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Der zweite Mord

Der zweite Mord

Titel: Der zweite Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Tursten
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Svärd hier auf der Station aufgehört?«
    Die Schwester zog den Mundschutz wieder hoch.
    »Sie … ich gehe den Stationspfleger holen«, murmelte sie.
    Eilig schloss sie die Tür. Die Sekunden wurden zu Minuten, und Irene spürte, wie ihr Ärger wuchs. Schließlich hörte sie, wie sich Schritte näherten, und die Tür wurde kraftvoll von einem Adonis geöffnet. Das war jedenfalls Irenes erster Gedanke, als sie den Mann in der Tür sah.
    Das war jetzt innerhalb von vierundzwanzig Stunden bereits die zweite Person, die Mitte Februar stark sonnengebräunt war. Der Mann war ebenso groß wie Irene, gelenkig und muskulös. Das dicke, honiggelbe Haar hatte helle Strähnen und war im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Die hellen, bernsteinfarbenen Augen hatten dunkle Pünktchen. Die Gesichtszüge waren von klassischer Schönheit. Als er ein blendend weißes Lächeln aufsetzte, war die Wirkung fast betäubend.
    »Hallo. Sie sind von der Polizei?«
    »Guten Morgen. Ja. Kriminalinspektorin Irene Huss.«
    »Niklas Alexandersson. Stationspfleger.«
    Er streckte seine trockene Hand aus und drückte ihr kraftvoll die ihre. Irene bemerkte, dass er in beiden Ohren mehrere Goldringe trug. Er war älter, als sie zuerst geglaubt hatte, eher dreißig als zwanzig.
    Es hatte keinen Sinn, noch mehr kostbare Zeit zu vergeuden, deshalb kam Irene direkt zur Sache:
    »Ich muss mit jemandem reden, der mir Auskünfte über Marianne Svärd geben kann. Haben Sie mit ihr hier gearbeitet?«
    Es war, als hätte sie den Strom abgestellt. Das strahlende Lächeln erlosch. Er stand schweigend eine längere Zeit da. Nach einer Weile sagte er:
    »Lassen Sie uns ins Konferenzzimmer gehen.«
    Er schloss die Tür zur Intensivstation und ging auf eine andere am Korridor zu, die er erst aufschließen musste. Er machte eine einladende Handbewegung.
    Das Zimmer war mit einem ovalen Konferenztisch aus Holz möbliert, mit Stühlen aus demselben Holz und mit dem obligatorischen Overhead-Projektor. Niklas Alexandersson ging zu einer Gegensprechanlage, wählte und sagte in das Mikrofon:
    »Hier ist Niklas. Ich bin im Konferenzzimmer, falls etwas sein sollte. Am liebsten würde ich aber nicht gestört werden.«
    »Okay«, antwortete eine Frauenstimme.
    Langsam drehte er sich zu Irene um und fragte:
    »Warum brauchen Sie Auskünfte über Marianne? Und was für Auskünfte sollen das sein?«
    »Ich will so viel wie möglich über Marianne wissen. Was hielten Sie von ihr?«
    Der Stationspfleger warf Irene einen scharfen Blick zu, ehe er ein schnelles Lächeln abfeuerte. Dieses Lächeln war nicht blendend, sondern bösartig.
    »Harmlos und freundlich.«
    Er hatte sie nicht gemocht, das war offenbar.
    »Waren Sie mit ihr nicht zufrieden?«
    »Nein. Sie war tüchtig und gewissenhaft.«
    »Sie hat keine Fehler bei der Arbeit gemacht? Kunstfehler oder so etwas?«
    Niklas Alexandersson sah aufrichtig erstaunt aus, als er fragte:
    »Nein. Wieso?«
    »Nach Aussage ihrer Arbeitskollegen in der Löwander-Klinik hat sie hier vor zwei Jahren abrupt mit dem Arbeiten aufgehört. Haben Sie eine Vorstellung, warum?«
    »Selbst wenn ich das wüsste, sehe ich nicht, was das die Polizei angeht.«
    Irene fing den Blick seiner göttlichen bernsteinfarbenen Augen auf. Ohne diesem auszuweichen, sagte sie langsam:
    »Marianne Svärd ist heute Nacht ermordet worden.«
    Die Farbe verschwand aus seinem Gesicht, und die Sonnenbräune wich einem kränklichen gelbgrauen Farbton. Offenbar war er kurz davor, ohnmächtig zu werden. Er tastete nach einem Stuhl, bekam einen zu fassen und ließ sich schwer darauf niedersinken. Erbarmungslos fuhr Irene fort:
    »Deswegen geht das die Polizei was an. Ich wiederhole meine Frage. Warum hat sie hier aufgehört?«
    Niklas stützte die Ellbogen auf den Tisch und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Nach einer Weile nahm er die Hände wieder weg und rieb sich die Augen. Mit angestrengter Stimme antwortete er:
    »Sie sagte, dass sie etwas anderes ausprobieren will.«
    »Das sagen ihre Kollegen von der Löwander-Klinik aber nicht.«
    Er erstarrte, schwieg aber. Irene fuhr fort:
    »Sie soll gesagt haben, dass sie es nicht ertragen könnte, täglich einem gewissen Mann hier auf der Station zu begegnen.«
    Immer noch saß er unbeweglich da und antwortete nicht. Irene beschloss, etwas zu riskieren.
    »Wenn Sie nicht antworten wollen, sollte ich vielleicht ein paar Worte mit Dr. Alm wechseln.«
    Er machte eine müde Handbewegung.
    »Das ist nicht nötig. Alle

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