Der zugeteilte Rentner (German Edition)
Er war widerstandsfähiger als sie dachte. Aber irgendetwas musste es doch geben vor dem er flüchtete, was sein Aufenthaltsdesaster beendete. Sie konnte ihn zwar vor die Tür setzen, doch dann würde er immer wieder zurückkommen und vor ihrem Apartment stehen. Dann folgte der traurige Blick, der abgemagerte Hund und ohne viel darüber nachzudenken, befände er sich in ihrer Wohnung. Dieses Spiel endete nie. Maximilian sollte freiwillig gehen, am besten voller Entrüstung, am besten so, dass er gar nicht mehr zurückkäme.
Clara setzte sich an den kleinen Küchentisch und positionierte ihre Gewürzstreuer. Maximilian wurde zum Pfeffer, sie zum Salz. Knoblauch symbolisierte seinen Hund. Mehr Gewürze brauchte sie vorerst nicht. Auf einen Teller klatschte sie eine große Portion Kartoffelpüree. Salz passte wunderbar dazu, Pfeffer weniger. Und Knoblauch? Hatte sie noch nicht ausprobiert. Hier und da etwas Knoblauch, aber es passte nicht. Ohne Knoblauch roch und schmeckte es besser. Dann nahm sie den Salzstreuer und warf damit den Knoblauch um. Beim Umkippen erwischte dieser den Pfefferstreuer und warf ihn zu Boden. Mit einem lauten Klack fiel der Deckel ab und die vielen kleinen Pfefferkörner verteilten sich über den Küchenboden.
Endlich klickte es in ihrem Kopf. Knoblauch passte nicht, sie musste es einfach nur weglassen und der Pfeffer verschwände sofort. Mit anderen Worten: Wenn der Hund nicht da war, ginge Maximilian. Doch wie schaffte sie den Hund fort? Sie war keine Tierquälerin und den Hund irgendwo auszusetzen, missfiel ihr. Er könnte vielleicht weglaufen, aber dann wäre er allein dort draußen und irgendein Bus überfuhr ihn. Oder sie versteckte ihn in der Mülltonne – was aber, wenn der Müll abgeholt wurde? Warum musste in diesem Haus auch die Tierhaltung erlaubt sein? Konnte nicht jemand sie verbieten?
Und wieder klickte es in ihrem Kopf. Nur ein simples Schreiben musste sie aufhängen, dass Tiere nicht erlaubt wären. Maximilian verließe sie sofort – ohne Hund, bliebe er nie.
Es dauerte nicht lange und Clara saß am Computer, schrieb und druckte eine neue Hausordnung:
Sehr geehrte Bewohner im Haus „Fortunaplatz 2“,
aufgrund der neu in Kraft tretenden Hausordnung ist ab sofort das Halten von Tieren verboten. Bestehende Tiere sind zu beseitigen, andernfalls sehen wir uns leider gezwungen, Ihren Mietvertrag aufzulösen.
Wir bitten um Ihr Verständnis.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Hausverwalter
Das Leben konnte manchmal so einfach sein. Den Zettel brauchte sie nur noch aufzuhängen. In ein paar Stunden führte sie dann mit Maximilian ein Gespräch und erläuterte ihm die Sache: Hund – Kündigung, kein Hund – Wohnung. Natürlich bekäme er einen traurigen Gesichtsausdruck, aber schließlich würde er erkennen, dass es so für ihn und den Hund am besten wäre.
Spätestens am nächsten Tag könnte ihr Albtraum enden.
Es dauerte nicht lange, bis Clara am schwarzen Brett direkt neben den Briefkästen stand und ihre Notiz anklebte. Niemand sah sie und so ließe sich das Schreiben auch nicht zurückverfolgen. Eigentlich böse – aber fühlte sie sich schlecht? Kein bisschen.
Als sie ihre Wohnung betrat, hätte sie Maximilian fast übersehen. Er stand am geöffneten Fenster und beleidigte einen Passanten. Erst nach einer Weile bemerkte er Clara. Er wusste, dass sie ihm bereits vor Tagen verboten hatte die Nachbarn anzuschreien oder zu beleidigen.
„Sie sollten es mal machen. Dann wissen Sie auch, wovon ich spreche. Das ist eine einmalige Erfahrung.“
„Warum sollte ich das tun? Ich bin nicht Sie! So was machen nur Sie! Das gibt nur Ärger. Warum sollte man es also machen?“
„Nun zum Beispiel, weil es Spaß macht!“
Sie und Angst? Wegen ein paar Beleidigungen? Keiner ihrer Freundinnen konnten sich beim Beschimpfen anderer Menschen mit ihr messen. So mancher Frau oder manchem Mann standen die Tränen in den Augen, wenn sie loslegte. Also ging sie zum Fenster, öffnete es weit und schmetterte einigen Passanten Beleidigungen an den Kopf.
„Zufrieden?“
„Und wie fühlt es sich an?“
Natürlich fühlte es sich gut an, aber so was machte man nicht – das hatte man ihr beigebracht.
„Es geht!“
„Noch mal? Da unten der – der mit dem komischen Fahrrad. Einmal noch!“
„Ich will nicht!“
„Ich sehe es doch an Ihren Augen. Sie wollen es. Na, los!“
Sie verschränkte die Arme und fixierte Maximilian. Seine Augen funkelten, wie Faust und der Teufel, zu etwas Bösem verführt, es
Weitere Kostenlose Bücher