Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Der zugeteilte Rentner (German Edition)

Titel: Der zugeteilte Rentner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Schulte
Vom Netzwerk:
wurde ebenfalls vom Pech verfolgt. Auf dem Weg nach draußen traf sie im Aufzug ein älteres Ehepaar, das sich über die neue Hausordnung aufregte. Ein falsches Wort über Haustiere und die Handtasche der Frau landete in ihrem Genick. Sie wurde als Tierhasserin und krankes Subjekt bezeichnet, worauf die alte Frau ihr noch einmal in die Haare griff und dabei versuchte, ihr gegen das Bein zu treten. Erst als die Aufzugstür aufging, befreite sie sich von dem alten Ehepaar und entkam.
Doch das Chaos setzte sich fort: Die meisten Briefkästen im Eingangsbereich lagen heruntergerissen im Flur, das schwarze Brett verschwand hinter einer Graffiti-Wand und draußen vor der Tür lagen etliche Mülltonnen ausgekippt auf dem gelben Rasen. Selbst an der Glastür im Eingangsbereich klebte von außen eine bräunliche Masse, die fürchterlich roch.
„Die spinnen!“, hörte sie den Hausmeister, der den Schaden begutachtete. „Ticken total aus!“
Er hatte ein blaues Auge und einige rote Schrammen und Stellen im Gesicht.
„Kann doch nix dafür! Sehen Sie mich an!“, der Hausmeister verzog das Gesicht und fuchtelte mit den Armen. „Die sind geworden verrückt. Machen alles kaputt. Wäre jetzt lieber zu Hause. Bei meiner Familie. Da ist noch alles in Ordnung. Wissen sie, meine Tochter studiert. Medizin. Und ich? Ich bin hier Hausmeister. Das ist nicht gut. Ich war mal Professor für Literatur …“

Minderung der Erwerbsfähigkeit bei einer Straftat
    Der Müll war fort. Clara hatte ihn erst abends an die Tür gestellt, jetzt fehlte er. Vielleicht bemühte Maximilian sich, etwas mehr Ordnung in den Haushalt zu bringen. Doch ein Blick auf den Rest der Wohnung zerstörte jegliche Hoffnung. Überall verstreuten sich Maximilians Sachen, Bücher und Zeitschriften bedeckten den Fußboden und auf dem Tisch klebten die unterschiedlichsten Nahrungsmittel zu einem Kokon zusammen. Es war das alltägliche Chaos, das Maximilian anrichtete. Kein Grund für Hoffnung. Da der Müll bereits fort war, schnappte sie sich den Altpapierstapel und trug einen Teil davon nach unten. Als sie kurz darauf am Container stand und versuchte, ihren Anteil unterzubringen, fiel ihr ein Steckbrief auf, den sie gar nicht kannte. „Entlaufener Rentner gesucht“ – und ein riesiges Bild zeigte ein unscharfes Foto von Maximilian mit Bart. War er ein Verbrecher? Ein Alterskrimineller? Hatte er jemanden umgebracht? Ein Terrorist? Nicht einmal der Name stimmte. „Maximilian Uhland“ stand da, nicht „Himmel“. So oder so, er hatte sie belogen, sich heimlich bei ihr eingenistet. Dieser Betrüger! Wenn man ihn fände, wäre er weg und die Wohnung wieder frei. Eine großgeschriebene Service-Nummer wies den Weg. Montags bis freitags von 8.00 bis 20.00 Uhr. Und ein Kopfgeld winkte auch noch. Und das hatte sie sich nun wirklich verdient, schließlich riskierte sie ihr Leben.

Freitag, 10.00 Uhr. Zeit für eine Belohnung. Clara stand vor der Deutschen Rentenversicherung, Rentenordnungsamt. Nach dem großen Renten-Crash hatte man es eröffnet, um diejenigen zu finden, die in der Bürokratie verschwanden. Viele ältere Menschen, die nur wenig Rente bekamen, lungerten auf öffentlichen Plätzen herum oder schliefen in Parks. Um dieser Unordnung ein Ende zu bereiten, schuf die Regierung das Rentenordnungsamt, ein Amt nur für vermisste Rentner. Die Zuständigkeit: auffinden, festnehmen und sicherstellen von älteren Bürgern, die keinen festen Wohnsitz vorwiesen oder sich gerade auf der Flucht befanden. In der Bevölkerung nannte man das Amt auch „die Hundefänger“, weil ihre Einsatzbusse, denen der Hundefänger glichen: groß, kastig mit Gittern. Jeder, der eingesammelt wurde, kam in ein staatliches Altenheim, das meist einem Gefängnis ähnelte. Entkommen unmöglich. Die Insassen lebten zu zweit in einem Zimmer von maximal 12 m2, gingen täglich vier Stunden freiwilliger Arbeit nach und durften zwei Stunden in den Park. Obwohl dieser recht groß war, fasste er kaum die Rentnermasse, die mittags hierher kam. Die Gehwege verstopften sich, Stau, ein Vorankommen fast unmöglich, zu viele Rollstühle und Gehhilfen, selbst auf den Wiesen und Bänken tummelten sich die Alten wie bei einem Open-Air-Konzert. Das Leben in den Altenheimen hätte schön sein können. Doch um Besucher von außen zu empfangen, mussten Anträge gestellt werden, deren Bearbeitung bis zu drei Monate dauerte. Trotz immenser Proteste von außen wie innen, hielt man an dieser Regelung fest.
Clara wusste,

Weitere Kostenlose Bücher