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Der Zusammenbruch

Der Zusammenbruch

Titel: Der Zusammenbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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nicht«, brummte Jean, wütend über die Tageshelle.
    Er fühlte sich auch nicht eher sicher, als bis er Maurice die stromabwärts liegende Böschungstreppe links vom Pont Royal hinuntergebracht hatte. Dort unter der großen Baumgruppe am Rande des Wassers waren sie geborgen. Fast eine Viertelstunde lang beunruhigten sie dunkle Schatten, die sich am andern Flußufer auf dem gegenüberliegenden Kai bewegten. Schüsse ertönten, sie hörten einen Schrei, dann einen Fall ins Wasser und ein plötzliches Wiederaufspritzen von Schaum. Offenbar war die Brücke bewacht.
    »Wenn wir die Nacht in dem Schuppen da zubrächten?« meinte Maurice und zeigte auf den Bretterschuppen einer Schiffahrtsgesellschaft.
    »Ach, Unsinn! Da würden wir morgen früh doch geklemmt!«
    Jean beharrte immer noch auf seinem Gedanken. Er hatte eine ganze Flotte kleiner Boote vorgefunden. Aber sie waren angekettet; wie sollte er eins von ihnen loskriegen und die Ruder auch? Schließlich fand er ein paar alte Ruder und konnte ein offenbar schlecht geschlossenes Schloß aufbrechen; und sobald er Maurice vorn ins Boot gelegt hatte, überließer sich vorsichtig der Strömung, die ihn im Schatten der Flußbäder und der festliegenden Fahrzeuge am Ufer entlangtrieb. Weder der eine noch der andere sprach, so wurden sie durch das scheußliche Schauspiel eingeschüchtert, das sich vor ihnen abrollte. Je weiter sie den Strom hinabtrieben, je näher schien mit dem Zurücktreten des Horizontes das Furchtbare zu wachsen. Als sie an die Solferinobrücke kamen, konnten sie mit einem Blick die beiden in Flammen stehenden Kais übersehen.
    Links brannten die Tuilerien. Bei Einbruch der Nacht hatten die Kommunarden Feuer in beiden Enden des Palastes angelegt, im Pavillon der Flora und im Pavillon de Marsan; das Feuer hatte rasch den Pavillon de l'Horloge in der Mitte ergriffen, wo aus im Marschallsaal aufgestapelten Pulverfässern eine richtige Mine vorbereitet war. In diesem Augenblick stießen die Verbindungsgebäude durch ihre Fenster braunrote Flammenwirbel aus, durch die lange, blaue Stichflammen hervorschossen. Die Dächer glühten, feurige Risse platzten in ihnen auf wie auf vulkanischem Boden, den der Druck der Glut im Innern zersprengt. Am hellsten brannte der zuerst angezündete Pavillon der Flora vom Erdgeschoß bis zu den mächtigen Böden mit furchtbarem Brausen. Das Petroleum, mit dem die Fußböden und Wandbespannungen getränkt waren, verlieh den Flammen eine solche Kraft, daß sie sahen, wie das Eisen der Balkone sich bog und die hohen Prunkkamine mit den mächtigen Sonnenbildwerken wie glühende Kohlen barsten.
    Rechts kam dann zuerst der Palast der Ehrenlegion, der gegen fünf Uhr nachmittags angesteckt worden war; er brannte fast seit sieben Stunden und verzehrte sich mit der Flamme eines Riesenscheiterhaufens, dessen Holzwerk miteinem Male zusammenbricht. Dann kam der Palast des Staatsrats, ein mächtiger Brand, der gewaltigste, schrecklichste, ein riesiger flammenspeiender Steinwürfel mit Säulengängen in zwei Geschossen. Die vier Gebäude, die den großen inneren Hof umgaben, hatten alle auf einmal Feuer gefangen; und hier rieselte das in ganzen Fässern über die vier Ecktreppen ausgegossene Petroleum in einem höllischen Strome die Stufen hinunter. Auf der Wasserseite hob sich die klare Linie der Attika wie eine schwarze Rampe ab, der feurige Zungen die Seiten beleckten; die Säulenstellungen, das Hauptgesims, die Friese und der Bildhauerschmuck traten bei dem blendenden Widerschein dieses Riesenofens in außerordentlich kräftigem Relief hervor. Hier hatte das Feuer einen so gewaltigen Schwung, eine solche Kraft, daß es schien, als würde das gewaltige Bauwerk zitternd und ächzend von seinen Grundfesten abgehoben und sollte unter der Gewalt dieses Ausbruches, der das Zink seiner Dächer in den Himmel emporschleuderte, nur noch das leere Gerüst seiner dicken Mauern stehenbleiben. Daneben folgte dann die Orsaykaserne, deren einer ganzer Flügel in einer hohen, weißen Säule wie ein Turm des Lichts brannte. Dahinter bemerkten sie dann noch andere Brände, die sieben Häuser der Rue du Bac, die zweiundzwanzig der Rue de Lille, die den ganzen Horizont in Glut tauchten und Flammen über Flammen häuften, ein unendliches Blutmeer.
    Ganz erstickt flüsterte Jean:
    »Ist das Gottes möglich! Der Fluß fängt ja noch an zu brennen.«
    Tatsächlich schien ihr Boot wie von einem feurigen Strome dahingetragen. Bei dem tanzenden Widerschein dieser

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