Der zweite Tod
Tasse, als die E-Mail kam.
»Ist das Ammoniak, was da so nach Männerpisse schmeckt?«, wollte Barbro mit verzerrtem Gesicht wissen.
»Birke«, antwortete Sofi und starrte auf den Bildschirm. An die E-Mail waren mehrere Dateien angehängt, Auflistungen aller ein- und ausgehenden Anrufe, die in den letzten drei Monaten mit Kajsas Telefon geführt worden waren. So lange wurden diese Daten gespeichert. Sofi druckte die Liste aus. Dann verglich sie die Telefonnummern mit denen, die sie kannte, und stieß auf zwei. Kenneth Fohlin und Kajsa Björklunds Telefonnummern in der Universität und in ihrer Wohnung in Uppsala.
»Sie wird sich ja wohl kaum selbst angerufen haben«, sagte Barbro.
»Nein. Dieses Telefon haben Petersson und Kajsa gemeinsam benutzt, und zwar nur für ihre heimlichen Projekte. Anscheinend hat es immer einer der beiden bei sich gehabt, um mit anderen wie Fohlin zu sprechen. Deshalb hat Mari es auch nur ab und zu bei Petersson gesehen.«
Alle anderen Nummern auf der Gesprächsliste kannten sie noch nicht. Die meisten waren schwedisch, andere lagen im Ausland.
Sofi rief ihren Kontaktmann bei der Telefongesellschaft an und bat ihn herauszufinden, wo sich das Telefon zum Zeitpunkt der beiden Morde befunden hatte. Das würde etwas dauern.
»Jetzt müssen wir die unbekannten Nummern auf der Liste anrufen«, sagte Barbro. »Und die Stimmen vergleichen. Wenn wir Glück haben, ist die Notrufstimme darunter.«
»Und was sagen wir? Mitten in der Nacht?«
Barbro griff beherzt zum Hörer und forderte von unten aus der Wache eine weibliche Polizistin an. Die kam nach fünf Minuten.
»Du rufst zum dritten Mal an«, instruierte Barbro die Polizistin. »Vorher hast du zweimal wütend den Hörer aufgeknallt. Du bist verletzt, das Schwein behandelt dich wie den letzten Dreck. Eine Mischung aus Unglück und Titten.«
Die Uniformierte verstand.
Jedes Mal war der Anruf der gleiche. Die Kollegin von der Wache begann das Telefonat mitten im Satz, der Mann am anderen Ende der Leitung verstand rasch, dass sich eine junge Frau in ihrer verzweifelten Rage verwählt hatte. Weil die Angerufenen unmittelbar und nebenbei von den riesigen Brüsten der Anruferin erfuhren, dauerten die Gespräche lange genug, damit Sofi eine verwertbare Stimmprobe speichern konnte.
Sie riefen nur die Telefonnummern in Södermanland und Uppland an. Das dauerte eine halbe Stunde.
Der Mann, der in der Mordnacht aus Sahlins Wohnung den Notruf angerufen hatte, hieß Jon Ola Sundman. Über ihn gab es bei der Polizei keine Aufzeichnungen. Ein Foto zu bekommen war so spät am Abend nicht mehr möglich.
»Weißt du was?«, sagte Barbro. »Als du zum ersten Mal bei Kajsa vorbeigeschaut hast, müssen Kajsa und die Männer aus der Wohnung gegenüber verwundert gewesen sein, dass wir so schnell auf diese Verbindung gekommen sind. Das hat der ganzen Sache eine Drift gegeben. Genau, wie du gesagt hast.«
61
Moas Anruf kam um zehn Uhr. Sie wandte sich immer nur an Henning selbst, wenn sie in Stockholm anrief. Er bedauerte ein wenig, dass sie so glücklich verheiratet war. Sie lagen ganz schön auf einer Wellenlänge. Es wäre sogar möglich gewesen, beim Händchenhalten die Finger ineinander zu verhaken.
»Lasse hat mir heute erzählt, dass Kajsa vor vier Wochen in Ägypten war. Sie hatte eine einwöchige Pauschalreise gebucht. Kairo und Nilkreuzfahrt.«
»Und Lasse war nicht dabei?«
»Nein, sie fuhr mit einer Freundin aus Uppsala.«
»Dann müssen wir das überprüfen«, sagte Henning.
»Ich bin gerade von dort zurück. Ich war zuerst im Reisebüro und habe dann mit der Fluggesellschaft telefoniert. Sie ist wirklich geflogen. Was sie dort gemacht hat, weiß ich nicht. Aber jetzt pass auf! Die Freundin wusste gar nichts von dieser Reise.«
Kjell war am frühen Abend zu SHF gefahren, wo Ragnar und seine Gruppe Fohlins Büro und das Archiv durchforsteten. Sie waren mit neun Mann bei der Arbeit. Mehr als die Geschäftsunterlagen der SHF fand man jedoch nicht. Doch dann trat ein junger Kollege aus dem Aktenzimmer.
»Ob das hier etwas sein könnte?« Er reichte Kjell einen kleinen Stapel gehefteter Blätter. Sie glichen Lieferdokumenten. »Es gehört zumindest nicht hierher.«
Kjell überflog die Seiten.
»In den Ordnern, die ich gerade prüfe, sieht alles so aus«, erklärte der junge Mann und tippte auf eine Stelle des Papiers. »Aber das hier kommt aus Algier. Alle anderen Lieferungen stammen aus Osteuropa oder Asien.«
Kjell nickte
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