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Der zweite Kuss des Judas.

Der zweite Kuss des Judas.

Titel: Der zweite Kuss des Judas. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Vigàta, die, nach einem ersten Augenblick der Verwirrung, rasch reagierten und die Prinzessin auf verschiedenerlei Weise und mehr oder weniger respektvoll zum Schweigen brachten. Hinzuzufügen ist noch, dass einige nicht näher identifizierte Flegel die Lage ausnutzten und die Prinzessin frech und lauthals auslachten. Beim Erscheinen von Marchese Simone, der seine Frau Mutter mithilfe der Dienerschaft wieder hineinbrachte, kehrte Ruhe ein, da der Marchese sich bei den Bürgern entschuldigte und die Balkontür schloss. Angesichts dieser Lage entschied ich Folgendes: mich unverzüglich zum Königlichen Polizeikommissariat zu begeben, das voller Personen war, die als Komparsen am Passionsspiel teilgenommen hatten. Hier traf ich Commissario Ernesto Bellavia an, der sich über meine Anwesenheit in seinem Revier ziemlich verärgert zeigte. Mit gewählten und ruhigen Worten erklärte ich ihm die Notwendigkeit, die Bühne baldigst vo n der Piazza zu entfernen, um die Bürger vor unangenehmen Situationen zu bewahren, und berichtete ihm von dem Vorfall, der sich kurz zuvor zwischen der Prinzessin und der Bevölkerung abgespielt hatte.
      Draufhin sagte er lachend wörtlich, das sei ihm »scheißegal«, denn er brauche die Bühne für weitere Untersuchungen.
      Ich wies ihn, stets höflich bleibend, darauf hin, dass sich jede Untersuchung der Bühne mittlerweile erübrige, weil seit Tagen jedermann sie nach Belieben bei Tag und bei Nacht ungehindert betreten und sogar seine Notdurft dort verrichten könne. Daraufhin wandte Bellavia mir den Rücken zu und entfernte sich, wobei er behauptete, er habe viel zu tun und wolle daher seine Zeit nicht vergeuden. Zu Ihrer Kenntnisnahme.
    Der Maresciallo der Kgl. Carabinieri (Paolo Giummàro)

    WER HAT ANTONIO PATÒ GESEHEN?

      Wer Signora Elisabetta Patò, Via C. Colombo 22, Vigàta, etwas über seinen Verbleib sagen kann, erhält eine Belohnung.
      Signora Elisabetta Patò bittet vor allem die Personen, die am Ostermontag einen Ausflug aufs Land unternehmen, um ein wachsames Auge.

    Mein Dank gilt der Druckerei Mulone &. Söhne sowie dem städtischen Plakatkleber Aricò für ihre Arbeit trotz der Feiertage.

    KÖNIGLICHES POLIZEIKOMMISSARIAT VIGÀTA
    An den
    Signor Questore Polizeipräsidium Montelusa
Vigàta, den 23. März 1890
Tgb.-Nr.213
Betreff: Ermittlungen im Fall des vermissten Patò

      Aus der am heutigen Sonntag, 23. März, erfolgten Befragung aller Personen, Männer und Frauen, die beim Passionsspiel als Komparsen mitgewirkt haben, hat sich nichts ergeben, was das Verschwinden von Antonio Patò irgendwie klären könnte.

      Bezüglich des Vorfalls der Hurerei, die Abbate Giovanni und Fantauzzo Margherita betrieben haben, bitte ich um Aufschluss, um rechtlich gegen sie vorgehen zu können. Auch wenn ich verstehe, dass sich die Angelegenheit recht schwierig gestaltet angesichts der Tatsache, dass die beiden volljährig sind, beide willens waren, im Hause Curtò nichts gestohlen haben, die Prinzessin sich ihre Verletzung beim Sturz infolge der Ohnmacht selbst zugezogen hat und man nicht behaupten kann, dass sie eine obszöne Handlung in der Öffentlichkeit vollzogen hätten. Was nun? Die einzige Möglichkeit wäre, Don Spiridione Randazzo zu verständigen, denn ein Sakrileg wurde sicher begangen.

    Ich weise darauf hin, dass Giummàro Paolo, der Maresciallo der Königlichen Carabinieri, auf dem Kommissariat erschienen ist und mir in hochmütiger und grober Manier befohlen hat, die Bühne, die für die Aufführung gedient hatte, unverzüglich abbauen zu lassen, wobei er behauptete, sie behindere die Einfahrt der Kutschen durch das Portal des Palazzo Curtò und der Marchese habe sich lautstark bei ihm beschwert.
      Die servile Botmäßigkeit des Maresciallo gegenüber Marchese Curtò ärgerte mich sehr, doch ich ließ mir nichts anmerken und antwortete höflich, die Bühne sei für die weiteren Ermittlungen unverzichtbar. Daraufhin grinste der Maresciallo höhnisch und entfernte sich grußlos. Ebenfalls weise ich darauf hin, dass ich, da die Tür der Filiale der Banca di Trinacria halb offen stand, in die Bank gegangen bin, wo ich den Hauptkassierer, Buchhalter Vitantonio Tortorici, antraf. Er informierte mich darüber, dass sich der Generalinspekteur der Bank wegen der erforderlichen Überprüfungen im Bureau des Filialdirektors aufhalte. Nachdem der Unterzeichnete Tortorici gebeten hatte, dem Vorgang der Überprüfung und Kontrolle beiwohnen zu dürfen,

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