Der Zweite Tod
Hinterkopf und ihren Rücken. »Kannst du die Festplatte kopieren? Wir lassen alles so stehen, in dieser Umgebung und Anordnung. Hier stimmt irgendetwas nicht.«
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Kjell und Sofi trafen um kurz vor sieben und lange vor der Dämmerung im Polizei gebäude in der Pol hemsgatan in Kungs holmen ein. Nur wenige Fenster waren um diese Zeit schon erleuchtet, doch nachdem sie die Sicherheitstür zu ihrem Büro passiert hatt en, sahen sie ihre beiden Koll egen bereits bei der Arbeit. Barbro arbeitete schon seit einer Stunde. Henning war erst vor we ni gen Mi nu ten an ge kom men. Er wohnte weit im Sü den der Stadt in Huddinge und hatte deshalb die ersten beiden Stunden nach Sofis Weckruf auf der Schnellstraße im Schneegestöber ver bracht.
Wie immer begannen sie den Arbeitst ag mit der Morgenandacht. So nannte Bar bro die Frühbesprechung. Hen ning sagte meist nur »Kaffee« dazu, wenn er überhaupt sprach. Die Taktische war eine von drei Sonder er mitt lungsgruppen der Reichs mord kom mission, die die Reichspoli zei leitung vor kur zem gebildet hatte. Die Gruppen hatten jeweils eigene Schwerpunkte, in der Hierarchie standen sie nicht nur über allen anderen Kommissionen, sondern auch über den lo ka len Polizei ein heiten im ganzen Land. Die taktische Gruppe von Kommissar Kjell Cederström beschäftigte sich mit besonderen Gewaltverbrechen. Sie zeichnet en sich nicht durch ihre Brut al it ät aus, sondern durch die Komplexität der Ermittlung und die schwierige Beweisführung. Da musste man taktisch ans Werk gehen, daher der Name. Der größte Teil der Fälle waren Nachermittlungen, bei de nen die Gruppeer folg los ab ge schlos sene Haupt er mitt lungen der regulären Kommissionen aufnahm. Der Auftrag kam in der Regel vom Generalan klä ger oder dem Justiz kanz ler, zu ei nem frü he ren Zeit punkt auch von der Reichskri mi nal leitung selbst.
Das Polizeigebäude, den Sitz zahlreicher Polizeiinstitutionen, bildete eine Vielzahl von Gebäuden mit unterschiedlichem Baujahr und Aussehen. Sie hatten miteinander nur gemein, alle zur falschen Zeit erbaut und so hässlich zu sein, dass sich die Angestellten auf den Winter freuten, wenn sie das Gebäude bei Dunkel heit betreten und wieder ver lassen konnten. Der Architekt musste sich nach einer Normandiereise in früher Jugend offenbar in der Tradition deutscher Gefechtsbunkerkonstrukteure gesehen haben. Der Komplex erstreckte sich vom Kronobergspark mehrere Blocks weit bis hin zum Rathaus. Die Gruppe residierte in einem der oberen Geschosse des Vorderhauses mit Blick auf den Park. Sie hätten ein noch größeres Büro zwei Häuser weiter bekommen können, aber dann wären alle dreißig Minuten Hubschrauber einen halben Meter über ihrem Kopf gelandet und gestartet. Von hier aus konnte Kjell sogar das Sankt-Erik-Gymna-sium zwei Straßen weiter sehen. In der Etage kursierte der Witz, dass Linda aus gerech net die ses Gymna sium besuchte, da mit Vater und Tochter sich den ganzen Tag zuwinken konnten. Aber die Wahrheit war, dass Linda diese Schule gewählt hatte, weil sie einen Kunstzweig anbot und von allen Stockholmer Gymnasien am wenigsten Physik.
Das ält este Mitglied der Gruppe war Henning Larsson. Er würde demnächst fünfzig werden und zugleich auch Kommissar. Henning blickte auf ein raues Leben zurück, war in jungen Jahren im Sommer zur See und im Winter Taxi gefahren. Dabei war er auch noch zwanzig Jahre lang schlecht verheiratet gewesen. Das hatte ihn am meisten gegerbt. Seit zwei Jahren war er umso glück licher geschieden und ent faltete sich in sei ner alten Dreizimmerwohnung, die er jetzt ganz für sich allein hatte. Seine Ehe war nicht gerade explodiert, ihr Ende hatte mehr einem Schlauchboot geglichen, das unbemerkt gegen einen spitzen Stein aufläuft. Auch beruflich war sein Stern lange Zeit gesunken, bevor Kjell ihn zu Beginn des Jahres in die Gruppe berief. Im Hinblick auf seine Körperfülle und seinen Spürsinn wäre es mühsam und teuer gewesen, ihn in Gold aufzuwiegen. Er war karg an Worten, aber im Gegensatz zu Sofi verbarg sich hinter seiner Schweigsamkeit nichts, was er zurückhielt.
Sofi Johansson war ein leiser Mensch. In ihrem zehnten Lebensjahr hatte das Jugendamt sie aus Karlstad in Westschweden zu ei nem älte ren Bau ernpaar ins hintere Värm land gebracht, wo sie den Rest ihrer Kindheit gelebt hatte. Wer wie ihre Pflegeeltern vierzig Jahre verheiratet ist und einen Hof führt, auf dem sich jahrein, jahraus alle Verrichtungen wiederholen,
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