie auch.
Zusatzleistungen
Mit Tränen in den Augen putzte Clara die Wohnung. Vor allem an den Herdplatten flossen die meisten, beim Spülen erschütterte ein Weinkrampf ihren Körper und beim Abwischen der Regalbretter schluchzte sie dermaßen, dass der Dackel es ihr gleich tat. Andere aßen Schokolade in ihrer Verzweiflung, telefonierten stundenlang mit ihren Freundinnen oder fingen an, Bücher zu sortieren – Clara putzte.
Die Vorstellung als Single zu enden, war der größte Schock. Keine gemeinsame Wohnung. Kein gemeinsames Bett. Kein gemeinsamer Esstisch. Einfach nichts. Drei Jahre suchte sie damals einen neuen Freund: bei Speed-Datings, Partnervermittlungen, im Internet – selbst bei ebay. Aber irgendwie wollten die Männer sie nicht. Angeblich wäre sie zu kompliziert und viel zu aufdringlich. In einer Frauenzeitschrift fand sie den Tipp, Partnerschaften wie ein Geschäft zu betrachten: Wenn man einen Laden besaß und Kundschaft wollte, durfte man sich nicht sofort auf sie stürzen. Man musste den Kunden Zeit geben, sich erst einmal umzusehen. Voreilige Verkäufer setzten die Kunden unter Druck und verscheuchten sie. Clara war das beste Beispiel für eine voreilige Verkäuferin in Sachen Liebe.
In ihrer Situation konnte nur eine Person noch helfen – Zoe. Doch ihr ging es selbst nicht gut. Der Grund: irgendeine Studentenparty, die erst in den Morgenstunden ihren Höhepunkt fand. Dann gab es noch eine Geschichte mit einem Liebhaber, der sich von ihr trennte, weil sie ihm zu fett war. Und am Ende leerte sie eine Flasche Kräuterlikör, allein. Doch das hielt sie nicht davor zurück, ihrer Freundin Clara beizustehen. Vor allem befand sich Clara in einer schwierigen emotionalen Lage. Sie saß mit Gummihandschuhen, einem Putzeimer und einer Bürste auf dem Küchenboden und schrubbte.
„Es geht nicht weg!“
Zoe schwankte durch die Wohnung, stolperte über das Sofa und blieb dort mit dem Kopf auf einem Kissen liegen.
„Duhast“, lallte sie und die Worte verschmolzen bei ihr zu einem einzigen lang gezogenen Ton. Dann schnupperte sie an den Sofakissen.
„DuhastdieKissengewaschen?“
Wenn Clara anfing, selbst die Kissen zu säubern, ging es ihr wirklich übel. Kissenwaschen stand in der Top-Ten der Unglückszeichen bei ihr auf Platz eins, dicht gefolgt vom zweiten Platz: Schrankunterseitenabwaschen.
Maximilian lächelte Clara an, aber ihr gefiel das nicht. Warum musste Zoe sich mit ihm verstehen? Sie sollte für sie da sein – ihr Ratschläge geben – ihr einen Kakao kochen – und sich ihre Probleme anhören.
„Siehstnichtgutaus, Biene!“, meinte Zoe.
„Ich fühle mich so … so alt!“
„Was soll ich denn erst sagen?“, warf Maximilian aus dem Hintergrund ein.
„Sie zählen nicht!“
„IchsagdemjetztmalmeineMeinung“, lallte Zoe, griff nach dem Telefonhörer, verfehlte ihn und stürzte über den Abstelltisch auf dem sich das Telefon befand. Kopfüber hing sie dort und stöhnte. Ihr Hintern hob sich wie der Rücken eines Wals aus dem Wasser und jede Sekunde erwartete Clara eine Fontäne oder ein Schlag mit der Flosse. Doch
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