Der zweite Buddha
doch kein Grund, ihn den ganzen Tag nicht zu sehen, oder?«
»O doch. Wenn er arbeiten wollte, hat er sich immer eingeschlossen, wissen Sie. Er hat immer beide Türen zugemacht.«
»Ach so, ich verstehe... Und er ist immer nur zum Arbeiten hineingegangen?«
»Ja.«
»Sagen Sie — da steht ein Diktiergerät in diesem Arbeitszimmer...«
»Ja, das stimmt.«
»...ich habe aber keine besprochenen Tonbänder gefunden.«
»Aber ich bin sicher, daß er diktiert hat. Er war doch den ganzen Tag in seinem Arbeitszimmer... Na ja, manchmal hat er nicht gleich den rechten Anfang finden können, aber trotzdem ...«
»Er diktierte wohl ziemlich viel, wie?«
»Ja. Er schreibt Reiseberichte und so. Reisen, das geht ihm über alles, es füllt sein ganzes Leben aus... füllte, meine ich ...«
Sie suchte ein Taschentuch, und Sellers wechselte rasch das Thema: »Und Sie selbst? Sie malen, wenn ich recht verstanden habe?«
»Ja, ganz recht.«
»Seit wann haben Sie das Atelier auf der unteren Etage gemietet?«
»Seit wann? Warten Sie mal... ungefähr seit einem halben Jahr, glaube ich.«
»Ich würde mich gern mal in Ihrem Atelier umsehen.«
»Kommen Sie, ich bringe Sie hinunter.«
»Nicht nötig«, meinte Sellers, »geben Sie mir nur den Schlüssel.«
»Ich würde aber lieber mitkommen ...«
»Wie Sie wünschen. Wir gehen nachher gleich ‘runter.« Er wandte sich zu Olney: »Und was wissen Sie über den ganzen Vorfall hier?«
»Ich habe immer ziemlich eng mit Mr. Crockett zusammengearbeitet«, begann Olney. »Gestern früh ist er in sein Arbeitszimmer gegangen, aber so um... also ich bin nicht ganz sicher — so zwischen halb fünf und fünf muß es gewesen sein, da kam er kurz heraus. Er gab mir ein paar Tonbänder zum Abschreiben und trug mir auf, Mr. Denton heute für neun Uhr zu bestellen... Denton, das ist der Sekretär. Ja, und er sagte noch, daß er auch verschiedenes mit mir zu besprechen haben werde. Dann hat er noch ein paar Telefongespräche geführt und ist wieder in sein Arbeitszimmer gegangen.«
»Wissen Sie, mit wem er telefoniert hat?«
»Nein, keine Ahnung.«
»Und der Sekretär ist heute früh dagewesen, ja?«
»Pünktlich um neun, gewiß. Sie können ihn ja hören.«
»Scheint wirklich ein ganz fixer Knabe zu sein«, meinte Seiler, nachdem er kurz dem rasenden Klappern gelauscht hatte.
»Er schreibt recht flott, und er ist sehr genau«, bestätigte Olney.
»So einen könnte ich für meine Berichte gut gebrauchen«, seufzte Sellers. »Da komm’ ich mit meinem Zweieinhalbfinger-System nicht mit... Ich hab’ auch so einen harten Anschlag, wissen Sie... kein Gefühl, das ist es.«
»Kann ich mir denken«, warf ich ein.
»Laß das, Kleiner«, knurrte er. »Was haben Sie überhaupt hier verloren, Lam?«
»Ich hatte etwas mit Mr. Crockett zu besprechen.«
»Ach nee... was denn?«
»Es handelt sich um einen Auftrag. Ich sollte etwas für ihn erledigen.«
»Da ist eine Statuette gestohlen worden«, erklärte Olney, »eine kleine Buddha-Figur aus Jade. Mr. Lam hat mich vorhin gerade angerufen und mir mitgeteilt, daß er sie wiedergefunden hat.«
Sellers hob die Augenbrauen. Ich nickte.
»So, so. Und wo haben Sie diesen Buddha?« erkundigte er sich.
»Ach, der ist gut aufgehoben«, wich ich aus. Aber Sellers war nicht so leicht abzuschütteln:
»Wo haben Sie das Ding denn aufgetrieben? Wer hat ihn denn gehabt, den Buddha?«
»Ich weiß nicht recht, ob das in diesem Zusammenhang so wichtig ist«, sagte ich langsam. Er sah ärgerlich hoch. Ich kniff ein Auge zu.
»Na schön, Kleiner«, knurrte er, »ich werde darauf zurückkommen.«
»Das Blasrohr war übrigens auch gestohlen worden«, brachte sich Olney wieder in Erinnerung.
Sellers zuckte zusammen, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen. »Sagten Sie Blasrohr?« fragte er.
»Ganz recht, das Blasrohr.«
»Mit so einem Ding ist er doch umgebracht worden, nicht wahr?«
»Allem Anschein nach ja.«
»Ts, ts, ts — das Blasrohr, schau mal an... Wie war das also mit dem Blasrohr?«
»Mr. Lam hat es ebenfalls wiedergefunden — gestern, wenn ich recht unterrichtet bin ...«
Sellers sah zu mir herüber und knurrte erstaunt: »Ach nee ...«
»... und soviel ich weiß, hat er es Mrs. Crockett gegeben«, beendete Olney seinen Satz.
»Was Sie nicht sagen...«, murmelte Sellers. Er sah erst mich an, dann Phyllis Crockett: »Haben Sie es noch?«
»Es ist unten im Atelier.«
»Im Atelier? Wie ist es denn da hingekommen?«
»Mr. Lam
Weitere Kostenlose Bücher