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Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Titel: Der zugeteilte Rentner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Schulte
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fühlte sich einfach zu gut an.
„Du Pickelhals“, schrie sie aus dem Fenster. „Schon mal was von Körperpflege gehört? Und du mit der Tüte: Soll das eine Perücke sein oder trägst du deinen Hamster auf dem Kopf?“
Plötzlich schob Maximilian sie zur Seite und verschloss das Fenster.
„Ich denke, es reicht. Man darf es am Anfang nicht übertreiben. Immer in kleinen Dosen, sonst ist es zu stark.“
Jetzt war sie es, die gebremst werden musste – und das von Maximilian. Normalerweise verhielt es sich doch umgekehrt. Aber dieses warme Gefühl im Magen, das sich im ganzen Körper ausbreitete – einfach zu schön. Ihre Hände zitterten, sie genoss das Adrenalin in ihrem Körper, als hätte sich etwas in ihrem Bauch gelöst, das sie seit Jahren mit sich herumtrug.
„Warum sind Sie eigentlich so furchtbar?“
„Sie denken, ich mache das, um Sie zu ärgern?“
Clara musste überlegen. Natürlich sah es so aus. Und natürlich wusste sie, dass dem nicht so war. Vermutlich steckte in dem alten Mann ein kleiner Teufel, der unkontrollierbar die Knöpfe für Chaos und Schikane drückte.
„Nein! Aber ich denke, sie könnten sich anders benehmen.“
„Manchmal dauert es eben ein bisschen, bis man sich angepasst hat. Aber sie sind auch nicht ohne!“
Was meinte er damit? Sie? Die Vorzeigeperson in Sachen Ordnung und Sauberkeit? Was könnte sie wohl falsch machen?
„Sie putzen z. B. ständig!“
„Ich mag es nun mal sauber!“
„Aber nicht, wenn sie den Stuhl abputzen, während ich noch darauf sitze. Oder dass sie das Bett zusammenräumen, während ich noch drin liege. Oder dass Sie meine Tasse spülen, bevor ich sie leer getrunken habe. Oder dass Sie …“
Aus dieser Sicht hatte sie es noch gar nicht betrachtet. Es stimmte, dass sie manchmal etwas voreilig war. Das mit dem Bett aber war ein Versehen. Er lag so zusammengerollt darin, dass sie ihn übersehen hatte. Ein Fehler. Ein ganz kleiner.
Maximilian hätte rechtzeitig was sagen können. Stattdessen bekam sie jetzt Vorhaltungen.
„Ich habe Verstanden!“
„Wie wäre es mit einem Kompromiss? Ich versuche mich auf Sie einzustellen und Sie versuchen sich auf mich einzustellen?“
Das klang alles sehr Vernünftig für sie. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass es sich um ihre Wohnung und ihr Leben handelte. Das war ihr Reich. Hier regierte nur Prinzessin Clara. Keiner sonst.
„Ich werde es versuchen!“, flüsterte sie und fühlte sich dabei wie früher, wenn ihr Vater sie ermahnte.
Streitgespräche zu gewinnen, gehörte nicht zu ihren Stärken. Meist fehlten ihr die Argumente. Und wenn sie ihr am Ende doch einfielen, war es zu spät. Doch sie hatte noch einen Trumpf. Sie wartete nur noch auf den richtigen Augenblick.

Kindererziehungszeiten
    Maximilian verbrachte den ganzen Nachmittag auf der Couch. Es war einer dieser grauen Tage an denen man am liebsten zu Hause im Bett blieb, meistens hinderten Job, Studium oder andere Verpflichtungen einen daran. Nicht bei Maximilian. Er als Rentner konnte die Freiheiten genießen von denen er immer geträumt hatte. Der einzige Nachteil: Jetzt fehlte ihm das Geld dafür.
„Heute bleiben wir drin!“ sagte Maximilian und hielt den Dackel über die Toilette. „Mach endlich!“
Obwohl das Tier in einer sehr eigenartigen länglichen Körperhaltung verbrachte, die alles andere als bequem aussah, kamen sofort die ersten Tröpfchen. Dann folgte ein dünner, hoher Strahl, der zuerst die Klobrille verfehlte. Nach einer kleinen Änderung der Position und Neuausrichtung der Geschütze, gelang es dem Dackel, die Toilettenschüssel zu treffen. Damit war der Hund einer der ersten seiner Art, die im Schwebebereich auf die Toilette gingen. Und Maximilian war stolz auf ihn. Dann die Klospülung. Mit einem lauten schlürfenden Geräusch, als ob jemand den Bodensatz eines Getränks aufsaugte, verabschiedete sich das Wasser. Tief in den Rohren polterte es, dann kamen die Geräusche von oben. Man hörte, wie der Nachbar aus dem Sechsten mit einem weiten Strahl ins Toilettenbecken pinkelte, dann noch ein paar Tropfen, zwei-, dreimal schütteln und spülen. Claras Toilette war ein Sammelsurium der ungewöhnlichsten Hygiene-Geräusche. Hier bekam sie alles mit – vom vierten bis sechsten Stock – das volle Programm. Wer diese Klangkulisse nicht gewohnt war, suchte vergebens nach den Lärmquellen.
Es klingelte. Maximilian fuhr zusammen. Es konnte jeder sein: ein Polizist, ein Vertreter, ein Nachbar oder die Frau von der Deutschen

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