Der zweite Tod
dachte: Lieber Gott, lass es einen Knall tun, der mich aus dieser Blase wieder befreit. Dann schloss sie das Fenster und verriegelte es sorgfältig.
Mari kam nach zwanzig Minuten. Sofi holte sie an der Sicherheitsschleuse zu den Räumen der Gruppe ab. Mari runzelte die Stirn, als sie den gedeckten Tisch erblickte. Sie hatte nicht erwartet, zu einer Weihnachtsfeier eingeladen zu werden. Zu dritt saßen sie am Tisch und tranken Abendkaffee.
Sofi musterte Mari neugierig. Sie hatte auf einmal richtige Weihnachtsstimmung, die sie an sich gar nicht kannte.
»Das ist kein Trick«, sagte Barbro zu Mari. »Es hat sich einfach so ergeben. Wir bekommen gleich unser Essen.«
Mari freute sich. Sie sprachen über dies und das. Es erstaunte sie alle, wie leicht das ging. Sie vermieden es, über die Ermittlung zu sprechen, aber Barbro kündigte an, dass sie nach dem Essen gerne noch einiges mit ihr durchgehen wollte. Mari hatte nichts dagegen.
Das Essen kam erst um zehn. Barbro musste zum Haupteingang hinunterrennen, um es in Empfang zu nehmen. Nach dem Essen holte Sofi die Schachtel aus Hennings Schublade, und alle rauchten. Anschließend stand Barbro auf und holte einige Unterlagen aus dem Büro. Die Stimmung war schon vertrauensvoll genug, dass Barbro Mari gar nichts zu erklären brauchte. Sie zeigte ihr die Phantomzeichnung.
»Das ist wahrscheinlich der Mörder von Carl Petersson«, behauptete sie. Mari sah Barbro und Sofi bestürzt an. »Wenn wir an ihn herankommen, können wir vielleicht sogar beweisen, was passiert ist.«
Mari betrachtete das Foto und zerbrach sich den Kopf. »Ich hab den schon mal gesehen«, raunte sie. »Ich weiß nur nicht, wo.«
»Vielleicht auf einem Foto?«
Sie zuckte mit den Schultern.
»Lasst uns in die Wohnung fahren«, schlug Sofi vor. »Ich will wissen, was Mari dort gemacht hat. Ich will es sehen.«
Barbro war einverstanden. »Ist vielleicht auch ganz gut für ihr Gedächtnis, wenn wir uns bewegen.«
Sie zogen sich an. Mari bekam eine Ersatzjacke von Henning. Darin sah sie nach Barbros Urteil aus, als triebe sie auf Hilfe wartend in einer Rettungsinsel im Meer. Dann fuhren sie zur Västmannagatan.
Sofi war seit über einer Woche nicht mehr hier gewesen. Die Zeit kam ihr noch viel länger vor. Die Wohnung war für sie ein Museum geworden. Äußerlich hatte sich nichts verändert. Sie konnte sich sogar erinnern, viele Gegenstände dorthin gelegt zu haben, wo sie jetzt noch lagen. Sofi wollte den Ablauf der Mordnacht noch einmal durchspielen. Dazu räumten sie den Schreibtisch frei. Barbro spielte Petersson und setzte sich an den Schreibtisch. Mari und Sofi kamen aus dem Wohnzimmer, hielten an der Wohnungstür für die Paketannahme. Dann ging Mari ins Arbeitszimmer. Nachdem Barbro bewegungsunfähig am Tisch verharrte, zeigte Mari, wie sie die Sachen aus der Wohnung in ihre Tasche gepackt hatte. Jetzt wurde noch einmal so richtig klar, was danach alles geschehen sein musste. Der Computer war inzwischen abtransportiert, aber Sofi zeigte auf ihrem Laptop, was auf dem Monitor zu sehen gewesen war.
Das erstaunte Mari. »Der hatte doch von Computern gar keine Ahnung. Er konnte nicht mal eine Datei ohne meine Hilfe in einen anderen Ordner verschieben.«
Sofi fühlte sich in ihrer früheren Annahme bestätigt, aber Barbro war erstaunt.
»Wir sind bisher davon ausgegangen, dass der Trick mit dem Passwort und dem Server seine Erfindung war«, sagte sie.
Mari schnaubte. »Nein, nein, nie!«
»Warum bist du so sicher?«, wollte Barbro wissen.
»Server? Das hätte der nie kapiert.«
Sofi kramte Unterlagen hervor und zeigte Mari, wie das Passwort codiert gewesen war. »Das mit den Zahlen in verschiedenen Sprachen, das kann doch sein Stil gewesen sein.«
Mari blickte skeptisch drein.
Sofi war sicher, dass Petersson und Kajsa sich die Sache zusammen ausgedacht hatten. Vielleicht war Fohlin auch dabei gewesen. Sie hatte heute oft gestutzt, wie gut er seine Computeranlage sichern konnte, und dachte daran, dass die Programmierung militärisch war. Fohlin war zwölf Jahre Soldat gewesen, aber das konnte auch Zufall sein. Auf normalem Weg hätte ein Soldat keinen Zugang zu geheimer Militärtechnik gehabt.
Barbro deutete auf die Tafeln an der Wand und zeigte Mari die Notizen, die auf dem Schreibtisch gelegen hatten. Das alles hatte Mari noch nie gesehen. Barbro zog drei Bilder von Kajsa Björklund heraus und legte sie auf den Schreibtisch. Mari schüttelte den Kopf, doch Barbro forderte sie auf,
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