Der Zweite Tod
zu spät. Wenn man durch sein borstiges Haar führe, würde sich eine Wolke aus Staub und Sand bilden, dachte Sofi bei seinem Anblick. Es war kurz und blond, begann aber an einigen Stellen bereits zu ergrauen. Aus der Einsatzakte wusste Sofi, dass er vierunddreißig Jahre alt war. Noch wäh rend sei nes Stu diums der Arabistik hatte sich William mit einer syrischen Christin verlobt und ein Jahr mit ihr in Damaskus gelebt. Aber geheiratet hatten die beiden nie. Seit zwei Jahren rekrutierte die Säpo auch Akademiker. Sofi nahm an, dass er für die Säpo regelmäßig Berichte über die Entwicklung des Extremismus und des Terrorismus verfasste. Dane ben arbeitete er als Kor res pondent für eine schwedi sche und eine britische Zeitung.
Will iam war gut ausgebildet worden, wenn auch in einem Crashprogramm. Für ihn war die Sache klar. Sie würden hinfahren und klingeln. Diese Taktik schien gut zu ihm zu passen. Seine Kleidung sah aus, als wäre er von Damaskus zu Fuß hierhergelaufen. Sofi sah ein, dass ihnen die Umstände keine andere Wahl ließen.
32
Nach dem Gespräch mit Elsa Lumholt fuhr Kjell ins Präsidium. Er musste sich langsam auf Mari Svahn vorbereit en, die am Nachmittag erwartet wurde. Er wollte nicht ins Verhör gehen, ohne sich vor her die theoretischen Zu sam men hänge bewusst gemacht zu haben. Die Lage verlangte nach einer detail reichen Großgraphik auf der Ta fel im Be sprechungs raum. Linda fand al len Erns tes, dass er seine Kons t ruk tionen ein mal ausstellen sollte. In New York gebe es Künstler, deren Werke rie sige Zah len di a gram me wa ren. Er musste ihr in so weit Recht geben, als es wunderschön ausl ah, wenn er die Talel vollgezeich net hatte.
Davor hatte er jedoch noch etwas anderes zu erledigen und begab sich in den Nebentrakt des Polizeikomplexes. Nach kurzem Suchen fand er das Büro von SnasfriSur Jömundardöttir im Dezernat 12 für Wirtschaftskrim inalität. E r klo pfte, öffnete die Tür einen Spalt weit und steckte den Kopf hinein. »SnasfriSur?«
Sie lachte lange und nickte. SnasfriSur war eine typische Stupsnasenisländerin mit großen Augen. »Es heißt
Snaifrithürrr
mit
th
wie im Englischen, aber du kannst ›Schneefräse‹ sagen, wie die anderen hier. Oder Lilja. Das ist mein zweiter Vorname.«
»Dann Lilja.«
»
Ökei.«
Kjell überlegte, ob der Spitzname
»Schneefräse«
am Ende gar nicht von ihrem Namen abgeleitet war, sondern eher von ihrer Art zu lachen.
Wirtschaftlich stand das Antiquariat viel besser da, als Kjell erwartet hatte. Die jahrelange Jammerei von Wessen hatte ihn mit der Vorstellung mariniert, dass es in dieser Branche nichts zu verdienen gab. SnafriSur bestätigte, was man auch aus den Exlibris in all den Büchern wissen konnte. Wessen kaufte sein Sor ti ment en gros von Wit wen, die nach angemessener Trauerzeit von einem Tag bis zu neun Monaten die Privatbibl iothek des verstorbenen Gat ten als Ge samt pa ket anboten und mit dem Erlös auf Weltreise gingen. Wenn Wessen die Bücher dann einzeln weiterverkaufte, machte er einen bald schon unanständigen Gewinn. Er profitierte auch davon, dass die Anbieter den Wert einzelner Bücher oft verkannten. Das Antiquariat stand also gar nicht schlecht da. Man konnte freilich nicht reich damit werden. Wenn man aber die Immobilie besaß und keine Miete zahlen musste, lebte man gut. Vor allem aber lebte man glücklich und nicht allzu unbequem.
Zurück im Büro rief er Wessen an. Er wollte es zum Abschluss bringen, da er nicht wusste, wie viel Zeit ihm in den nächsten Tagen bleiben würde. Wessen nannte seinen Preis. Der umfasste alles von der Immobilie bis zum Wechselgeld in der Kasse. Wessens Vorstellung orientierte sich eher daran, wie viel er für den Rest seiner Tage noch benötigte. Das war so wenig, dass der Kerl irgendwo Geld deponiert haben musste. Kjell war sich nicht sicher, ob er für die Im mobi lie al lein sogar mehr her aus ge schlagen hätte. Er sagte zu und rief danach noch beim Notar und bei der Bank an. Sein Anl ageberat er freute sich, denn Kjell hatte noch nie von sich aus angerufen. Nachdem er sich drei Jahre zuvor gewissenhaft um Lindas Anteil am Erbe gekümmert hatte, konnte er sich seitdem zu weiteren Anlagegeschäften nicht aufraffen. Er legte dem Anlageberater seinen Plan dar, und im Anschluss lachte der Berater. Sein Lachen wurde heller und dunkler und dann wieder heller, ein Phänomen, das man in der Physik Dopplereffekt nennt und das auch durch heftiges Kopfschütteln beim
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