Der zweite Gral
Keller.«
»Nur noch einen«, antwortete der Russe. »In meinem Lager in Moskau. Als Ersatz, falls dieser hier ausfällt.«
»Wie lange dauert es, das Gerät an einen keimfreien Ort zu schaffen und es zu kalibrieren?«
»Zwei Tage. Vielleicht drei.«
»Ausgezeichnet! Das Epstein-Barr-Virus muss eine Woche lang auf den Organismus einwirken, um Krebs hervorzurufen und die Zellteilungsfähigkeit zu verbessern. Wenn wir es uns jetzt verabreichen, bleibt genügend Zeit, uns in Moskau zu heilen.«
Briggs sah ihn gequält an. »Was, wenn etwas dazwischenkommt? Ich will nicht krepieren wie die armen Teufel, mit denen Sie Ihre ersten Versuche durchgeführt haben. Weshalb nehmen wir das Epstein-Barr-Präparat nicht einfach mit und infizieren uns, sobald wir sicher sind, dass Sergejs Ersatzmaschine tatsächlich funktioniert?«
»Weil unsere Viren-Variante äußerst instabil ist. Sie hält sich maximal zwei Tage lang in einer Nährlösung. Wenn das Virus sich bis dahin nicht in einem Wirtsorganismus einnisten konnte, stirbt es ab.«
»Dann werden wir in Moskau eben ein neues Präparat herstellen.«
»Sie haben ja keine Ahnung, wie kompliziert das ist! Nicht nur die Modifikation der Epstein-Barr-Viren. Wir brauchen auch lebende Menschen als Wirtsorganismen. In einem unterirdischen Labor in Arabien, geschützt von einem ummauerten Palast, kann man sich solch einen Krebs-Koma-Saal einrichten. Aber in Moskau wird das ungleich schwerer!« Goldmanns hypnotischer Blick bohrte sich in Briggs Augen. »Wie lange haben Sie auf diesen Moment gewartet, Thomas?«, fragte er. »Wollen Sie eine solche Gelegenheit wirklich wegwerfen?«
Briggs’ Blicke huschten hin und her. Goldmann wusste, dass er den Mann überzeugt hatte.
»Was ist mit Ihnen, Sergej?«, fragte Goldmann.
»Ich bin einverstanden, vorausgesetzt, der Jeep wartet auf uns.«
Goldmann wandte sich an Assad, der noch einen Augenblick lang zögerte.
»Also schön«, sagte der Scheich. »Ich gebe uns zwanzig Minuten. So lange werden meine Wachen die Polizei beschäftigen. Wird das reichen?«
Goldmann nickte. »Absolut.«
Von da an ging alles ganz schnell. Goldmann und Ljuschkin stützten Briggs wegen seines verletzten Beins. Assad gab dem Fahrer des Jeeps neue Anweisungen und schickte ein paar Wachen aus, um den Palast noch einmal nach Donna Greenwood abzusuchen.
Im Labor kümmerte Goldmann sich persönlich um die Verabreichung der Epstein-Barr-Präparate. Auch sich selbst setzte er eine Spritze mit der blutroten Flüssigkeit. Die Prozedur verlief reibungslos und dauerte keine sechzig Sekunden bei jedem Patienten.
Als sie wieder im Palast waren, meldete ein Wachmann, dass Donna Greenwood in der ersten Etage gefunden worden war – tot. Verschüttet von brennenden Trümmern. Assad erteilte den Männern mehrere letzte Befehle. Dann verschwand er mit Goldmann, Ljuschkin und Briggs durch den Hinterausgang in den Garten.
Am Südtor wartete der Jeep, der sie zum Hangar brachte. Fünfzehn Minuten später befanden sie sich in der Luft.
Der Morgen dämmerte über dem Tihamat-as-Sam-Gebirge – ein Silberstreif am östlichen Horizont.
Lara rieb sich die Kälte aus den Fingern und blickte aus ihrem Höhlenversteck ins Tal hinunter. Dort unten, im Schatten der Berge, herrschte noch Dunkelheit. Nur in den Häusern von al-Quz brannten die Lichter. Die Stadt hatte in dieser Nacht keine Ruhe gefunden.
Durch ihren Feldstecher beobachtete Lara das rege Treiben rund um den Palast. Sämtliche Feuer waren inzwischen gelöscht; nur an manchen Stellen glimmte noch Glut. Polizisten und Wachleute wuselten wie Ameisen umher und versuchten, Ordnung in das Chaos zu bringen.
Was noch eine Weile dauern kann, dachte Lara.
Neben ihr, auf dem Felsboden, lag die Waffenkiste. Doch die Fahrt hierher war ohne Zwischenfälle verlaufen, sodass Lara nicht mehr mit Verfolgern rechnete. Der Lkw stand ein gutes Stück abseits, am Fuß des Hanges, an einer Stelle, wo man ihn vom Tal aus nicht sehen konnte.
Tom Tanaka gesellte sich zu Lara. »Tee?« Er hielt ihr einen Becher hin, den sie dankbar annahm. Ein paar Minuten starrten sie beide ins Tal hinunter.
»Er wird nicht mehr kommen«, sagte Tanaka.
Lara nickte, erstaunt darüber, wie gut der Japaner ihre Gedanken lesen konnte. Die ganze Nacht hatte sie darum gebetet, dass Emmet noch auftauchen würde. Diese Höhle war der vereinbarte Fluchtpunkt. Aber wenn er bis jetzt nicht gekommen war, gab es wohl keine Hoffnung mehr.
»Wie geht es dem
Weitere Kostenlose Bücher