Der zugeteilte Rentner (German Edition)
was sie wollte. Sie suchte den Verantwortlichen, der sich um Maximilian kümmerte und ihn abholte. Am nächsten Tag hätte sie die Wohnung für sich allein. Der Störenfried würde dann in einem gemütlichen Rentnerapartment sitzen, seinen Tee trinken und regelmäßig im Park spazieren gehen. Und sie? Clara lebte dann mit Finn in einem großen Apartment, mit Balkon. Eine richtig kleine Familie. Zwar nur zu zweit, aber vielleicht planten sie bereits das eine oder andere Kind. So wie es sein sollte.
Der Eingang des Rentenordnungsamtes bestand aus einer großen Glasfront. In der Mitte gab es einen schmalen Eingang und beidseitig standen Wärterhäuschen mit Sicherheitskräften, die Ein- und Ausgang protokollierten. Die uniformierten Bediensteten sahen aus wie gewöhnliche Beamte – nur eben mit Dienstpistole, Schlagstock, Handschellen und einem Elektro-Schocker.
„Was wollen Sie?“, sagte der Mann in der rechten Kabine.
„Ich möchte jemanden melden!“
„Einen Verwandten?“, wollte der Linke wissen.
„Ähm, nein!“
„Dann einen Bekannten?“
„Eher!“
„Wollen Sie sich ein Kopfgeld holen?“
„Gibt es so was?“
„Nicht für jeden!“, der Linke.
„Nur bei ganz Speziellen!“, der Rechte.
„Ist das so ein Gesuch?“
„Oder wollen Sie jemanden loswerden?“
Clara wusste nicht, zu welcher Seite sie sich als nächstes wenden sollte. Sie stand zwischen den Beamten und fühlte sich wie ein Tennisball in einem Match.
„Nun sagen Sie schon! Wir haben nicht ewig Zeit.“, der Linke.
„Antworten sie meinem Kollegen!“
Clara zog den Steckbrief aus ihrer Tasche und zeigte ihn dem Mann im linken Häuschen.
„Für den gibt’s nur fünfzig Euro! Aber warum melden Sie ihn erst jetzt? Hier steht, dass er bereits seit Wochen gesucht wird.“
„Ich kenn ihn aber erst seit zwei Tagen!“
„Sie kennen ihn persönlich?“
„Dann haben Sie ihm Unterschlupf gewährt?“, der Rechte.
Clara machte ein paar Schritte zurück, um die beiden Männer gleichzeitig sehen zu können.
„Schluss jetzt! Sagen Sie mir einfach nur, wo ich hingehen muss!“
Die beiden Männer blickten sich an, dann musterten sie Clara.
„Legen sie alle Metallgegenstände in diese Schale und gehen Sie durch den Detektor!“
Clara folgte den Anweisungen, es piepte ein paar Mal. Dann trat der Beamte aus der rechten Kabine mit einem Metalldetektor heraus und scannte sie ab. Erst die Arme, dann den Torso, anschließend die Beine. Dabei strich er über ihre Brüste, grinste und entschuldigte sich sogleich.
„Haben Sie irgendwelche Metallgegenstände an oder bei sich? Piercings, Pfeilen, Scheren oder gar Sprengstoff? Irgendwelche Waffen vielleicht?“
„Nein!“, nuschelte sie. „Aber wenn Sie so weiter machen, hole ich mir eine!“
„Vielleicht eine Spraydose mit entzündlichem Inhalt?“
Zuerst dachte sie daran, dem Mann das Knie in die Nase zu rammen oder mit einem gezielten doppelten Schlag auf die Ohren, das Trommelfell platzen zu lassen.
„Und? Haben Sie so etwas?“
„Nein!“
„Spitze Gegenstände wie einen Schraubenzieher? Einen Kugelschreiber? Oder schwere Gegenstände mit denen man schlagen kann? Zum Beispiel einen Hammer?“
„Einen Hammer? Lassen sie mich überlegen: Nein!“
„Raum 143!“
Clara ging durch die Tür. Die beiden Beamten beobachteten sie und tuschelten, irgendwie trauten sie ihr nicht. Selbst als sie den halben Flur nach unten gelaufen war, blickten sie ihr noch nach. Ein Schritt nach dem anderen. Rechts und links. Und die Blicke folgten ihr, Fuß um Fuß.
Schließlich bog sie in einen anderen Flur. An der Seite hingen Wegweiser: „100-199“. Doch weder auf der rechten noch auf der linken Seite befanden sich Büros. Die erste Tür, die sie in fand, war die 143, „Frau Aschenbach, Leiterin für …“. Der Rest war unleserlich, halb weggekratzt.
Clara klopfte. Es dauerte einige Sekunden, dann schwang die Tür auf und eine etwas korpulentere Dame trat in Erscheinung. Beide sahen sich erstaunt an. Clara: weil die Frau sie stark an Tante Gabi erinnerte, die Schwester ihres Vaters. Die Frau: weil sie vermutlich eine der ersten war, die überhaupt an diese Tür anklopfte.
„Ja?“, sagte Frau Aschenbach mit leiser und doch lang gezogener Stimme. Sie räusperte sich. „Sie wünschen?“
Der erste Gedanke: Sie war hier falsch. Die falsche Abzweigung, die falsche Tür, der falsche Flur, der falsche Flügel.
„Frau Aschenbach?“
„Ja?“, wiederholte sie diesmal mit klarer Stimme.
„Ich möchte jemanden melden!“
Die
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