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Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Titel: Der zugeteilte Rentner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Schulte
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Zoe rührte sich nicht, nur ein langes Stöhnen kroch aus ihr heraus.
Clara wollte ihren Freund nicht sehen, dennoch hätte sie gern mit ihm gesprochen. Er verhielt sich wie ein Scheusal, warum meldete er sich nicht, nachdem sie ihn raus geworfen hatte? Das war doch das natürlichste der Welt. Frauen beschimpften und beleidigten nun mal ihre Freunde, damit sie danach um Verzeihung bettelten und danach wussten, was sie an ihnen hatten. Und Finn? Er blieb weg. Kein Anruf, keine Nachricht, anscheinend nicht mal Schuldgefühle.
Clara saß auf dem Küchenboden und schaute aus dem Fenster. Fast dunkel. Die meisten Straßenlaternen waren kaputt. 19.45 Uhr.
„Junge Männer!“, meinte Maximilian. „Die haben sich nicht unter Kontrolle. Besser, sie suchen sich einen anderen. Einen seriösen, mit guten Manieren. Vielleicht jemand älteren.“

Fälligkeit der Beiträge und Aufschub
    Zoe bot keine Hilfe. Ihre Ratschläge waren meist simpler Natur, ähnlich denen von Männern. Sie hasste lange Diskussionen wegen Typen. Für sie war das andere Geschlecht so verfügbar wie Milch im Supermarkt. Hin und wieder erwischte man eine Schlechte, deswegen warf man am besten die geöffnete Packung nach ein paar Tagen fort – allein, um sicher zu gehen. So verschwendete man Milch, trank aber immer eine Frische. Zoe nannte das „Vorsorge“, die Männer nannten das „Schlampe“. Aber das kümmerte sie nicht. Sie sagte immer: „Besser, wenn ich zuerst Schluss mache. Bei mir bleibt sowieso keiner länger, sobald er merkt, wen er sich da angelacht hat.“
Zoe verhielt sich meistens etwas komisch. Man sah ihr nicht an, dass sie aus einer unauffälligen, typisch deutschen Familie kam – die wiederum aus der Ukraine stammte. Sie engagierten sich in der Schule, im Reit-Club; spendeten Geld für Greenpeace, Robin Wood, Amesty International und sogar für Peta – und das obwohl ihre Mutter den Schrank mit Pelzen voll stopfte. Das schien ihr jedoch kein Widerspruch. Sie sagte immer, sie wüsste, dass sie viele Fehler beginge. Aber warum es anders machen? Ihren Vater interessierten solche Nebensächlichkeiten noch weniger. Ständig bemühte er sich um Harmonie. Obwohl er fast 80 Stunden die Woche für einen Energie-Lieferanten arbeitete, fand er genug Zeit für seine Tochter. Er ging mit ihr Eis essen, suchte mit ihr das Kleid für den Abschlussball aus und holte sie vom Reitunterricht ab – der perfekte Vater. Und dennoch überwiegte das Gefühl, dass er sich für seine kleine dicke Tochter schämte.
Mit den Jahren wuchs der Anspruch, den ihre Eltern an sie stellten. Vor der Uni ging es zum Sport, nach der Uni zum Therapeuten, anschließend in den Sprachkurs und danach zur „After-Work-Party“, um wichtige Kontakte im „Netz“ zu knüpfen. Alles nur für ihr Bestes, sagten ihre Eltern. In diesen schweren Zeiten gab es nur Verlierer und Gewinner. Wer sich nicht anstrengte, versagte. Und dick zu sein war Versagen in körperlicher Form.
Doch selbst nach Zoes dritten Nervenzusammenbruch und dem zweiten Selbstmordversuch behielten sie ihre Einstellung. Das war der Preis, den Zoe als Sieger zu zahlen hatte. Für sie bedeutet es Tabletten, Therapie, Kur und das Stressprogramm von vorne. Deshalb wollte sie immer anders sein. In Clara fand sie die ideale Freundin: Sie sah fast nie ihre Familie, redete nicht über ihren Vater und wollte Zoe auch nie zu Hause besuchen; obwohl ihre Familie einen riesigen Pool besaß.
„Was soll ich nur machen?“, Clara warf ihre Gummihandschuhe in einen leeren Putzeimer. „Soll ich ihn anrufen?“
Die beiden Frauen saßen allein im Wohnzimmer, Maximilian durchstreifte irgendwo die Nacht. Vermutlich stand er auf der Straße und brüllte herum oder er belästigte die Nachbarn, was das gleiche bedeutete. Clara und Zoe nutzten die Gelegenheit und bestellten sich Sushi – Zoe sogar noch eine Pizza. Dann legten sie eine esoterische Musik auf, bei der fast nur monotone Trommeltöne erklangen, zündeten ein paar Kerzen an und legten sich dann mit ein paar Kissen vor die Heizung. So ließ es sich aushalten.
Draußen war es dunkel. Bald wurde es Montag. Und mit dem ersten Tag der Woche kam auch die Erlösung. Vielleicht würde alles so werden wie vorher, sie könnte dann mit Finn zusammen ziehen und endlich ein kleines aber gemeinsames Heim ihr Eigen nennen – zumindest hoffte sie das.
Obwohl der Alkoholpegel in Zoes Blut normale Werte erreichte, klappte das mit den Worten noch nicht so recht.
„Suchdireienennueen!

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