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Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.

Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske.

Titel: Der Zwang zur Serie. Serienmörder ohne Maske. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pfeiffer
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Frau auf dreißig Jahre schätzt, trifft es ziemlich genau. Blondes Haar fällt ihr bis auf die Schultern. Sie ist schlank, trägt Jeans und weiße Sportschuhe. Aileen Wuornos wirkt nicht reizlos mit ihren braunen Augen und dem Lächeln des breiten Mundes. Sieht man näher hin, entdeckt man die scharfen Linien um die Mundwinkel, die schadhaften Zähne, die verfilzten Haarsträhnen. Das Kruzifix am Halskettchen deutet auf christlich-fromme Gesinnung.
    Aileen wechselt die Plastiktasche, die an ihrer rechten Schulter hängt, auf die linke. Die Tasche hat ihr Gewicht. Aileen nimmt eine Bierdose heraus und trinkt das laue Budweiser, ohne abzusetzen. Die leere Dose wirft sie hinter sich ins Gebüsch.
    Von Süden nähert sich ein Wagen. Aileen kennt sich mit Automarken aus. Es ist ein grauer viertüriger Pontiac Thunderbird, noch ziemlich neu, der da mit mäßiger Geschwindigkeit auf sie zukommt. Im Wagen befindet sich nur der Fahrer. Sie hebt den Arm und gibt mit dem Daumen das Stoppzeichen.
    Der Wagen hält an. Aileen tritt ans offene Fenster. Ein älterer Mann sitzt am Steuer, sechzig, vielleicht auch schon siebzig Jahre.
    Aileen lächelt ihn an. »Nehmen Sie mich mit? Meine Kinder warten bei meiner Schwester auf mich. Ich habe eine Panne.«
    Der Mann hat Mitleid mit der Frau, zumal sie ein Kreuz am Hals trägt. »Steigen Sie ein«, sagt er freundlich.
    »Danke.« Sie öffnet die Tür auf der Beifahrerseite und läßt sich aufseufzend in den Sessel fallen. Bevor der Mann wieder startet, zeigt sie ihm ein zerknittertes Foto. »Meine Kinder. Sie werden schon ganz unruhig sein.«
    Der Mann nickt verständnisvoll und fährt ab.
    »Ich warte schon eine ganze Stunde«, erzählt Aileen, »aber keiner der Scheißkerle hält an.«
    Der Fahrer schweigt. Die ordinäre Sprache der Frau paßt nicht zu einer frommen Gesinnung.
    »Ich heiße Lee Blahovec«, stellt sie sich vor.
    »Peter Siems«, antwortet der Mann.
    »Okay, Peter.« Sie blickt sich im Wagen um. Auf dem Hintersitz liegt ein Stapel Bibeln. Ohne zu fragen, nimmt sie eine Bibel und blättert darin. Sie ist noch druckfrisch. »Mein Gott«, sagt sie, »sind Sie etwa Pfarrer?«
    Siems gefällt die eigenmächtige und dreiste Art seines Gastes nicht. Aber er will nicht unhöflich sein. »Ich bin Missionar«, antwortet er, ohne den Blick von der Straße zu nehmen.
    »Missionar. Aha. Ein schöner Beruf, wie?«
    »Wer ihn ernst nimmt, dem bringt er Frieden und Befriedigung.«
    »Befriedigung!« Aileen lacht anzüglich. »Ich kenne nur
    Männer, die ganz woanders Befriedigung suchen. Oder -? Sind Sie da die große Ausnahme?«
    Siems, ein ehemaliger Seemann, der erst kürzlich Missionar bei der Sekte Christus ist die Antwort geworden ist, hat genug Welterfahrung, um zu ahnen, wohin diese Frau das Gespräch lenken möchte. Er sieht die Chance, eine gefährdete Seele zu retten. »Sie müssen schlimme Erfahrungen mit Männern gemacht haben, Lee«, beginnt er behutsam.
    »Schlimme?« wiederholt sie höhnisch. »Nur schlimme? Männer waren die Hölle für mich. Ich dagegen – ich habe immer versucht, jedem Mann das Himmelreich zu bereiten. Wenn er nur will.«
    Sie blickt Siems an. »Wenn Sie wollen, auch Ihnen.« Sie wirft die Bibel auf den Hintersitz. »Nicht erst nach dem Jüngsten Gericht. Sondern gleich. Für lausige dreißig Dollar.«
    Siems weiß jetzt, er hat sich nicht getäuscht. Eine billige Hure. Aber Christus ist die Antwort. Und Christus sagt:
    Auch die Sünderin sollst du nicht von dir weisen. »Ich verzichte gern auf Ihr Himmelreich, Lee«, sagt er väterlich, »aber ich bringe Sie natürlich zu Ihren Kindern.«
    »Das ist echte Nächstenliebe, Peter«, spottet sie, »wirklich, ich weiß das zu schätzen.«
    Der Wagen erreicht jetzt das Waldgebiet des Ocala-Nationalparks. Aileen beugt sich nach vorn, zur Tasche, die zwischen ihren Füßen steht. Plötzlich hat sie einen Revolver in der Hand, einen neunschüssigen 22er mit langem Lauf. »Fahre den nächsten Waldweg rechts rein!« befiehlt sie Siems.
    Siems blickt starr geradeaus. Er fährt am nächsten
    Weg vorbei. Aileen setzt ihm den Revolver an die Schläfe. »Mach das nicht noch einmal! Den nächsten Weg rein!«
    Siems wird jetzt wirklich unruhig. Sie meint es ernst. Er fragt Christus, was soll ich tun? Christus antwortet, tu, was sie sagt. Siems zwingt sich zu lächeln: »Wenn Sie mich meiner Bibeln berauben wollen, ich fürchte, Ihre Tasche ist zu klein dazu.«
    Aileen blickt ihn kalt an. »Halt die

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