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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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ohne ein weiteres übles Zusammentreffen erreichen konnten. Nur ganz langsam gingen sie weiter; die drei- oder vierhundert Meter, die sie noch zurückzulegen hatten, kamen ihnen unendlich vor. In der Rue des Frondeurs stießen sie auf einen Kommunardenposten; die Leute waren aber so erschrocken, daß sie glaubten, es käme ein ganzes Regiment, und die Flucht ergriffen. Nun brauchten sie nur noch ein Stück der Rue d'Argenteuil zu folgen, um in die Rue des Orties zu kommen.
    Ach! Die Rue des Orties, mit welcher Ungeduld wünschte Jean sich seit vier langen Stunden dorthin! Es war ihm eine wahre Erlösung, als sie in sie einbogen. Schwarz, verlassen, stumm lag sie da, als wäre sie hundert Meilen vom Schlachtfeld entfernt. Das Haus, ein altes, enges Haus ohne Türhüter, schlief einen wahren Todesschlaf.
    »Ich habe die Schlüssel in der Tasche,« stammelte Maurice. »Der große ist für die Haustür, der kleine oben für meine Kammer.«
    Er brach zusammen und wurde in Jeans Armen ohnmächtig, dessen Unruhe und Verlegenheit nun ihren Höhepunkt erreichten. Er vergaß sogar die Haustür wieder abzuschließen und mußte sich nun die unbekannte Treppe hinauftasten, wobei er sich vorsah, nicht anzustoßen, um keine Leute herbeizulocken. Oben verirrte er sich und mußte den Verwundeten erst auf eine Treppenstufe niederlassen, um mit Hilfe vonStreichhölzern, die er glücklicherweise bei sich hatte, die Tür zu suchen; und als er sie gefunden hatte, kam er wieder herunter, um ihn zu holen. Nun endlich legte er ihn auf das kleine eiserne Bett gegenüber dem Paris überblickenden Fenster; er öffnete es ganz weit in einem Bedürfnis nach frischer Luft und Licht. Der Tag brach an; schluchzend fiel er vor dem Bette nieder, zerschlagen und kraftlos unter dem Erwachen in diesem gräßlichen Gedanken, er habe seinen Freund getötet.
    Minuten mußten vergangen sein, aber er war kaum überrascht, als er plötzlich Henriette dastehen sah. Nichts wäre ihm natürlicher vorgekommen; ihr Bruder lag im Sterben, und sie kam. Er hatte sie auch gar nicht hereinkommen sehen; vielleicht war sie schon stundenlang da. Mit dem Kopf auf einem Stuhle sah er stumpfsinnig zu, wie sie sich unter dem Einflusse des tödlichen Schmerzes bewegte, der sie getroffen hatte, als sie ihren Bruder bewußtlos, mit Blut bedeckt daliegen sah. Schließlich kam er wieder zum Bewußtsein; er fragte sie:
    »Sagen Sie, haben Sie die Haustür wieder abgeschlossen?«
    Ganz überwältigt antwortete sie durch ein bejahendes Kopfnicken; und als sie ihm endlich in ihrem Bedürfnis nach Zuneigung und Hilfe beide Hände reichte, fuhr er fort:
    »Ich habe ihn getötet, wissen Sie ...«
    Sie begriff ihn gar nicht, sie glaubte ihm nicht. Er fühlte, wie ihre beiden kleinen Hände ruhig in den seinen liegen blieben.
    »Ich habe ihn getötet ... Jawohl, dort unten auf einer Barrikade. Er focht auf der einen Seite, ich auf der andern ...«
    Die kleinen Hände fingen an zu zittern.
    »Wir waren alle wie betrunken, man wußte gar nicht mehr, was man tat ... Ich habe ihn getötet ...«
    Nun zog Henriette schaudernd ihre Hände wieder zurück; ganz weiß, mit schreckerfüllten Augen sah sie ihn unbeweglich an. Das sollte also das Ende von allem sein und nichts in ihrem zerbrochenen Herzen am Leben bleiben? Ach, und Jean, an den sie noch am selben Abend gedacht hatte, ganz glücklich in der unbestimmten Hoffnung, ihn vielleicht wiederzusehen! Und der hatte dies Scheußliche vollbracht, und doch hatte er Maurice noch gerettet, denn er hatte ihn doch durch alle Gefahren hierhergebracht! Sie konnte ihm nicht länger ihre Hände überlassen, ohne sich in ihrem Innern zurückgestoßen zu fühlen. Aber sie stieß einen Schrei aus, in dem die letzte Hoffnung ihres noch unschlüssigen Herzens lag.
    »Oh, ich werde ihn heilen, ich muß ihn jetzt wieder heilen!«
    In ihren langen Nachtwachen im Lazarett von Remilly hatte sie sich eine große Geschicklichkeit im Pflegen und Verbinden von Wunden erworben. Daher wollte sie auch sofort die ihres Bruders untersuchen und zog ihn aus, ohne ihn damit aus seiner Bewußtlosigkeit zu erwecken. Aber als sie den Notverband abnahm, den Jean sich ausgedacht hatte, da fing er an, sich zu bewegen, er stieß einen schwachen Schrei aus und öffnete weit seine fieberglühenden Augen. Er erkannte sie übrigens sofort und lächelte ihr zu.
    »Also da bist du? Ach, bin ich froh, daß ich dich noch sehe, ehe ich sterbe!«
    Sie brachte ihn durch eine Handbewegung zum

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