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Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Titel: Der zugeteilte Rentner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Schulte
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den ganzen Boden verteilte. Alle schauten sofort zur Frau hin, die sich auf dem Boden längs gelegt hatte und nun aussah wie ein ausgestülpter Bär. Maximilian fühlte sich wie MacGyver. Er nutzt die Chance, griff sich einen roten String-Tanga, steckte ihn in seine Tasche und rannte mit seinem Dackel davon.

Aufgabe der Rehabilitation
    Der Sonntag kam, genauso wie der Regen. Ein graues Etwas überzog den Himmel, verschluckte die Wolken und die Stadt. Doch Maximilian ignorierte das Wetter. Sonntags morgens traf er sich normalerweise mit ein paar Männern in seinem Alter, um auf einem entlegenen Sportplatz Fußball zu spielen – schließlich wollte er fit bleiben. An diesem Tag verzichtete er auf das Vergnügen. Er hatte noch was vor. Nur eins konnte er nicht ausfallen lassen: Vorher musste er seinen Dackel ausführen. Er stand immer vor sechs Uhr auf. Zum Spazierengehen brauchte er nicht einmal eine Leine. Der Dackel folgte ihm, ganz gleich, wohin er ging. Er rannte auch nicht plötzlich über irgendwelche Straßen oder auf irgendwelche Gleise, er behielt immer den gleichen Abstand bei: 1,47 m.
Dann drehte er mit ihm eine Runde um den Block – die erste, damit der Dackel sah, welcher Hund, seine Duftmarke hinterlassen hatte – eine zweite, um eigene Markierungen zu hinterlassen. Wenn Maximilian keine weitere Runde mit ihm drehte, schmollte er. Den ganzen Tag aß er nichts und sobald er die Möglichkeit bekam, zerbiss er Schuhe, Teppiche, Stuhlbeine oder die Bedienung des Fernsehers – alles, was sich in Schnauzhöhe befand.
Bald würde Finn kommen. Maximilian bereitete sich vor. Er hatte sich am Morgen extra beeilt, rechtzeitig in der Wohnung zu sein. Jetzt versteiften sich die Füße wegen der Kälte. Selbst draußen war es wärmer. Bei diesem Wetter führte jede Unachtsamkeit zu üblen Krankheiten. Ärzte kosteten viel Geld und seine Krankenversicherung deckte die Kosten erst ab 5.077 Euro – vorher musste er alles selbst bezahlen. Bei seiner Rente leistete er sich keine Krankheiten. Manchmal sagte er, dass er am liebsten reich wäre, um einmal eine Woche im Bett zu verbringen. Doch beim Lotto-Spielen verlor er, die falschen Zahlen, die falschen Reihen, nicht einmal annähernd richtig.
Er fühlte die Heizkörper – genauso kalt wie der Kühlschrank. Dafür blitzten sie, rochen sogar nach Citrus; und Desinfektionsmittel. Keine Wärme, aber die Heizung duftete. Doch erst einmal zurück ins Bett und etwas gegen die kalten Füße machen. Claras Decke reichte nicht, sie war ziemlich breit, aber dafür umso kürzer. Ganz gleich, wie er sich auf der Couch krümmte und beugte, die Füße schauten immer hervor, dabei war er schon so klein. Für wen machten die wohl diese Decken? Für Kinder? Oder winzige Erwachsene?
Er überlegte: Vielleicht ein Fußbad oder gleich in die Badewanne steigen? Er trippelte ins Bad und wollte sich gerade ausziehen, als er einen Zettel bemerkte, der an der Tür hing: „50 Dinge, die Sie nie in diesem Haushalt tun sollten“. Clara hatte in der Nacht diese Liste angefertigt. Ganz oben auf Platz eins stand „Keine Nachbarn anschreien“, gefolgt von Platz zwei „Keine Schmutzwäsche bügeln“, dann kam Platz drei mit „Das Essen auf dem Herd nicht vergessen“. Auf Platz 43 fand er schließlich den Absatz mit der Badewanne: „Nie baden, nur duschen“, in Klammer stand dahinter „Zu teuer! Außerdem könnten sie stürzen.“ Clara verwendete gern Klammer-Texte, um sich zu erklären.
Da Maximilian mit jedem Lebenszeichen gegen eine der vielen Regeln verstieß, kehrte er zu seiner Couch zurück, suchte seine Kleidung zusammen, zog sich an und starrte an die Decke.

Clara fühlte sich wie auf der Streckbank. Nach der Nachtschicht bei der Post war sie am Morgen auf einigen ihrer Medizinbücher eingeschlafen, sie sah es deutlich an ihren Beinen und an ihrem Rücken. Auf ihrem Oberschenkel konnte sie sogar den Abdruck ihres Lexikons lesen: „WALTHERS MEDIZI ISC ES LEXI“. Ein paar Buchstaben fehlten, da ein paar Narben von einem Fahrradunfall diese Stelle verdeckten, ein paar andere fehlten wegen den Falten, die sie schon seit Jahren bekämpfte und gegen die nichts half.
Mit zugekniffenen Augen trottete sie aus ihrem Zimmer, der Lärm auf der Straße ließ sie nicht schlafen, vermutlich eine Schlägerei zwischen zwei Banden, am lautesten erklangen aber die Polizisten, die versuchten, die Gruppe von einander zu trennen. Als sie zur Toilette ging, erblickte sie Maximilian, der seelenruhig

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