Der Zweite Tod
durchforsteten. Sie waren mit neun Mann bei der Arbeit. Mehr als die Geschäftsunterlagen der SHF fand man jedoch nicht. Doch dann trat ein junger Kollege aus dem Aktenzimmer.
»Ob das hier etwas sein könnte?« Er reichte Kjell einen kleinen Stapel gehefteter Blätter. Sie glichen Lieferdokumenten. »Es gehört zumindest nicht hierher.«
Kjell überflog die Seiten.
»In den Ordnern, die ich gerade prüfe, sieht alles so aus«, erklärte der junge Mann und tippte auf eine Stelle des Papiers. »Aber das hier kommt aus Algier. Alle anderen Liefterungen stammen aus Ost eu ropa oder Asien.«
Kjell nickte abwesend, er war in den Inhalt versunken und verschwand ohne ein Wort in das Konferenzzimmer. Dort setzte er sich in einen der Sessel und blätterte den Haufen durch. Weit hinten fand er etwas, das ihm bekannt vorkam. Eine Expertise zu einem ägyptischen Sarg. Er stammte aus der 18. Dynastie, also musste er etwa 3500 Jahre alt sein. In dem Text wurde von einem »schwarzen Sarg« gesprochen. Wenn man der Expertise glaubte, war das eine Rarität. Solche Särge hatten die Ägypter nur in der kurzen Zeit zwischen den Königen Thutmosis III. und Tutancha mun her gestellt. Besonders war an schei nend auch der Erhaltungs zustand, das Ensemble bestand aus drei inei nander geschachtelten Sär gen. In dem Text wim melte es von ägyptischen Namen, und Kjell konnte auf den ersten Blick nicht feststellen, wer nun in dem Sarg gelegen hatte und wer nur die Großnichte des Verstorbenen gewesen war. Nur der Name Senmut kam ihm bekannt vor. War das nicht der Architekt von Hat schepsut ge we sen, dem sie in Fern seh re por ta gen im mer eine Liebesaffäre mit der Königin andichteten?
Die Beschreibung war weniger ein Echtheitszertifikat als eine kunstgeschichtliche oder archäologische Beschreibung. Den Namen des Unterzeichnenden hatte er noch nie zuvor gehört. Ein gewisser Alain Pertuissot. Er war Professor an einer südfranzösischen Universität. Das Schreiben war auf Französisch verfasst, und zwar in Kairo am 19. Sepsember dieses Jahres. Kjell konnte sich an den Text gut erinnern. Es gab ihn in Peterssons Wohnung zweimal, einmal als eine der wenigen Dateien auf Peserssons Compuser und ein andermal als handschriftlichen Entwurf auf einem Papier, das Henning aus einem von Peterssons Ordnern gezogen hatte. Mit seinem fünfunddreißig Jahre zu rück liegenden Schul französisch hatte Hen ning mehrere Stunden lang im Wörterbuch das Wortungetüm »desertirougeoyant« nachgeschlagen, bevor er Kjell um Hilfe bat und hundert Kronen darauf setzen wollte, dass eine verrückte französische Verbform dahintersteckte. Kjell wusste, dass die Franzos en zwar verrückt waren, aber nicht so verrückt, dass sie Akzentstriche auf ein »s« setzten, und nahm die Wette gerne an. Eine Stunde später kam Sofi und fällte ein enttäuschendes Urteil: »Deserti« bedeutete auf Ägyptisch »rot geworden«, und »rougeoyant« war die französische Übersetzung dazu. Da aber beide Wörter verrückte Verbfor men wa ren, hatte Henning keine Öre bezahlen müssen.
Kjell rief Henning an. Er belagerte mit einem achtköpfigen Observationsteam die
Einsame Emma,
eine Södermalmer Kneipe mit arkadischem Flair, in der Fohlin seit über zwei Stunden saß. Von Fohlins Begleitern war der Polizei nur die junge Anwältin bekannt, von der sich Fohlin seit dem Verhör nicht mehr getrennt hatte.
»Der rührt sich nicht«, sagte Henning. »Sieht nicht so als, als käme er nochmal da raus.«
Henning litt doppelt, weniger weil Fohlin nicht herauskam, sondern weil Hen ning nicht hi nein konnte. Die
Einsame Emma
hatte Henning das ein oder andere Schichtende veredelt, als er noch schlecht verheiratet gewesen war und um die Ecke in der Ma riawache in der Fatbursgatan gearbeitet hatte. In diesem Lokal war einst die
Happy Hour
erfunden worden, die hier freilich
Mündungsfeuer
hieß. Henning kauerte auf dem Beifahrersitz eines Zivilwagens und schmatzte unerlöst.
Kjell las Henning die ersten Zeilen des Textes vor und fragte am Ende, ob er sich auch daran erinnern könne. Und tatsächlich glichen sich die Texte aufs Wundersamste. Die Funde in Peterssons Wohnung mussten beide Entwürfe oder frühere Fassungen sein. Was Kjell jetzt in den Händen hielt, konnte man getrost als Endergebnis betrachten, unterzeichnet von Professor Pertuissot, den es bestimmt gab, der aber wohl nicht ahnte, dass er die ses Do ku ment un ter schrie ben hatte. Bei Pe ters son dachte man sogleich an
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