Der zweite Mord
dem Wort »Warten« war eine gelbe Lampe, neben »Herein« eine grüne. Da er schon den ganzen Weg gekommen war, beschloss Andersson die rote Lampe als gelb zu deuten. Also setzte er sich auf einen unbequemen Holzstuhl, der an der Wand stand. In der Stille des Korridors konnte er deutlich die wütende Stimme der Stridner hören: » … die schlechteste mündliche Prüfung, die mir je untergekommen ist. Man muss auch für mündliche Prüfungen lernen! Das lässt wirklich auf eine unglaubliche Einfalt schließen, zu glauben, dass man schon damit durchkommt, wenn man einfach nur herumschwätzt. Man muss auch wissen, wovon man spricht! Sie haben sich offenbar überhaupt nicht vorbereitet! Oder Sie begreifen gar nicht, was Sie lesen! Letzteres wäre natürlich das Schlimmste. Gegen das Erste kann man etwas unternehmen. Gehen Sie nach Hause und lernen Sie weiter! In drei Wochen wiederhole ich die Prüfung noch einmal mit allen, die durchgefallen sind. Schriftlich!«
Die Tür wurde geöffnet, und ein Mädchen mit kurzem, schwarzem Haar lief schniefend auf die Treppe zu. Der Kommissar blieb unschlüssig sitzen. Sein Zögern wurde von Entsetzen abgelöst, als er die Stimme der Professorin hörte.
»Sie sitzen wohl da und wissen nichts mit sich anzufangen, Herr Andersson?«
Andersson sah wie ein Student aus, der beim Abschreiben erwischt worden ist.
»Ja …«, gab er lahm zu.
»Was wollen Sie?«
»Marianne Svärd … ist sie schon obduziert?«
»Klar. Natürlich. Kommen Sie rein.«
Stridner ging vor ihm ins Zimmer und setzte sich auf den bequemen Schreibtischstuhl vor dem Computer. Auf der anderen Seite des Schreibtisches stand ein Besucherstuhl mit einem verschlissenen Plastikbezug. Er war hart und unbequem. Das war sicher auch beabsichtigt. Man sollte es sich bei Frau Professor nicht zu gemütlich machen.
Als er sich schwer atmend auf den Stuhl sinken ließ, warf ihm die Stridner einen durchdringenden Blick zu.
»Gibt es bei der Polizei keinen Betriebsarzt, der so etwas wie die Weight Watchers organisieren könnte? Information über gesunde Ernährung? Sport für Übergewichtige. Das würde für Ihren Blutdruck Wunder wirken.«
Aber Andersson ließ sich von der herablassenden Art der Stridner nicht provozieren. Mit größter Selbstüberwindung antwortete er mit neutraler Stimme:
»Gegen meinen Bluthochdruck nehme ich Medikamente. Alles unter Kontrolle. Aber ich würde gerne erfahren, was sich bei der Obduktion von Marianne Svärd ergeben hat.«
Er zwang sich zu einem freundlichen Lächeln. Die Stridner presste die Lippen zusammen und sah alles andere als überzeugt aus, was die Frage anging, wie sich der Kommissar um seinen Blutdruck zu kümmern vorgab. Zu Anderssons Erleichterung beschloss sie jedoch, das Thema zu wechseln.
Sie setzte eine grüne Lesebrille auf, die zu ihrem feuerroten Haar passte.
»Die Todesursache ist Erdrosseln. Die Schlinge hat sich tief in den Hals eingeschnitten und kräftige Blutergüsse verursacht sowie Muskulatur und Knorpel beschädigt. Neben dem Abdruck der Schlinge sind Kratzwunden vorhanden, die sich das Opfer selbst zugefügt hat, als es versuchte, sich gegen die Schlinge zu wehren. Dem Abdruck dieser Schlinge kann ich ansehen, dass der Mörder hinter dem Opfer stand. Man sieht deutlich, dass die Schlinge im Nacken geknotet war. Ich kann ebenfalls sagen, dass der Mörder größer war als sein Opfer, sofern dieses nicht gesessen hat, als es erwürgt wurde.«
»Um was für einen Typ von Schlinge handelt es sich?«
»Um ein dünnes, elastisches und starkes Seil. Ich habe in der Wunde ein paar Fasern gefunden, die ich zum Analysieren geschickt habe. Wahrscheinlich handelt es sich um ein dünnes Baumwollseil, das mit einem synthetischen und elastischen Material verstärkt worden ist. Möglicherweise ist das Seil auch ganz aus Kunstfasern.«
Die Stridner runzelte die Stirn und schien nachzudenken. Dann leuchtete ihr Gesicht auf, und sie rief:
»Apropos Fasern! Ich habe auch welche unter den Fingernägeln des Opfers gefunden. Sowohl unter denen der rechten als auch denen der linken Hand. Dunkle, dünne Textilfasern.«
»Wolle«, stöhnte der Kommissar.
Die Stridner sah ihn verwundert an.
»Wolle? Gut möglich. Wahrscheinlich hat das Opfer nach den Armen des Mörders gegriffen und versucht, diesen dazu zu bringen, seinen Griff um die Schlinge zu lockern. Aber sie erwischte nur den Stoff der Jackenärmel.«
»Der Ärmel des Kleides«, sagte Andersson düster.
Ȁrmel des
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