Der zweite Mord
wütend an. Krister blickte grimmig. Er war gelernter Koch und bereitete alle möglichen Gerichte meisterhaft zu. Mit verräterisch sanfter Stimme fragte er:
»Und was gedenkst du dann zu essen?«
»Es gibt eine Menge prima Essen, das nicht von ermordeten oder gequälten Tieren stammt. Gemüse, auch Wurzelgemüse, Obst, Beeren, Getreide, Nüsse und Hülsenfrüchte. Außerdem gibt es Pflanzenfett.«
Es klang auswendig gelernt, als Jenny ihre Essensliste herunterbetete. Das war es sicher auch. Wo hatte sie das nur her?
Die nette, gemeinsame Mahlzeit hatte eine beunruhigende Wendung genommen. Krister war ein friedliebender und freundlicher Mensch, aber Essen war seine große Leidenschaft, sowohl beruflich als auch in der Freizeit. Das sah man seinem Bauch auch langsam an. Das ist wohl Berufsrisiko, dachte Irene zärtlich. In ein paar Jahren würde er fünfzig werden. Er sollte vielleicht etwas mit seinem Gewicht aufpassen. Sie selbst verabscheute es, zu kochen. Das hatte sie stets dankbar Krister überlassen.
Sein Tonfall war hart und kurz, als er sagte: »In diesem Fall kannst du dir dein Kaninchenfutter selber zubereiten! Wir anderen gedenken weiterhin so zu essen wie bisher.«
Um den Tisch wurde es still.
KAPITEL 6
»Du solltest langsam mal die Rasierklinge wechseln.«
»Es stimmt also, dass wilde Katzen auch nicht immer ungeschoren davonkommen!«
»Warst du so wild darauf, dich liften zu lassen?«
Die frechen Kommentare hagelten um Irenes eingepacktes Ohr herum. Sie war diesen Jargon gewöhnt und nahm ihn nicht weiter krumm. Er war das wohl bekannte Indiz für die Nervosität, die sich immer zu Beginn einer Ermittlung einstellte, besonders dann, wenn es um einen komplizierteren Fall ging. Die Scherze und Sticheleien nahmen etwas von der Spannung, die alle empfanden.
Irene blickte in die Runde. Sechs Inspektoren, der Kommissar und der Polizeitechniker Svante Malm waren zugegen. Der Kommissar sah müde und überarbeitet aus. Fredrik Stridh neben ihm wirkte alles andere als das. Er war der jüngste von ihnen allen, aber das war nicht der einzige Grund. Seine ganze Gestalt pulsierte von gezügelter Energie. Irene seufzte innerlich. Es war erfreulich, dass Leute wach und aufmerksam wurden, aber Morde ließen sich nicht durch jugendlichen Enthusiasmus lösen. Morde wurden durch langweilige Routinearbeit gelöst, Überprüfungen, nochmalige Überprüfungen, Verhöre und erneute Verhöre. Ein routinemäßiges Durchkämmen. Am Schluss hatte man hoffentlich ein Bild des Mörders oder wusste, wie er vorgegangen war.
Birgitta Moberg war die zweite Inspektorin in der Gruppe. Sie und Fredrik Stridh hatten im vergangenen Jahr eine kurze Affäre gehabt. Sie war im Sand verlaufen, als Birgitta für zwei Monate nach Australien gefahren war und Fredrik sie nicht begleiten durfte. Mehrere Wochen lang war er sauer und verdrossen gewesen, hatte dann aber wieder zu seinem alten Ich zurückgefunden. Sie hieß Sandra, hatte sich Irene sagen lassen. Mit ihrem blonden Haar und ihren funkelnden braunen Augen war Birgitta eine schöne Frau. Sie sah jünger aus als ihre dreißig.
Inspektor Jonny Blom hatte schon ein paar Jahre mehr als Irene bei der Mordkommission auf dem Buckel. Er war verheiratet und hatte vier Kinder. Seine giftigen Kommentare und rohen Scherze bereiteten Irene Mühe, sie musste jedoch zugeben, dass er ein sehr guter Polizist war. Vor allem war er ein tüchtiger und geschickter Verhörleiter.
Tommy Persson saß auf der anderen Seite von Irene. Er war nicht nur derjenige, mit dem sie am engsten zusammenarbeitete, sondern auch ihr bester Freund. Anfangs hatten ihre Kollegen ihr Verhältnis kommentiert, aber mittlerweile hatten sie sich daran gewöhnt. Irene und Tommy hatten zusammen die Polizeischule besucht und waren seitdem gute Freunde.
Schließlich schaute Irene auf den ältesten der Inspektoren. Hans Borg war vierundfünfzig und damit zwei Jahre jünger als der Kommissar. Aber verglichen mit Hans Borg war dieser ein Phänomen an Gewandtheit. Borg hatte sein eigenes soziales Schutznetz erfunden: Er war Frührentner mit Arbeitsplatz und ohne Lohneinbuße.
»Da wären wir also vollzählig. Ich beginne mit einer Zusammenfassung der Ereignisse des gestrigen Tages.«
Andersson referierte die Umstände des Mordes an der Nachtschwester Marianne Svärd. Die Verdunkelung des Krankenhauses und die Sabotage des Notstromaggregates schienen vom Mörder genauestens geplant worden zu sein, die Aussage von Siv Persson
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