Der Zweite Tod
Englandspiel.«
Barbro erhob sich. »Er wollte vielleicht nur testen, wie aufrichtig ihre Zu nei gung war.«
»Was gibt es denn da zu testen!«
Barbro starrte Henning an. »Du bist auch dauernd bei mir. Und du bist doppelt so alt wie ich.« »Wir puzzeln doch nur.« »Das ist viel intimer.«
Sie kehrten zurück und setzten das Verhör fort. Und wie Kjell erwart et hatte, lief die Sache genau darauf hinaus. Pet ersson hatte Mari dazu gebracht, das Haus nicht zu verkaufen. Er hatte ihr immer so viel Geld gewährt, dass es weiterging.
»Vor einem Jahr hat sich alles verändert«, sagte Mari. »Er erklärte mir, dass er sich das nicht mehr leisten könne. Damals glaubten wir, dass Papa bald sterben muss. Ich habe jeden Tag damit gerechnet.« Mari war keine Frau der Tränen. Ihr Geständnis war ganz sachlich. »Und dann habe ich ihm versichert, dass er alles zurückbekommen würde, wenn er mich weiter unterstützt. Ich konnte das Haus nicht verkaufen, ohne Papas Einwilligung ging das nicht. Erst nach Papas Tod war das möglich.«
Aber Gustav Svahn war nicht gestorben. Noch lange nicht.
»Carl behauptete, dass kein Geld mehr da sei. Ich habe ihm Schuldscheine unterschrieben. Das war meine Idee, und sie hat ihm gefallen, es war so altmodisch.«
Kjell fühlte sich in die sem Moment bestätigt, denn Petersson hätte sogar das Haus auf ei nen Schlag abbe zah len kön nen, ohne dass es ein bemerkenswertes Loch in seine Finanzen gerissen hätte. Er hätte nur mit seiner Karte beim nächsten Geldautomaten vorbei schau en müs sen.
»Als Papa dann gestorben ist, wollte ich sofort alles zurückzahlen, aber das ging nicht. Die Bank sagte mir, dass ich nur andert halb Mil lionen bekom men würde, wenn die Fi nanzie rung jetzt platzte. Das war viel zu wenig. Ich musste Carl fast zwei Mil lionen zu rück zah len. Er wollte mich nicht gehen las sen.«
Kjell blickte zu Barbro. Sie erwiderte seinen Blick mit einem Mund win kel zu cken.
»Hast du weiter hin mit ihm geschla fen?«
»Ja!«, rief sie. »Ich sagte ihm, ich hätte genug gegeben.«
»Erzähl uns jetzt, was in der Nacht vom 26. auf den 27. November passiert ist.«
»Ich habe ihn den ganzen Tag gedrängt, weil ich gehen wollte. Ich wollte alles klären. Aber er ließ mich nicht gehen. Er forderte immerzu, ich solle warten und noch mal warten. Ich wusste aber nicht, warum.«
»Und dann?«
»Da habe ich ihm den Brieföffner in den Rücken gestoßen.«
Mari Svahn brach in Weinen aus.
»Warum bist du nicht einfach gegangen?«
Sie schüttelte weinend den Kopf. »Ich weiß nicht.« Das Wimmern wurde so schlimm, dass Kjell das Verhör abbrach. Nun war ohnehin der Zeitpunkt gekommen, wo sie sich mit ihrer Anwältin beraten musste.
35: Freitag, 7. Dezember
Mari Svahn war in einer Filiale der
Banco de Andalucia
verhaftet worden, als sie ein Bankschließfach mieten wollte. Sie gab an, dass ihr das Risiko bewusst gewesen war, aber nachdem sie tagelang nichts über Petersson in den Internetausgaben der schwedischen Zeitungen entdeckt hatte, hatte sie fortan nicht mehr geglaubt, dass er tot und ihr die Pol izei auf den Fersen war. Bis dahin war sie durchaus geschickt vorgegangen, war mit anonymen Zugtickets gereist und hatte in Hotels falsche Namen ange ge ben.
Der einzige Beleg, den sie vorweisen konnte, war ein
ticket de caisse
einer Bahnhofsbuchhandlung am Gare d’Austerlitz in Paris, wo Mari am 28. November eine englische Ausgabe von Harry Potter gekauft hatte.
Am Morgen tralen sich alle Beteiligten wieder im Verhörraum. Kjell hatte sich für den grauen Zweireiher mit schwarzem Pulli entschieden, da ein Kontakt mit der Chefetage mögl ich war. Er versuchte dort immer, den Eindruck zu erwecken, dass er sich zwar angemessen kleidete, seinen Beruf aber eher als Hobby inter pretierte. Wenn man nicht er pressbar ist, bereitet die Arbeit noch mehr Erfüllung.
»In dei nem Ruck sack hat test du fast sech zig tausend Euro«, begann er die zweite Runde. »Ist das Peterssons Geld?«
»Ich weiß nicht, wem es gehört. Aber nicht Carl.«
»Hast du es aus sei ner Woh nung mitgenom men?«
»Carl wollte nicht mit mir reden. An dem Tag wart ete er auf eine Sendung, aber die kam nicht. Das Wetter war so schlecht.«
»Was für eine Sendung war das?«
»Sie kam Minuten, bevor es passiert ist. Die Sendungen kommen immer mit einem Kurier.« »So etwas wie FedEx?«
Sie nickte. »Aber die waren es nicht. Der Mann trug auch keine Uniform. Ich habe die Tasche entgegengenommen.«
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