Der Zweite Tod
acht Minuten vor vier erschien Kjell zusammen mit Barbro und Henning in Verhörraum drei. Auch die Anklägerin Ruth Liljedahl war dabei sowie Kenneth Fohlins junge Anwältin, deren Äußeses Kjell angenehm irsitierte. Er musste sich erst vergegenwärtigen, dass er ja nun nicht mehr alleine durchs Leben ging und nicht bei jeder zweiten Frau angenehm irritiert sein konnte. Ihr Haar war braun und reichte ihr in dicken Strähnen weit den Rücken hinab. Ihr Name, Malin Ählgren, hatte weder ihm noch Ruth Liljedahl etwas gesagt. Dennoch war sie als Prozessanwältin zugelassen.
Kenneth Fohlin nahm alles mit einer in Seminaren erworbenen Gel assenheit hin, die Kjell ganz und gar unsympat hisch war.
Barbro schaltete das Tonband ein, und Kjell diktierte die vorge schriebene juris tische Präambel, den halben vierund zwanzigsten Paragraphen des Prozessrechts und die Namen der Anwesenden, klärte Fohlin über seine Rechte auf und bat ihn, während des Gesprächs mit Worten und nicht mit Gesten zu antworten. Malin Ählgren blickte dabei in ihre Unterlagen. Sie wirkte alles andere als aufgeregt.
»Es geht natürlich um das Geld«, sagte Kjell. »Hast du inzwischen er mit telt, was da raus geworden ist?«
»Selbstverständlich. Das Geld ging zusammen mit einer anderen Summe nach Moskau an unsere Partnerfirma ›Risa‹. Und zwar vor genau einem Monat. Ich habe einen Übergabebeleg.«
Und so ging es weiter. Offensichtlich glaubte Fohlin, die Verant wor tung an die russische Firma weiter gegeben zu haben. Er gab an, dass diese Transaktionen mehrmals im Jahr stattfanden. Leider stimmte das auch. Dennoch war das Geld nach wie vor Eigentum der SHF. Noch eine Stunde lang kreisten Kjells Fragen um dieses Thema. Schließlich erkundigte er sich noch einmal nach dem Alibi für das Wochenende. Fohlin war jetzt vorsichtig. Er vertraute seiner Frau anscheinend nicht mehr und behauptete, das Wochenende zu Hause verbracht zu haben, während Tyra bei ihren Eltern gewesen war. Kjell zitierte Tyras Aussage. Fohlin entschuldigte sie damit, dass sie ihm wohl helfen wolle, und verließ kurz darauf das Präsidium als freier Mann. Wie viel traute er der Polizei zu? Hielt er sie für unwissend, oder war er schlauer? Dann musste er vielleicht handeln. Er könnte zum Beispiel joggen gehen.
60
Am späten Nachmittag breitete sich Sofi wieder die Wolldecke auf dem Boden des Besprechungsraums neben der Heizung aus, nachdem sie ihre Augen mit kaltem Wasser ausgespült hatte. Sie schlief vier Stunden bis um neun Uhr. Hier konnte sie besser schlafen als zu Hause. Sie schlug die Augen auf und bemerkte, dass sie ganz allein war. Es war dunkel im Zimmer, aber jemand hatte zwei Kerzen auf dem Tisch angezündet. Die Tür war angelehnt und ließ einen schmalen Lichtstreifen herein. Sie setzte sich auf und lauschte, hörte aber weder Stimmen noch andere Geräusche. Sie stand auf und blickte aus dem Fenster. Vor dem Hinlegen hatte sie den Kindern mit ihren Schlitten unten im Park zugesehen. Jetzt war es dort leer. Der verschneite Park schimmerte blaukalt zu ihr herauf. Sofi gähnte und streckte sich.
An der Spüle trank sie ein Glas Wasser und ging dann hinaus in den Gang. In dem Büro, das sie sich mit Kjell teilte, war alles dunkel, aber bei Henning und Barbro brannte Licht. Sie drückte die angelehnte Tür auf. Barbro saß an ihrem Schreibtisch und bemerkte sie nicht.
Sie betrachtete ihre Kol le gin einige Sekunden lang und klopfte dann mit dem Knöchel des Zeigefingers gegen den Türrahmen. Barbro sah auf, streckte einen Arm in Sofis Richtung und schnippte mit dem Finger.
»Ich hab uns etwas zu essen bestellt. Kommt aber erst in einer halben Stunde.«
»Hm«, sagte Sofi. »Ich habe Hunger.« Sie lief auf Strümpfen zu Bar bros Besu cherstuhl und ließ sich da rauf nieder. »Warst du bei Emelie?«
»Ich war drei Stunden da, hab sie gebadet und ins Bett gebracht. Linda ist bei ihr.« Barbro seufzte. »Bald hab ich ja Urlaub.«
»Sitzt du an deiner Spur?«
Barbro nickte und betrachtete sie. Sofi kniff die Augen zusammen und lächelte.
»Ich weiß einfach nicht, wie ich an diesen Mann herankommen soll. Wir haben ein Phantombild mit Helena Äkesson gemacht.« Sie hielt es Sofi hin.
»Das sieht doch gut aus. Das könnten wir zur Fahndung rausgeben.«
»Der wird wissen, wie er sich verstecken kann.«
Sofi stülpte die Lippen und verdrehte die Augen nach links und rechts. »Wir könnten ja Mari zum Essen einladen.«
»Du hast sie ja noch gar nicht
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